10.05.2010: I Am Ghost, Confide, Eyes Set To Kill, Lower Than Atlantis - München – Feierwerk

10.05.2010
 

 

Wegen nur einer Band zu einem Konzert zu gehen, bei dem noch drei weitere Musikervereinigungen aufspielen ist immer so eine Sache. Im besten Fall entdeckt man die eine oder andere Perle, im schlimmsten Falle droht gähnende Langeweile über eine lange Distanz. Besonders, wenn der Grund des Erscheinens gleich zu Beginn loslegt.

So sind dann auch die Briten von LOWER THAN ATLANTIS mein alleiniger Anwesenheitsgrund am heutigen Abend. Deren „Far Q“ zählt für mich jetzt schon zu den absoluten Highlights des aktuellen Musikjahrgangs und hat beste Aussichten auf einen Spitzenplatz im Rennen um das beste Album in 2010. Die Erwartungen also, sie sind hoch. Ganz im Gegensatz zu allen anderen Bands des Abends. Die nimmt man eben mit, hat vielleicht eine ungefähre Ahnung von dem Sound, der einen erwartet, springt aber schlussendlich doch ins kalte Wasser. Allzu böse Überraschungen gab es an diesem Montag im erstaunlich spärlich gefüllten Hansa 39 glücklicherweise aber nicht.

Doch zurück zu LOWER THAN ATLANTIS. Die legen dann auch ziemlich pünktlich um halb Neun los. Sympathisch und motiviert sind sie, die vier Briten. Nur an der Publikumsbeteiligung hapert es noch etwas. Man merkt, dass der ziemlich erwachsen und abgebrüht klingende Punk/Hardcore/Indie-Mischmasch der Jungs nicht unbedingt das ist, was der Großteil der recht jungen Zuschauer hören möchte. Zwar gibt es durchaus einiges an Applaus, doch zumeist herrscht vornehme Zurückhaltung. Nur einige wenige scheinen von der Band im Vorfeld überhaupt schon etwas gehört zu haben und beweisen vor der Bühne, dass sie den großartigen Texten von Frontmann Mike Duces ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben. Dieser erweist sich dann auch als bewegungs- und mitteilungsfreudigster Teil der Band. Es zeigt sich allerdings auch, dass er den tollen Gesang des letzten Albums nur teilweise auch live herüber bringen kann. Oftmals geht ihm dann doch die Luft aus. Ein Phänomen, das sich an exakt den selben Stellen auch bei mir bemerkbar macht. Ansonsten allerdings ist alles in Butter. Die Songs kicken auch live ordentlich und man merkt der Band ihre Aufrichtigkeit und die Freude darüber, auf dieser Tour spielen zu dürfen zu jedem Zeitpunkt an. So machen LOWER THAN ATLANTIS an diesem Abend vielleicht nicht den professionellsten Eindruck aller Bands, aber es darf vermutet werden, dass dies auch nicht ihr Anliegen war.

Weitaus bühnenerprobter kommen da schon die Amerikaner von CONFIDE daher. Mir bis zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannt geben die Jungspunde mit ihrem Emo-Metalcore zwar ordentlich Gas und präsentieren sich auch durchaus sympathisch, der Funke will zumindest bei mir jedoch nicht überspringen. Weiten Teilen des Publikums geht es da anders. Die kennen CONFIDE und feiern sie zünftig ab. Dabei ist es wohl egal, dass man ihren Sound schon von unzähligen anderen Bands kennt. Melodische Gitarren und Gesang auf der einen, semi-heftige Breakdowns und tiefe Vocals auf der anderen Seite. Das hat man nicht nur einmal gehört. Da helfen dann auch reichlich Bewegung und Ansagen darüber, wie sehr man sich freue, heute Abend hier spielen zu dürfen nicht. Es fehlt schlichtweg an Eigenständigkeit und Charisma.

Nach dem abschließenden „God bless“ und der Gewissheit, hier mal wieder einer christlichen Band sein Gehör geschenkt zu haben, geht es für mich zum Interview mit Mike von LOWER THAN ATLANTIS. Als ich mit diesem fertig bin, haben EYES SET TO KILL schon mehr als die Hälfte ihres Sets hinter sich. Für viele sind sie heute wohl die Band des Abends und ausgehend von den Songs, die ich noch zu hören kriege und der durchweg sympathischen Aura der Band bin ich selber etwas traurig, so viel verpasst zu haben. Um es gleich vorweg zu sagen: Auch EYES SET TO KILL erfinden das Rad nicht neu und geben das auch gar nicht erst vor. Mit ihrer zierlichen Sängerin/Gitarristin hat die Band allerdings ein Ass im Ärmel, das sich auszahlt. Sie trägt mit ihrem ansprechenden Gesang den poppigen Emocore der dritten Generation, der nur gelegentlich von heftigeren Parts und Geschrei unterbrochen wird. Das alles klingt verdammt eingespielt, hat Hand und Fuß und so kann man dem feiernden, äußerst friedlichen Publikum nicht verdenken, dass die Band unter frenetischem Applaus die Bühne verlässt. Wenn Dienst am Kunden so dermaßen gut unterhält wie bei dieser Band, dann gerne wieder.

Es war abzusehen, dass die Emo-Rocker von I AM GHOST danach schweres Spiel haben werden. Dass allerdings etwa die Hälfte der noch bei EYES SET TO KILL Anwesenden gar nicht erst wieder auftaucht verwundert mich dann doch. So spielen die adrett gekleideten Herren dann eben vor einer überschaubaren Anzahl Zuschauer und auch diese können sie nicht wirklich begeistern. Wie alle Bands des heutigen Abends kommen auch die Epitaph-Zöglinge äußerst sympathisch rüber, einzig an der Musik hapert es ein wenig. Das alles wirkt zu beliebig, um wirklich mitreißen zu können. Es fehlen die großen Momente, die vergleichbare Bands wie A.F.I. oder MY CHEMICAL ROMANCE zuweilen auszeichnen. Stattdessen regiert König Mittelmaß über weite Strecken. Einzig das engagierte Auftreten der Band und das pure Interesse daran, mal wieder eine Band zu Gesicht zu bekommen, die diesen Sound überhaupt noch spielt halten mich über die gute Dreiviertelstunde Spielzeit hinweg bei der Stange. Nein, wirklich langweilig sind I AM GHOST und ihre Liveshow nicht, mir fällt nur beim besten Willen kein guter Grund dafür ein, warum man ihnen zuhören sollte, wenn es doch etliche Bands gibt oder gab, die diesen Sound besser hinkriegen.

Somit endet ein zwar unterhaltsamer, zuweilen allerdings auch etwas nichtssagender Abend, an dem jedoch wohl keiner enttäuscht das Feierwerk verlässt. Die Auswahl an durchaus unterschiedlich klingenden Bands war hierfür zu groß, so dass wohl jeder irgendwie sein persönliches Highlight gefunden haben dürfte. Da auch das Publikum erstaunlich annehmbar war und zudem die Jungs von LOWER THAN ATLANTIS auch abseits der Bühne absolut sympathisch daherkommen (hierzu dann im Interview mehr), bewege auch ich mich gut gelaunt in Richtung Heimat.