07.09.2017: THE REVEREND HORTON HEAT, STRUNG OUT, LARRY & HIS FLASK - Vancouver, BC - The Commodore Ballroom

11.09.2017
 

 

Graue Haare sind heute Pflicht - zumindest wenn es um die Kleiderordnung auf der Buehne des Commodore Ballroom geht. Das "mutige" weil genre- und generationsuebergreifende Tourpaket aus klassischem Rockabilly, Skatepunk und Speedblue(gras)s zieht wie erhofft jede Menge unterschiedliche Klientelen an - dennoch ist der geschichtstraechtige Saal im Herzen von Vancouver nur spaerlich gefuellt als LARRY AND HIS FLASK ihr Set beginnen. Die Bluegrasspunks aus Oregon interessiert das wenig, ihr schwer ansteckender Mix aus Kneipenfolk, Blues, Country und Seemanns-Punk zuendet trotz grosser Luecken auf der Tanzflaeche. Gefuehlte drei Songs inklusive dem Opener "Home Of The Slaves" dauert es, und der gesamte Saal wippt mindestens mit dem Fuss, wenn nicht sogar johlend mit allen verfuegbaren Gliedmassen. "This song is a new one, but it sounds like an old one" erklaert Frontmann und Buegelfaltentraeger Ilan Cook, dann schnueren "Land Of The F(r)ee", "Beggars Will Ride" und natuerlich "Ebb & Flow" den Sack gekonnt, unterhaltsam und blickdicht zu. An Spielfreude und kecken Ansagen ist das Set des (heute) Quartetts kaum zu ueberbieten.
 
 
 
 
Die Kalifornier von STRUNG OUT sorgen direkt im Anschluss fuer fragende Blicke, als sie ohne Bassist Chris Aiken die Buehne betreten.
"Nur wir vier, keine Crew, kein Bassist - das ist alles was wir heute mitgebracht haben" erklaert Jason Cruz und geht wenig ins Detail. Offenbar wurde Aiken die Einreise nach Kanada verweigert - und "wir vier werden sofort verhaftet, sobald wir zurueck ueber die Grenze fahren" scherzt Cruz. Aus der spontanen und wortwoertlichen Not am Mann machen STRUNG OUT das Beste: "Ich dachte Bassspielen waere scheisse einfach - aber Pustekuchen" bemerkt der eigentliche Gitarrist Jake Kiley, bevor er sein heutiges Ersatzinstrument an Kollege (und auch Gitarrist) Rob Ramos uebergibt. Notgedrungen aber wacker steuern die Vier durch einen Grossteil ihrer Diskographie und finden neben "Ultimate Devotion" oder "The Animal And The Machine" auch Platz fuer einen JASON CRUZ-Solosong sowie ihren Beitrag zum TONY SLY-Tributsampler "Soulmate". In einigen Passagen des Sets kann man der sonst so eingespielten Band den Nervositaetsschweiss auf der Stirn wahrlich ansehen - dennoch boxen sich STRUNG OUT mit Hilfe von Hit-Gut wie "Solitaire" oder "Too Close To See" durch ihr Set und uebergeben nach einer guten dreiviertel Stunde erhobenen Hauptes an THE REVEREND HORTON HEAT aus Dallas, Texas.
Die raeudige und aufgekratzte Stimmung im mittlerweile zahlreich anwesenden und teils gut angetrunkenen Publikum erlebt einen zweiten Fruehling - so dauert es leider nur einige Songlaengen, bis die Security einen zu anhaenglichen Fan gewaltsam von der Buehne entfernen muss. Grenzwertig - denn der REVEREND aka Jim Heath strahlt die Ruhe in Person aus. Unfassbar praezise ist die Surfgitarre bei "Big Sky", dann peppt das Trio mit sein Set neben Klassikern wie "Phsychobilly Freakout" oder "Zombie Dumb" auf und stellt Neuzugang Arjuna Contreras an den Drums vor. Der baertige Huehne wirkt wie ein uebergrosser Teddy aber bedient Stoecke und Felle wie ein Uhrwerk. Der Psychobilly-Stampfer "Five-O-Ford" gewinnt so sogar noch an Dynamik, dann bringt Heath zusaetzlich den hyperaktiven Bluespianisten Matt Jordan ins Spiel, der den Sound des Trios mit seinem lupenreinen Saloon-Klavierspiel noch eine Stufe hoeher schiebt. Nebenbei gibt es koestliche Tourstories aus ersten Hand ueber die Zeit vor Googlemaps und Social Media Marketing - und aus dem Leben zweier echter Stehaufmaennchen. Zwar gibt es ueber das beinahe eineinhalbstuendige Set der Band weniger waghalsige Showeinlagen von Heath und Bassist Jimbo Wallace zu sehen (was dem Alter der beiden Gruendungsmitglieder mehr als gerecht ist) - dafuer aber schaufeln TEH REVEREND HORTON HEAT handwerklich alles frei, was ihre Instrumente hergeben. Das macht groesstenteils Spass und reisst dauerhaft mit - nur fuer die ausufernden Soloeinlagen Heath's muss man eingefleischter Rockabilly/Psychobilly-Fanatiker sein.
Der Plan geht auf - Besucher die mit STRUNG OUT-Shirt kommen, verlassen den Club verschwitzt im REVEREND HORTON HEAT-Hemd - neue und alte Fans von LARRY AND HIS FLASK muessen sich leider mit masslos ueberteuerten CD's zufrieden geben. Alle Generationen von Skatepunks, Rockern und Psychobilly's liefern heute vorbildlich ab - und im Dunkeln der Nacht spielt die Haarfarbe eh keine Rolle.