05.02.2011: Letlive, Break Even, Stick To Your Guns, Your Demise - Bochum - Matrix

05.02.2011
 

 


Im Vorfeld dieser von Avocado-Tourbooking veranstalteten Tour hatte man ja vielerseits den Vorwurf gemacht, das Line-Up sei mal wieder viel zu bunt zusammen gemischt und da wäre jemand am Werk gewesen, der keine Ahnung hat. Nachdem ich die Show in der Matrix besucht habe, kann ich jedoch behaupten, dass genau dieser Abwechslungsreichtum dem Abend die nötige Würze gegeben hat. Und vielleicht war er auch der Schlüssel zu der verhältnismässig sehr hohen Besucherzahl an diesem Samstagabend.

Aber fangen wir von vorne an. Nämlich bei LETLIVE, der ersten Band für mich, da ich leider den lokalen Support namens Dead End verpasse. Den Namen dieser Band hatte ich noch nirgends gelesen, bevor er auf den „The Kids we Used to be“-Tourplakaten auftauchte. Zu Unrecht, wie sich herausstellt: Die Fünf-Mann-Kombo aus Los Angeles spielt nämlich eine sehr frische und im positiven Sinne verrückte Mischung aus Metal, Hardcore, Punk, Screamo/Emo und streut hier und da auch Elemente ein, die keinem dieser Genres zuzuordnen sind. Damit präsentiert man natürlich gleich mal einen breiteren Sound als die meisten anderen Emporkömmlinge der Szene und verschafft sich damit einen bedeutenden Vorteil, der sich auch im kräftigen Applaus in der Matrix bemerkbar macht. Der Laden ist sehr gut gefüllt und auch direkt an der Bühne sammeln sich ein paar Menschen, was den meisten Opener-Bands ja nicht vergönnt ist. Aber nicht nur an den Instrumenten überzeugen LETLIVE auf ganzer Linie, vor allem ihre außergewöhnliche und sehr energetische Live-Show sorgt dafür, dass an sich an den Auftritt erinnern wird. Angesichts der immensen Bewegungslust und der beachtenswerten Ausdauer, die die Musiker beweisen, schätze ich mal, das hinter diesen 30 Minuten, die man jeden Abend präsentiert, etliche Monate an Arbeit stecken. Die meiste Aufmerksamkeit zieht diesbezüglich sicherlich Sänger Jason Aalon Butler auf sich, der für seinen Job 10/10 Punkte von mir kriegt. Nicht nur beherrscht er von Shouts über Clean-Gesang alles, was das Hörerherz begehrt, er beweist mit seiner wahnsinnigen, aber keinesfalls aufgesetzten Art auch sehr eigenartige Entertainer-Fähigkeiten und hat es sich offenbar zum Ziel gesetzt, die Zuschauer von Anfang bis Ende jede Sekunde lang in seinen Bann zu ziehen. So erzählt er zwischen den Songs einzelne, wirklich seltsame Episoden aus seiner Kindheit und Jugend (wenn ich das richtig verstanden habe) oder beatboxt einfach die Überleitung in das nächste Lied. Auf Youtube kann man das ganze Liveset von LETLIVE bestaunen. Wie man dort nachvollziehen kann, bestand dieses ausschließlich aus Material des neuen Albums „Fake History“, welches auf Epitaph Records erschienen ist. Ist ja auch eine ganz schöne Hausnummer. Sollte man also mal auschecken die Herren, besonders wenn man Bands wie Norma Jean oder Every Time I Die mag!

BREAK EVEN aus Australien waren ja letztes Jahr im April bereits mit den Deez Nuts, The Ghost Inside und Awaken Demons auf Tour und auch damals haben sich Fans der Band ziemlich gewundert, in was für einem Paket Break Even Europa betourt. Viel eher passen sie jedenfalls auch nicht in das jetzige, dennoch ist der Anklang wenn ich ihn mit der letzten Tour vergleiche, viel größer! 2 bis 3 Reihen an mitsingfreudigen Fans platzieren sich bereits vor Beginn des Sets an der brusthohen Bühne und lassen auf einiges hoffen. Als man dann mit „Run for Your Life“ eröffnet, gibt es gleich bei den ersten Zeilen kein Halten mehr und es wird gleich viel mitgesungen und stellenweise auch gestagedivet. Es tut gut, zu sehen, dass diese Kapelle sich endlich einen Rang erspielt hat und da hofft man natürlich, dass sie bald mal auf einer Headliner-Tour zu bestaunen ist. Mark Bawden wirkt sympathisch wie eh und je und freut sich sichtlich über den überwältigen Anklang. So türmen sich vor allem bei „October 27th“ die Leute und singen den Chorus mit - man hat für eine kurze Zeit wieder das gleiche Gefühl, welches man mal hatte, als Bands wie Verse und Have Heart noch aktiv waren. Für eine kurze Zeit breitet sich eine sehr freundliche, familiäre Atmosphäre aus, in der sich ausnahmsweise mal niemand durch seine tollen Mosh-Moves oder coolen Posen profilieren (dafür hat man ja bei STYG und Your Demise noch genug Zeit) muss. Weitere Songs des Sets sind „Dreamer“, „Smashing Lights“, „Heart Shape House“. Zum Abschluss gibt es mit „November 18th“ wohl den aussagekräftigsten Song von BREAK EVEN, der sich mit dem tragischen Selbstmord des ehemaligen zweiten Gitarristen der Australier beschäftigt.

