07.02.2009: Rise Against, Strike Anywhere, Rentokill - Berlin - Columbiahalle

07.02.2009
 

 

Als ich vor drei Jahren beim Groezrock das letzte mal Rise Against gesehen habe, wollte ich mir die Band live eigentlich nicht mehr geben. Zu klar war schon damals, dass die neuen Alben musikalisch genau das vermissen lassen, was die Chicago Boys ursprünglich ausgezeichnet hat. Wo ist die Wut, wo ist der Druck, wo ist das kratzige etwas, wo ist das Verlangen die Welt zu verändern? Der Wechsel der Musikrichtung zieht dann natürlich auch einen Austausch des Publikums nach sich. Handykameras überall, glattestes Auftreten, Stylecore all the way! Aber gut, wenn neben den alten Helden auch noch die genialen Strike Anywhere und Rentokill in der Stadt sind, werden alle guten Vorsätze über Bord geworfen und die Tanzschuhe geschnürt.

Kurz nach halb neun war ich in der rappelvollen Columbiahalle angekommen und RENTOKILL hatten schon begonnen. Da die Österreicher glücklicher Weise öfter in Berlin zugegen sind, musste ich nicht überstürzt mit meinem Rucksack ins Pit stürmen, sondern konnte erstmal nach Alternativen für die überfüllte Garderobe Ausschau halten. Dies war schnell erledigt und so genoss ich die letzte viertel Stunde Rentokill bei bestem Sound und bester Sicht. Die Band lieferte eine super Show und ein Hit reihte sich an den nächsten. „Kingdom“, „Step over the Wall“ und „Get it right“ ballerten bei bestem Sound dem Publikum entgegen. Dieses bedankte sich artig nach jedem Song mit ehrlichem Applaus, sodass die Vorfreude auf die nächste Band nach einer halben Stunde Punkrock vom feinsten entsprechend war.

Nach kurzer Umbaupause betraten STRIKE ANYWHERE die Bühne und machten sofort klar, dass es wie immer nur nach vorne gehen kann. Ich musste mich beim ersten Song von hinten ins Pit drängeln, was beim doch etwas überraschten Publikum nur bedingt gut ankam. Sowieso hatte ich das Gefühl, dass viele der Anwesenden mit dem Konzept des moshen, abgehen und diven nicht wirklich vertraut waren. Im Pit angekommen war mir aber auch herzlich egal was die Reihen 11 – 50 von dem verschwitzten Rest dachten. Die Menge feierte mit der gut gelaunten Kombo um Tom Barnett die einschlägigen Songs von den vier Alben ab. Wie bei jeder Show des Fünfers würden mir die Songs von „Change is a Sound“ und „To Live in Discontent“ völlig reichen. Aber Bands wollen natürlich auch neuere Arbeiten abgefeiert wissen, von daher konnte ich mich mit „Refusal“, „Chalkline“, „You’re Fired“ und „Laughter in a Police State“ zufrieden geben. Es gab zwei neue Songs, die zum einen melodisch ins letzte Album passen und zum anderen nichts an Durchschlagskraft vermissen lassen. Die Ironie der Gegensätzlichkeit zwischen Lyrics und Gesamtsituation war nur zu offensichtlich, hat mich in dem Moment aber auch nicht weiter gestört. Ein Bier kostete schlappe 4¤ und die Security im Graben nimmt einen (hier: mich) nach einem Dive sofort in Schwitzkasten und beglückt einen (hier: mich) mit markigen Worten wie „Im Graben wird nicht getanzt!“. Der postmoderne kapitalistische Widerspruch konnte sich also auch an diesem Abend voll ausarbeiten. 45 Minuten Strike Anywhere sind aber trotzdem das geilste was es gibt! Es könnte chilliger in der Atmosphäre, günstiger und viel viel kleiner sein. Aber man kann nicht alles haben.

Die Umbauphase für RISE AGAINST gestaltete sich wesentlich länger, irgendwann gegen 22:30h erloschen dann aber doch die Lichter, das Bandbanner (RISE) wurde mit knalligen roten Scheinwerfern unterstützt und das Intro konnte beginnen. Dieses klärte im Noam Chomsky Stil die Menge über politische Defizite und Demokratieaspekte moderner Gesellschaften auf. Das Publikum war aber gekommen, um ihre Helden abzufeiern. Neue Songs wurden lauthals mitgesungen und Handykameras waren zu jeder Zeit über den Köpfen präsent. Die Stimmung war für ein Popkonzert ausgelassen, Menschen wurden glücklich gemacht. Der Sound war wie den ganzen Abend super, die Songauswahl war nicht meine, aber ich war auch nicht gefragt. Keine Songs von „The Unraveling“ und nur zwei Stücke von „Revolutions per Minute“, beide zum Thema Liebe und keines zum Thema „A need for revolutions rising“. Songtechnisch war mein Highlight ganz klar „State of the Union“, der Rest war ein Mix aus vor allem den letzten beiden Alben. Die Stimmung flachte nach der Mitte der Show ein wenig ab, die zwei Akkustiksongs waren da auch nicht die größte Hilfe. Zum Ende war die Menge aber noch mal am Start und brachte beim letzten Song auch ein ansehnliches Pit in Gang. Die Band spielte sich solide aber nicht unmotiviert durch die 60 Minuten und Tims Ansagen waren auch schon mal gehaltvoller. Dass die anwesende Meute DIE weltweite Punkrock-Community ist, die keine Grenzen kennt, wage ich zu bezweifeln. Außerdem ist es ja schön „No Borders!“ zu propagieren, aber dann vor dem nächsten Song „How are you Germany?“ zu rufen, ist mindestens komisch. Die Zeiten der verbalen Revolution sind bei Rise Against ja schon länger vorbei, deswegen überraschte mich das auch nicht weiter. Überhaupt verlief der Abend genau so, wie ich es erwartete. Durchmischtes Publikum, beschissene Location, geile Vorbands, super Sound und viel zu wenig gute alte Songs bei der Pop-Show von Rise Against. Aber gerade letzteres wurde ja von ihnen verlangt. Gut dass sie endlich das tun, was von ihnen verlangt wird…

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