09.04.2011: Born From Pain, Venerea, Awaiting Crunch, Bakkushan, Wayke, The Grandtry - Wirges, Bürgerhaus

09.04.2011
 

 



Hinter der alljährlichen Rocknacht in Wirges steht folgendes Konzept: Dem geneigten Zuschauer wird eine Art Best of Mach1 und spack-Festival (die beide ebenfalls in der Region Westerwald stattfinden) präsentiert, wobei man bezüglich des Lineups auf eine sehr bunte Mischung der Genres setzt. Wenn man sich die Besucheranzahlen anschaut, scheint es sich auszuzahlen. Für unschlagbare 8€ gibt es heute 6 Bands zu sehen, darunter 3 etablierte Szenegrößen.

Den Anfang machen THE GRANDTRY, die gestern den Rocknacht Bandcontest gewonnen haben und sich damit den Openerslot für den heutigen Abend gesichert haben. Leider verpasse ich diese Band.

Weiter geht es mit WAYKE aus Mainz, die letztes Jahr auf eben diesem Contest Dritter geworden sind und daher heute spielen dürfen. Der Raum ist leider noch nicht recht gefüllt und so sind es vielleicht nicht einmal hundert Leute, die beschallt werden. Allerdings ist es auch erst 19 Uhr und der Abend damit noch ausgesprochen jung. Dennoch ist es erwähnenswert, was auf der Bühne passiert. Denn das ist sehr unkonventionell. Die Musik lässt sich wohl am besten als Crossover bezeichnen, erinnert nämlich hier und da ein bisschen an Rage Against the Machine, wobei der Gesang etwas wütender und geschriener ausfällt. Die Perfomance wirkt teilweise ein wenig unbeholfen, aber das wird durch das musikalische Können locker kompensiert. Es verwundert nicht großartig, dass bei den Openerbands die großartigen Momente, in denen alles stimmt, ausbleiben. Dennoch bleibt einem bei der Leistung des Gitarristen sicherlich öfter mal die Spucke weg und die Solo-Fertigkeiten des jungen Mannes fügen sich auch perfekt in die Liedstrukturen ein (obwohl man nur mit einer Gitarre spielt). Der Auftritt von WAYKE ist sicherlich aus mehreren Gesichtspunkten unterhaltsam für die wenigen Anwesenden: Einerseits erwähnte musikalische Fähigkeiten, andererseits sind die Ansagen und das Bühnenverhalten des Sängers auch recht einzigartig und witzig.

Richtig in Fahrt kommt das Bürgerhaus jedoch erst mithilfe der Lokalmatadore AWAITING CRUNCH. Dass die Band das Event wohl bestens beworben hat und auch ihre Daseinsberechtigung hat zeigt sich spätestens bei einem Blick vor die Bühne: Wo nämlich zuvor große Löcher geklafft haben, stehen jetzt Freunde und Bewunderer der jungen Ska-Band, um die Songs mitzusingen. Vor kurzem veröffentlichten die Westerwälder eine 4 Lieder starke EP namens „Same Old Stories“, die natürlich heute auch live präsentiert wird. Es sind also logischerweise Songs wie „The Right Time“ und „Wake Up“ , bei denen der Raum am lautesten mitsingt. Trotz der vergleichsweise kurzen Existenz der Band können die 8 (!) Musiker schon auf ein sehr umfangreiches Song-Repertoire zurückgreifen und legen auch eine recht ausgereifte Bühnenshow auf’s Parkett. Das Klangbild von AWAITING CRUNCH hebt sich sicherlich insofern von den meisten Ska-Bands ab, als dass es sehr experimentell ist und man etliche Einflüsse aus anderen Genres (Jazz, Punkrock etc.) heraus hören kann. Wie auch die Akteure selbst bleiben die Songs nie wirklich an einer Stelle und so überzeugt man vor allem durch viele Tempowechsel, viel Interaktion mit dem Publikum und viele gut eingeprobte Jam-Sessions, die nicht wirklich zu den Liedern gehören (so zum Beispiel „Tequila“, Laola-Wellen etc.). Desweiteren präsentiert man auch einen neuen Song, bei dem man an den Instrumenten ein bisschen geswitcht hat: So geht der Drummer ans Keyboard und der Gitarrist an das Schlagzeug. Unterstreicht ja einmal mehr, dass die Jungs etwas von ihrem Handwerk verstehen. Allerdings ist das Keyboard leider viel zu leise, als dass man die Akzente wirklich wahrnehmen könnte. Am Ende des Sets kann man sicherlich behaupten, dass AWAITING CRUNCH 40 Minuten lang gut Dampf gemacht haben und als lokaler Opener eine sehr gute Wahl für diesen Abend waren.

