08.03.2010: The Setup, Death Before Dishonor, Madball, Cruel Hand, Terror - Essigfabrik Köln

08.03.2010
 

 

Es gibt im Hardcore Bands, die hat jeder schon mal gesehen. Viele davon sollte aber auch jeder der sich in dieser Szene heimisch fühlt schon einmal gesehen haben. Heute sind unter dem minder innovativen Namen der „Rebellion Tour“ Madball, Terror, Death Before Dishonor, Cruel Hand und The Setup in der Essigfabrik - zumindest die ersteren drei passen somit in mein eben beschriebenes Raster.

Die Essigfabrik hat immer ihre Vor- und Nachteile. Einerseits gibt es nie Wiedereinlass, aber immerhin kommt man an die frische Luft, wenn man das will. Heute beschränkt sich dieser Wunsch aber aufgrund der eisigen Kälte auf wenige Minuten zwischen den Bands. Da wird schon das Warten vor der Venue für viele zur Qual, packt man doch für ein solches Lineup gerne mal seine Basketball-Shorts und Unterhemden aus, mit denen man sich dann in die Schlange stellen darf. Auf dem Weg in die Essigfabrik bemerke ich, dass die Vegan Fastfood Crew am Start ist, was hier ja auch keine Seltenheit auf den Shows ist - eine super Sache und meist ein Genuss auch für die Fleischfresser-Fraktion. Somit wäre die kein-Wiedereinlass-Sache auch ganz gut kompensiert und man ist recht froh, kein Teil der Crew zu sein, der heute die Ehre zuteil wird, sich stundelang den Arsch vor den Türen abzufrieren.

Ist man dann aber mal drin in der gut gewärmten Essigfabrik, stechen einem natürlich sofort die unmenschlichen Getränkepreise in die Augen - eher die Augen aus. Platz für viele Leute bietet die Halle, auch sicher ein Vorteil. Über den Sound konnte ich mich bei den vergangenen Besuchen hier auch nicht beschweren. So checke ich kurz die üppig gefüllten Merchstände aus, bevor ich mich davon überzeugen will, dass die Musik heute auch die restlichen Mankos kompensieren kann.



Auf der Bühne haben sich The Setup schon ganz gut warm gespielt, als ich mich ihr nähere. Sicherlich eine Ehre für die Belgier, die zwar nicht ganz unbekannt, aber sicherlich noch wachstumsbegierig sind, Teil dieser wochenlangen Tour unter amerikanischen Bands zu sein und damit Europa quasi zu repräsentieren. Direkt zeigt sich der immense Sound der die Halle erfüllt, denn The Setup blasen einem mit ihrem moshlastigen Sound ganz schön die Rübe weg. Nicht ganz so mein Ding, aber sicherlich total das Ding derer, die jetzt schon ihre toll studierten Moshmoves einpacken. Der riesige Halbkreis vor der Bühne bietet mehr als genug Platz dafür, so werden dann auch gerne mal Roundhouse-Kicks und Handstand-Action ausgepackt. Ich kann mal wieder nur schmunzeln und dem, was auf der Bühne steht, nicht all zu viel abgewinnen, mir fehlt da schlicht und ergreifend die Innovation und der Abwechslungsreichtum. Dennoch funktionieren The Setup in diesem Bandpaket natürlich sehr gut und können sicherlich einige Menschen erreichen und auch einige neue Hörer für sich gewinnen.



Wo wir gerade beim „ins Paket passen“ sind - Cruel Hand tun das dann schon gar nicht mehr. Leider. Denn Innovation und Abwechslungsreichtum haben die ausgereiften Songs dieser aufstrebenden Band aus Maine meines Erachtens nach en Masse, ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass die Band der Tightness und dem Groove des Headliners Madball in Nichts nach steht. Warum bewegt sich dann bei der jungen Band fast genau so wenig wie beim Opener des Abends? Ganz einfach. Bands wie Cruel Hand funktionieren einfach nicht in solchen Riesenhütten. Vielleicht wird das irgendwann der Fall sein, im Moment aber sollte man sich sie lieber auf der anstehenden Tour mit Carpathian, Ruiner, Miles Away und The Carrier (wohl sicher die Tour des Jahres 2010) geben, in kleinen Venues wie dem Ex-Haus oder auf dem ebenfalls von Positive Records veranstalteten Birthday Bash in Marl. Dort wird die Band ohne Frage - genau wie damals auf der Tour mit Have Heart und Carpathian nach allen Regeln der Kunst abgefeiert werden. Heute sollte dem leider nicht so sein. Maximal ein Dutzend an Leuten tanzen zu der gut zusammen gesetzten Setlist, die sich vor allem auf das neueste Release von Cruel Hand konzentriert, das den Namen Prying Eyes trägt und durch die Tatsache, dass es auf Bridge 9 erschien wohl auch viel mehr Leute erreichte.



