13.10.2011: Red City Radio, Static Radio NJ, Antillectual - Bei Chez Heinz, Hannover

13.10.2011
 

 



Dallas Tidwell schiebt den Bandbus auch alleine an, sollte dieser einmal liegenbleiben. Er könnte sich sein Drumkit unter den linken und seine Band unter den rechten Arm klemmen und bräuchte so nicht mal einen Bandbus. Er wäre der perfekte große Bruder oder gern gesehener Gast bei jedem Umzug. Der Schlagzeuger von RED CITY RADIO ist das, was der Volksmund als ein „Tier“ bezeichnen würde. Leider bekommen weder Stiernacken noch Baumstammarme ein Problem heute Abend nicht in den Griff: Den abartig miesen Sound, den die ungünstig platzierte PA im hannoverschen Kellerclub schon während der eröffnenden ANTILLECTUAL aus Holland im Akkord hervorruft. Krächzend und mit gesanglichen Totalausfällen knüppeln sich Willem und Riekus mit Neuzugang Glen am Bass durch eine gute halbe Stunde melodischen und schnellen Punkrock, der aus dem linken Fenster rausrotzt, was mit Chören und dynamisch platzierten Riffs nicht mehr durch das rechte Fenster durchpasst. Tatsächlich sind einige Songs von „Testimony“ oder „Start From Scratch!“ kaum wiederzuerkennen, da die Grenzbereiche der Anlage gegen das vorbildlich bearbeitete Schlagzeug stets den Kürzeren ziehen. Trotzdem verlässt das niederländische Trio erhobenen Hauptes und nach Aberntung sämtlicher Sympathiepunkte die nicht vorhandene Bühne.


Technik, die begeistert wird auch den Ziehsöhnen der BOUNCING SOULS aus dem prägnanten New Jersey zum Verhängnis: Mit ebenfalls neuem Gesicht an den sechs Saiten entscheiden sich STATIC RADIO NJ für vier Fünftel Auskopplungen des neuen Longplayers „We Are All Beasts“, die trotz der gesetzten stilistischen Gangart live allesamt gut zünden. „I Might Kill“ und „Favourite Name“ zwingen Frontmann Mike an stimmbändige Grenzen, während Kollege Charles mit Akrobatik und Entertainerqualitäten auf Punktefang geht. Was „Marc“ oder „Bothered“ auf „An Evening Of Bad Decisions“ kurz, knapp und auf-die-Fresse erklärten, wird von den jetzt als Quartett tourenden Amis mit geglätteter Geschwindigkeit, aber dank Mikes fundierter und gratiger Stimme nicht weniger Pfeffer serviert. Auch hier hätte ein stattliches Upgrade des Sounds das Besucherherz (noch) höher schlagen lassen - „Addict“ und „Green Hoody“ aber überholen trotzdem tight und zurückgelehnt, STATIC RADIO NJ machen das doch nicht erst seit gestern.


Sänger und Gitarrist Garrett Dale lehnt mit seinem Instrument hoffnungsvoll blickend am Pfeiler, der just von seinem PA-Box stützenden Posten befreit wird um etwaige Verbesserungen für den „Hauptact“ zu schaffen. Nach müder Einsicht schleichen die ersten Akkorde von „An Introduction Of Sorts“ um die Ecke, erste luftprügelnde Fäuste lassen nicht lange auf sich warten. Mit eben jenem „Tier“ von Schlagzeuger und dem optisch perfekten Mix aus 2-Meter-Basser Jonathan, dem adrett fertigen Garrett mit Hut und Flyin´ V sowie dem barfüssigen Lulatsch Paul am Hauptmikrofon zimmert die Band aus Oklahoma City „Spinning In Cirlces Is A Gateway Drug“, „Too Much Whisky, Not Enough Blankets“ oder „50th & Western“ durch das mit ca. 50 Zeugen gefüllte Chez Heinz, genauso begleiten die vierstimmigen, feiergeschwängerten Chöre aber auch ältere Beiträge wie „Where We´re Going We Don´t Need Roads“ oder „We Are The Sons Of Woodie Guthrie“. Als „der Tag nach Amsterdam“ verzeiht man der Band ihr erschöpftes Äußeres, die Gesänge sitzen ebenso wie die knackige Instrumentenarbeit von RED CITY RADIO, in dessen Geburtsurkunde auch ohne weiteres Gainesville, Florida eingetragen sein könnte. Ein brillantes DESCENDENTS-Cover, ein kurzer Vorgeschmack auf die zum FEST 10 erscheinende 7“ sowie logische Trendsetter-Einsichten durch Paul´s fehlende Schuhe runden das Set ab, was mit knapp einer Stunde dennoch zu kurz scheint. Über Durchschnitt, nach „OhOh“ kommt „OhOhOh“ – so machen die vier trinkfesten Freunde ein über und über guten Eindruck. Und zack, ehe man sich versieht – sind die Katerwehen von Amsterdam bereits wieder ausgeschwitzt und zur Zugabe müssen die restlichen Getränkemarken herhalten.
Sollen sie doch saufen – Dallas schleppt sicher auch nach einer schweißtreibenden Show gerne noch paarweise volle Bierkisten durch die Gegend. Und mit der anderen Hand seine Buddys ins Bett.