Man kann also nun zum Hauptmenü übergehen: Den international bekannten Bands. VENEREA haben auf dem ersten Mach1-Festival 2007 gespielt und waren dort Co-Headliner. Angesichts der immensen Größe, die das Festival inzwischen erreicht hat, wäre das wohl heute nicht mehr denkbar. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Schweden nicht nur Punkrock-Urgesteine sind, sondern auch ein Garant für gute Liveshows. Erst vor kurzem veröffentlichte man mit „Lean Back in Anger“ ein neues Album und so hat man heute Abend auch frische Songs im Gepäck. „Scythe“ ist durch seine Anlehnung an Full Metal Jacket sicherlich eines der Lieder, an das man sich nach dem Durchhören der VENEREA-Discography am ehesten erinnern kann und so ist es eine gute Wahl um das Set zu eröffnen. Leider ist die Beteiligung vor der Bühne schon fast gleich null, womit ich nicht gerechnet hätte. Zwar fällt der Beifall ohrenbetäubend aus, aber es kommt bis auf ein paar Pogo-Ansätze nicht wirklich Bewegung auf. Das ändert sich auch nicht, als man mit „Back to the Start“ gleich großartig nachsetzt. Die Gruppe um den ausgesprochen bärtigen Sänger und Bassisten Mike scheint sich nicht wirklich was draus zu machen: Trotz des mauen Anklangs gibt man alles und macht so auch alles richtig. Der Sound ist perfekt und so kommt der eher unschlichte Punkrock nochmal eine Nummer besser an. Mit Three Chords hat das nichts zu tun, der Songaufbau ist durchdacht, treibend und macht einfach Spaß. Nachdem „All Washed Up“, „Son of a Bitch“ und „Living it for the Moment“ ein wenig das Tempo rausnehmen, werden dann einige der neuen Töne präsentiert. Da immer wieder der Dialog zu dem teilnahmslosen Publikum gesucht wird, wirkt man sehr sympathisch. So kann ich es am Ende des Auftritts immer noch nicht verstehen, wieso VENEREA nicht brutal abgefeiert werden sondern von manchen Leuten gar mit einem Gähnen hingenommen. „Make me Stay“ ist nun wirklich einer der besten Punkrock-Songs aller Zeiten. Wenn man mich fragt.

So war für mich der Höhepunkt des Abends was die Bands angeht schon erreicht. Die Großzahl der anderen Rocknacht-Besucher sieht das nicht so: BAKKUSHAN haben in Wirges sehr leichtes Spiel. Schon beim Soundcheck füllt sich der Platz vor der Bühne mächtig und es zeigt sich schon im Voraus, dass die meisten Leute wohl heute für diese Band hier sind. Das Publikum geht bei der jungen Band aus Mannheim volles Tempo mit, der Alternative/Indie-Sound scheint seine Zielgruppe in das Bürgerhaus gelockt zu haben. Unbekannte sind die Jungs deutschlandweit natürlich nicht mehr, sie spielten außerdem auf dem spAck!-Festival 2010 und machten so in Wirges bereits auf sich aufmerksam. Songs wie „Alles war aus Gold“ oder „Gefahr“ werden lauthals mitgesungen und viele schwingen auch das Tanzbein. Anmerken sollte man vielleicht, dass man heute mit Philip Schadebrodt einen Ersatzdrummer an Bord hat, der sein Können jedoch bestens unter Beweist stellt. Das Bühnenverhalten wirkt wie man sich denken kann sehr erprobt, die Musik erinnert unweigerlich an Madsen und Konsorten, denen BAKKUSHAN soweit ich das beurteilen kann in nichts nachsteht. Sowohl die Art, wie sich die Band gibt als auch die Weise, wie man musiziert ist recht kantenlos und glattgebügelt. Man könnte bedenkenlos im Fernsehen laufen (tut das soweit ich weiß ja auch schon) und spricht so natürlich vor allem die kleine Mädels-Front an. Aber die ist immerhin auch am lautesten, wenn es um den Applaus geht.

Durchaus verdutzt kann man dann beobachten, dass sich der Raum vor BORN FROM PAIN drastisch leert. Aber für den 0815-Bakkushan-Fan ist das natürlich nichts mehr. Dennoch gibt es einige Leute, die wohl auf die Holländer gewartet haben und so ist das Bürgerhaus zwar nicht mehr so gut gefüllt, aber immerhin gibt es noch ein paar Fan-Reihen unmittelbar vor der Bühne. Die Hardcore-Speerspitze aus Heerlen präsentiert heute ein Set mit ziemlich vielen alten Liedern, so machen zum Beispiel „Death in the City“, „Reclaming the Crown“, „Day of the Scorpio“, „Here Lies Civilization“, „Black Gold“ einen auffallend erheblichen Teil aus. Leider büßt man heute etwas Druck durch die Tatsache ein, dass man nur einen Gitarristen dabei hat. Dominik Stammen weiß das jedoch durch seine gewohnt gute Arbeit an der Klampfe zu kompensieren. Es gibt viele Kids, die die Texte kennen und Rob aushelfen können. Auch einige Stagedive-Versuche werden gestartet, aber die sind natürlich von vorne herein zum Scheitern verurteilt. BORN FROM PAIN machen einen sehr dankbaren Eindruck und scheinen froh sein, zurück in den Westerwald zu kommen. Sie haben ja bereits auf dem Mach1-Festival 2009 einen beeindruckenden Auftritt hingelegt (damals allerdings mit Down To Nothing-Frontmann und Terror-Bassist David Wood am Mikro, da Rob eine Augenverletzung hatte), waren aber auch im Vorfeld schon etliche Male in der Region (zum Beispiel im Kalkwerk Limburg oder auf dem Fun&Crust Festival). Anhänger der jüngeren Stunde werden bedient mit Hits wie „State of Mind“, „The Hydra“ oder „Sons of a Dying World“, am besten kommen jedoch sicherlich „Rise or Die“, „The New Hate“ und der Rausschmeisser „Stop at Nothing“ an. Nach etwa einer Dreiviertelstunde feinstem Geballere ist dann auch schon Schluss.

Die große Vielfalt der Rocknacht scheint schlussfolgernd gut anzukommen, führt allerdings leider augenscheinlich auch dazu dass viele Besucher ausschließlich für eine Band kommen und die anderen etwas außer Acht lassen. Hat ein bisschen was von Festival-Flair auf einem normalen Konzert. Passend, denn die Festival-Saison steht ja vor der Tür.