Zurecht also werden vorrangig Songs wie das großartige „Above and Below“, das noch großartigere „Hounds“ und als Sahnehäubchen am Ende des Sets „Dead Weight“ präsentiert, der Hit der Band, von dem ich nicht ganz verstehe warum er es ist. Er hat sogar ein eigenes T-Shirt am Merch-Stand. Und gemessen an der Zahl, die vor der Bühne sind, ist er es auch aus diesem Blickpunkt zurecht - hier sind sogar mal ein paar Leute am Mikro. Wie dem auch sei. Damit steht der Gewinner des Abends noch vor acht Uhr fest. Was jetzt kam, wird mich wohl kaum noch überraschen können und Cruel Hand haben bei mir live sogar noch mehr gezündet als schon auf Platte.



Death Before Dishonor eröffnen mit ihrem eigens konstruierten Intro zu „Count Me In“, was die Spannung vor dem eigentlichen Beginn des Konzerts natürlich steigert. Gleich beim darauf folgenden Titeltrack des besagten Albums zeigt sich mir aber, dass ich bei meiner Vermutung recht hatte. Direkt packt mich eine wenn auch kontrollierbare Langeweile und nach dem dritten Song gehe ich dann nach hinten, denn der Bereich vor der Bühne hat sich, wie zu erwarten war, gefüllt. Einige sind sicherlich der Meinung, dass man Death Before Dishonor ohne Weiteres einen, ich nenne ihn mal Vor-Legenden-Status, bevor ich sie mit Madball, Sick of It All, Agnostic Front, den Cro-Mags und so weiter auf eine Stufe stelle, geben kann - genau wie Terror. Beide Bands können auf etliche Releases zurückblicken, haben eine riesige Fanbase in allen Ländern, die sie bereisen und eine ausgereifte, für viele sicherlich sehr gute Bühnenshow. Ich jedoch sah nach dem neuen Release zwischen den Releases der Band keine wirklich atemberaubende Progression, was den Auftritt sicherlich auch im Vorfeld schlechter machte. Ich habe aber auch rückblickend den Eindruck, dass der Sound bei der dritten Band des Abends am Tiefpunkt angelangt war.



Die Wucht fehlt irgendwie. Neue Songs wie „Peace and Quiet“ können mich auch live nichtmal ansatzweise fesseln. Auch den Standard-Death Before Dishonor-Fan, der sich jetzt zu Hauf vor der Bühne präsentiert, betrachte ich eher skeptisch. Die prollige Aufmache und der Name der Band lädt sicherlich dazu ein, Fan zu sein, wenn man ein Vollidiot, der auf sowas sofort anspringt, ist. Bei den meisten hoffe ich einfach mal, dass mich mein erster Eindruck täuscht. Mit den Texten haben sich viele wenigstens beschäftigt, wie sich zeigt. So gibt es auch erste Stagedives und die Pitbewegung ist im Vergleich zu den vorherigen Bands sicherlich um einiges progressiver als der Sound der Band meiner Meinung. Und als Björn, seines Zeichens Sänger von Black Friday 29 auf die Bühne kommt um auf sein Projekt „Concrete Help“ hinzuweisen, dass von nun an für gute Zwecke Geld sammeln wird, hinweist, gibt es eine Menge Applaus. Auch wenn das wahrscheinlich eher so ein Standard-Applaus ist, denn im Hardcore applaudiert man ja gerne mal zu allem was die Menschen auf der Bühne so sagen. Ich würde mir wünschen dass Black Friday 29 mit ihrem Projekt Erfolg hat und in Sachen Sympathie punkten die Ruhrpottler bei mir damit erneut. Zurück zum Musikalischen: Death Before Dishonor sind sicherlich keine schlechte Band, Hits wie „Curl Up and Die“ und „Friends Family Forever“ kann man sicherlich immer mitgröhlen, aber ich würde den Auftritt der Band als solide und nicht mehr bezeichnen. Wer die Band zum ersten Mal sieht, sieht das heute Abend sicher anders. Für mich sind die Bostoner aber heute nicht vergleichbar mit Terror und Madball und werden das mit hundertprozentiger Sicherheit auch nie sein.



