02.03.2012: Rise Against, Architects, Touché Amoré - Stuttgart - Hanns-Martin-Schleyer-Halle

02.03.2012
 

 


Eine riesige Halle mit ca. 10000 Menschen, drei Livebands und der Spagat zwischen politischem Statement und Ausverkauf.

Eins vorweg: Ich war noch nie auf so einer großen „Clubshow“ und den ganzen Abend über überwältigt von der schieren Größe der Veranstaltung und dieser Menschenmenge. Allein der Parkplatz würde als Zeltplatz für ein Festival ausreichen und alle Wege sind ziemlich lang. Und es ist pures Glück, dass wir eineinhalb Stunden vor inoffiziellem Beginn um 19:00 Uhr da sind, denn kaum hat man sich in der Location ein wenig orientiert, fangen auch schon TOUCHE AMORE zu spielen an. Und das 30 Minuten vor eigentlichem Beginn! Man hat das Gefühl, dass ein Großteil der schon anwesenden Besucher genauso überrascht sind von dem frühzeitigen Beginn – vor allem aber von der Band. Dass TOUCHE AMORE eine Band ist, die nicht konventionell klingt, es dafür musikalisch technisch es drauf haben, ist vielen bewusst. Und so spielen ein vertracktes Riff nach dem anderen, das Schlagzeug wechselt zwischen Blastbeat und Tacktwechseln und es werden immer 3 Songs mit Übergängen direkt nacheinander gespielt, um irgendwie an die magische 3-Minuten-Songmarke heranzukommen (in ihrem ca. 30 minütigem Set haben sie wohl alles gespielt, was sie je geschrieben haben). Es ist fast schon traurig, aber die Band verliert sich komplett auf der großen Bühne und verraucht in der gigantischen Halle.

Besser wird es – was das Publikumsinteresse angeht – als die Jungs von ARCHITECTS aus UK die Bühne stürmen. Recht viele Leute scheinen auch wegen ihnen da zu sein. Man merkt einfach auch, dass die Briten es gewöhnt sind, vor so großem Publikum zu performen und es auch können. Als Opener spielen sie “Devil’s Island“ und reißen schon zu Beginn alles ab. Von dem Tribünenplatz, an den ich verfrachtet wurde, aus, sehe ich die ersten Moshpits. Mit ihrem Mix aus älteren harten Song und neueren melodischen können sie sogar Nicht-Fans animieren, auch wenn ihrer Forderung nach „Open this place up“ nur zögerlich nachgegangen wird. Ansonsten spielen sie einfach eine richtig gute Show die Spaß macht, energiegeladen und musikalisch perfekt!

Und dann dieser Headliner – und das tosende Geschrei, mit dem er von 10.000 Mann begrüßt wird (ja, ich bin beeindruckt). Doch zunächst sieht man keinen Menschen auf der Bühne, es ist stockdunkel, nur vier LED-Wände strahlen. Zu sehen sind Szenen aus allen möglichen Krisenregionen der Welt, Bilder von Massentierhaltung und Demonstrationen. Und dann wird plötzlich alles hell und RISE AGAINST erobern die Bühne – das Publikum, dass bis jetzt von oben recht steif wirkte, erwacht mit einem Mal zum Leben, ein Meer von Händen und sogar die Yuppies neben mir auf der Tribüne springen auf und tanzen. Obwohl einige der Band gesundheitlich angeschlagen sind und doch etwas müde wirken, hüpfen sie mit aller Kraft quer über die Stage und nehmen den kompletten Raum ein, Gitarrist Zach Blair hüpft wie ein Flummi umher und Sänger Tim McIlrath mobilisiert die Massen. RISE AGAINST bestätigen einfach, dass sie eine richtig gute Live-Band sind. Und während sie in ihrem eineinhalb-stündigen Set ungefähr alle Hits spielen, die sie je schrieben, von „Give It All“ zu „Ready to Fall“, feiert sie das Publikum frenetisch ab. Alle paar Songs wird die Show unterbrochen, es wird wieder dunkel und die LED-Wände kommen erneut zum Einsatz, um daran zu erinnern, dass RISE AGAINST vor allem eins sind, politisch. Während ich mich aber im Publikum umsehe, frage ich mich, wie viele der anwesenden „Fans“ es auch sind. Fast schon stellvertretend für diese sitzt vor mir ein Mann mit seiner angepunkten Tochter, er selbst das Klischee des bierbäuchigen Mittelstandsunternehmers mit Bügelfalten, der sich später ein Rise Against Tour-T-Shirt kauft und es über sein Polohemd zieht, dazu eine Currywurst auf dem Schoß. Dahinter soll jetzt keine Wertung stecken, aber man kann nicht anders, als gewisse Widersprüche zwischen dem auf der Bühne und dem im Publikum zu bemerken. Abgesehen davon kann man nicht anders, als dem Abend eine absolute Bestnote zu verleihen, vor allem der grandiosen Leistung vom Headliner. Aber das hatte man ja auch nicht anders erwartet.