01.07.2010: Death By Stereo, Steve From England - Hannover - Bei Chez Heinz

01.07.2010
 

 


Früher gab es Pixi-Bücher. In solch einem kleinen Buch standen oft Weisheiten für´s Leben, einfache und dennoch ehrliche Geschichten oder einfach nur klassische Fallbeispiele aus dem Alltag eines Jeden, eingefasst in kindliche, simple Sichtweisen. Oft machten diese Schriften in späteren Lebenssituationen Sinn oder vereinfachten alltägliche Fragen.

Den heutigen Abend hätte man gut und gerne als Pixibuch verkaufen können. „How to Hardcoreshow richtig“ oder „Das Ein-Mal-Eins des positiven Konzertereignisses“ – das wären passende Titel. Dank der feierwütigen Studenten, welche am heutigen Donnerstag ab 23h das Party-Ruder des Chez Heinz übernehmen sollen, beginnt der Hannover-Allstar-Fünfer Steve From England (ex- Never Promise, kju:, ex-Rasheed etc.) bereits um kurz nach 21h. Noch vor dem ersten Ton werden die wirklich wichtigen Dinge erledigt (siehe Eintrag Pixibuch!): Konfettibomben verteilen, Hi-Fives mit den angereisten Kumpels und das 80er Tennisstirnband statt der halbleeren Bierflasche. „Aufgehalten“ durch ein aufbauendes Instrumentalintro zieht Steve nach wenigen Minuten seinen Hut und tritt in die Fresse. Ganz in „Alter-Schule-Manier“ gibt es glatten Hardcorepunk zum aufs Herz klopfen, Faust heben und umhermoshen (Pixibuch!) – alles mit einem eindeutigen Spassfaktor im Vordergrund. „Waste Away“ oder das neue „Lighthouse“ (?) jucken in der Halsschlagader und backen gesunde und kräftigende Brötchen. Für gehirnamputiertes Bollo-, ultraradikales Veganer- oder geistesabwesendes Religionsgepose ist in Steve´s Pixi-Bibel kein Platz. Als Häubchen gibt´s zum Abschluss ein bolzendes Sick Of It All Cover („Busted“) und wie von Geisterhand mit Schweiß übergossene Band- und Besuchergesichter mit breiten Grinsen. Danke, Steve. Hannover ist wach.



Umblättern, bitte. Es folgt eine ungewohnt kurze Umbaupause und die 4 Sympathie-Chaoten aus Orange County, Kalifornien knüppeln davon. Heute – bedingt durch einen Familienvorfall - mit JP am Bass sowie dem genialen Dan Palmer als Alleinunterhalter aka. Gitarrist. In den ersten Runden hagelt es von Schriftstellerseite direkt "Beyond The Blinders" oder "Looking Out For Number One" und der Hammer wird mit jeder Minute höher gehängt, mit der die Temperatur im Keller steigt. Fast wie ein Psychopath verbindet Schreihals Efrem seine Opernhaus-reifen Einlagen mit schauspielerischem Ausdruck und einer TV-reifem Gestik, um im nächsten Moment wieder in ein stinksaures Gegrunze zu driften und mit der einarmigen Faust-Windmühle fast wegfliehen zu drohen. Sogar die eher "radioreifen" Songs des neuen Longplayers "Death Is My Only Friend" haben live den Druck und den Drive, den eine Band wie DBS ausmacht. Mit Hinweisen auf die Bukkake-Party im Anschluss, einer Runde Jägermeister-Shots mit willigen Publikumsjüngern oder den fantastischen optischen und technischen Posereinlagen von Mr. Palmer und seiner 6-saitigen Ehefrau (im Pixibuch zu erwähnen!) macht sich dieser Abend bezahlt wie Kino, WM-Endspiel, Freibierparty und Weihnachten im selben Moment. Mit "I Sing For You" werden nach knapp einer Stunde die letzten Minuten eingeleitet, die Begeisterung im Publikum hält aber - auch dank höchstnotwendiger Zugabe - noch umso länger. Ein gesondertes "Hut ab!" für diese profesionelle, energiereiche und keinesfalls abgekaspert wirkende Liveshow der 4 Sonnenpunks, die bei ihrem letzten Hannoverbesuch auch punkteten, aber nicht eben das kleine Pixibuch wert gewesen wären. Die 1,20 D-Mark dafür sollte jeder festgefahrene Facebookjunkie und MySpace-Punker mal investieren - und die Welt wäre wieder in Ordnung. Und wenn sie nicht gestorben sind...