Weiter geht’s also mit einer Band, die dem Hardcore-Olymp um einiges näher steht: Terror aus LA. Auch wenn die Band ansagentechnisch schrecklich unversiert ist und ich die Phrasen von Scott Vogel heute ungefähr zum achtzigtausendsten Mal höre, ist das familiäre Gefühl während dem Auftritt typisch. Während die Band sich durch alle ihre Outputs von „Lowest of the Low“ bis zu dem neuesten „The Damned, The Shamed“, welches ich übrigens entgegen der allgemeinen Meinung als sehr sehr stark empfunden habe, spielt, kennt man die meisten Zeilen natürlich, denn wenn Terror durch eins bestechen, dann durch die lyrische Einfachheit ihrer Songs, die Einprägsamkeit der Hymnen, den Singalong-Faktor. Und ja, die Bühne wird bei jedem Song mehrfach überrannt, wobei sich viele Fans auch gerne mal ordentlich selbst darstellen oder den Akteuren auf der Bühne auf den Sack gehen, indem sie etwas in ihre Ohren brüllen oder ihnen stolz ihre tätowierten Logos präsentieren.



Jap, sehr eindrucksvoll die Herren. Was mich wirklich anzusehen stört ist, dass jeder Diver im Leeren landet, weil die Leute vor der Bühne einfach mal wieder niemanden auffangen. Angesichts der Platten auf dem Boden sicherlich kein feiner Zug und so müssen bei Terror nicht wenige Leute nach hinten getragen werden. Die Show ist sicherlich wieder die brutalste des Abends, wie im April 2008, als Terror ebenfalls mit Death Before Dishonor, aber auch mit Ignite und Strung Out unterwegs waren und auch in der Essigfabrik zwischenstoppten. Zwischen Songs wie „Push It Away“, „Never Alone“, „Always the Hard Way“ und „One With the Underdogs“ spricht Vogel ausgiebig und lang, seine „You, You, You, You“-Ansage dürfte inzwischen jeder im Schlaf auswendig können und wenn der mir nicht all zu helle erscheinende Frontmann dann von dem Fakt spricht, „that we’re all fucked in the head!“ und dass das die große Gemeinsamkeit aller Leute in der Hardcore-Szene ist, muss ich etwas die Stirn runzeln. Dennoch ist die Stimmung gut, die Musik auch, das Set auch. Ein sehr zufrieden stellender Auftritt also. Und dick ist er geworden, der Scott.



Aber mit Hoya wird er wohl noch nicht mithalten können. Nachdem Rob von Born From Pain sich scheinbar sein Taschengeld neuerdings mit Mikro-checken verdient, ist jetzt Zeit für das große Finale. Madball sind sicherlich die perfekte Steigerung zu ihren Vorbands und so dürfen jetzt auch Leute vom alten Eisen mal etwas mehr und dauerhafter auf ihre Kosten kommen. Denn nicht nur „Demonstrating My Style“, „Hold it Down“, „100%“, „Set it Off“ und co. sind Lieder, die einem im Gedächtnis bleiben, ich finde sogar das neueste Release der NYHC-Legende hat diesen Charme. So rufen bereits zwischen den ersten Liedern der Band nach „Stand Up New York“. Einige Bandmember der vorhergegangen Bands haben sich hinter Madball auf der Bühne versammelt, denn dieses Spektakel will sich keiner entgehen lassen. Ich erkenne auch einige Mitglieder von deutschen und europäischen Bands im Publikum, halte das aber nicht für eine solche Sensation, dass ich diese hier namentlich erwähnen müsste. Fest steht, dass man ihnen meist ansehen konnte, dass auch sie Spaß an Madball haben.



Die Band hat hunderte weitere Bands in ihrem Schaffen beeinflusst und bei so einem Live-Auftritt wird einem mal wieder klar warum. Der Groove des Vierers ist unüberhörbar und nach etlichen Jahren nach denen sich Agnostic Front, Sick of It All und Madball jedes Jahr in Deutschland herumtummeln, steht für mich nun eindeutig fest, welche am meisten Spaß macht. Alles kommt auf den Punkt genau und bringt einen einfach nur in Bewegung. Die Band ist natürlich dagegen loyal und widmet ihren Brüdern Songs wie „Legacy“. Und anstatt wie Sick of It All es pflegt, eine Wall of Death zu machen, ruft Freddy Cricien eine Wall of Whatever aus, bei der sich der ganze Raum von links bis rechts bewegen soll, wie auch immer. Wäre sicherlich lustig anzusehen, bewahrheitet sich aber leider nicht.



Dennoch sieht jeder ziemlich ausgepowert aus, als man dann glücklicherweise relativ früh wieder die Essigfabrik verlassen kann und den Rest der Arbeits- und Schulwoche genießen kann. Wenn man nicht gerade Semesterferien hat wie ich. Haha.