Auch STICK TO YOUR GUNS sollten letztes Jahr im April auf Tour sein, was allerdings durch den Vulkanausbruch in Island verhindert wurde. Nachgeholt hat die Band das Ganze wenige Monate später mit einem neuem Album namens „The Hope Division“ und Tourpartnern wie Winds of Plague im Gepäck. Nach etlichen Support-Touren in Europa hat man sich wohl endlich einen bedeutenden Namen erspielt und so ist auch bei diesen Herren langsam mal eine erste Headliner-Tour fällig. Bis zu diesem Abend hatte ich es noch nie erlebt, dass bei den Mannen um Jesse Barnett wirklich viel abgeht, auf der Hell on Earth Tour 2008 und auf Tour mit Terror und Born From Pain hatten sich STICK TO YOUR GUNS noch sehr schwer getan, Fans in die ersten Reihen zu locken. Doch heute ist das grundsätzlich anders: Mit „What Goes Around“ und „Where the Sun Never Sleeps“ werden einem direkt mal zwei neue Nummern um die Ohren geblasen und die Hütte steht völlig Kopf. Das neue Album scheint also prächtig angekommen zu sein – sind aber auch einige Hits drauf. Doch auch olle Kamellen wie „Enough is Enough“ oder „We’re What Seperates the Heart from the Heartless“ vom grandiosen Vorgänger werden gebührend abgefeiert: Ob stagedivend, moshend und sing-a-longend. Das ganze Set wirkt mehr als routiniert und man setzt dem Auftritt mit ehrlichen und durchdachten Ansagen die Krone auf. Konform mit dem Konzept des neuen Albums spricht man sich gegen Rassismus, Sexismus und Hass im Allgemeinen aus und appelliert an die Hoffnung und das Gute im Menschen. Für manche mag das ausgelutscht wirken, aber ich kann da von ganzem Herzen zustimmen und empfinde es zu keiner Zeit als störend. Auf Stücke aus dem ersten Album wird komplett verzichtet, was aber kaum jemanden kratzen dürfte. Das Set ist sehr stimmig und jeder Song sorgt für viel Stimmung und Bewegung. Das Ganze gipfelt, als bei „This Is More“ etliche Leute auf die Bühne klettern und den Song dort weiter feiern. STICK TO YOUR GUNS bedanken sich kurze Zeit später für eine tolle Show und haben etwas länger als eine halbe Stunde ordentlich Dampf gemacht.

Nach diesem intensiven Anheizen der Matrix haben YOUR DEMISE natürlich sehr leichtes Spiel und so zeigt sich bereits beim ersten Song „MMX“, dem Opener der neuen Platte, dass die Menge alles Andere als müde geworden ist. Ich muss sagen, dass mir das krasse Gemisch aus Moshparts, Punkrock-Parts und Clean-Gesängen auf „The Kids We Used to Be“ nicht so sehr zusagt und ich irgendwie beim Durchhören den Eindruck hatte, man wolle es jedem Recht machen. Und entweder bin ich mit dieser Meinung relativ allein oder man hat das wirklich geschafft. Verständlicherweise konzentriert sich das Set auch auf das neue Album (was der Band ja anscheinend zu einer Art Durchbruch verholfen hat), es werden unter anderem „Miles Away“, „Like a Broken Record“, „Scared of the Light“ und „Shine On“ gespielt. Die ganze Band wirkt enthusiastisch, bewegt sich viel und ist sich ihrer Headliner-Position offenbar bestens bewusst. Beim Titeltrack „The Kids we Used to be“ befindet sich der Raum wieder in ähnlicher Ekstase wie bei „This Is More“ von STYG und die Leute sammeln sich auf der Bühne. Ältere Songs sind zum Beispiel „Nothing Left But Regret“ und „Burnt Tongues“. Auch hier scheint die komplette Matrix mitsingen zu können und so runden YOUR DEMISE einen Abend ab, der seinen Preis wert war.