15.04.2017: VAL SINESTRA, BLUTIGE KNIE, GHOSTMAKER

17.04.2017
 

 

Die Berliner Band VAL SINESTRA veröffentlichte Ende Februar ihr Debutalbum „Unter Druck“ und beehrt ihre Heimatstadt mit einer Show im Badehaus. Den Anfang machen die Stoner-Punker GHOSTMAKER. Mit einem breiten, anschiebenden Sound sorgt das Trio um Sänger und Gitarrist Chris Jany für erste Jubelrufe und enthusiastischen Applaus. Während Jany gekonnt zwischen tiefer BEATSTEAKS- und vibrierender MISFITS-Stimme oszilliert, schneidet Drummer Laaf fleißig Grimassen, ohne dabei auch nur eine Sechzehntelnote den Groove zu verlieren. Untermauert werden die zügigen Songs von einem kompakten Precision-Bass-Sound, der die kreischende Gitarre am unteren Ende Frequenzspektrums ablöst. GHOSTMAKER werden für meinen Geschmack mit jedem Stück besser und es gelingt ihnen am Ende des 30-minütigen Eröffnungs-Slot genug Publikum für einen grölenden Abklang vor der Bühne zu versammeln.

Die Stimmung im Badehaus steigt, es sind eine Menge Freunde, Bekannte und Familienmitglieder der Bands gekommen und dem Record-Release-Auftritt von VAL SINESTRA wird mit Umarmungen und ausgelassenem Gelächter entgegengefiebert. Doch davor bekommen die Anwesenden noch BLUTIGE KNIE serviert. Das Nebenprojekt von DxBxSx-Bassist Timo Tolkitt besteht aus eben diesem an der Gitarre und Drummer Till Trenkel. Kredenzt wird minimalistischer Garagenrock mit einem für meine Hörgewohnheiten gewöhnungsbedürftigen Bass-Klang und (absichtlich?) schluderig gespielte Drums. Frei nach dem Motto „Ich hab mal wieder Bock Krach zu machen“ bringen die zwei ein stampfendes Schwergewicht nach dem anderen hervor und feuern sie passionsgeladen in den Saal. Hier scheinen sich die Geister zu spalten, wohlwollend höre ich mir das Programm an, bevor das anstrengende Fiepen der Gitarre auch mich für den Rest des Sets in den Bar-Bereich scheucht.

Das Warten hat ein Ende, nun wird noch kurz die Snare-Drum gestimmt und equalisiert. Ohne großes Tamtam betreten VAL SINESTRA die Bühne und ab geht’s. Der zügige Garagen-Punk mit Hardcore-Sprechgesang treibt unverkennbar an und doch bedarf es einer Handvoll Songs bis die Menge vor der Bühne zündet. Schade, denn ich habe den Drummer Säsh selten so tight spielen gesehen und auch der mit einem Gips um das Bein gehüllte Bassist gibt wie immer alles. Sänger Chris Koch hat seine Stimme zunehmend im Griff und da kommt die feierwütige Reaktion des Publikums auf den Song „Skandal“ wie eine erlösende Welle daher, die endlich den angestauten Damm durchbricht. Ab jetzt ist keine Halt mehr auf und vor der Bühne. Koch sorgt mehrmals für eine Verschmelzung beider Seiten und seine Mitmusiker brettern sichtbar gut eingespielt Nummer für Nummer runter, ohne dass es routiniert wirkt. Denn es ist ein besonderer Abend für VAL SINESTRA. Neben einer hingebungsvollen Show wird sich auch explizit bei Familie, Freund_innen und den ebenfalls anwesenden Gründungsmitgliedern der Band bedankt. Sänger Chris wird zunehmend eins mit dem Publikum, steigt auf einen Bar-Tisch und lässt sich von der Menge zurück zur Bühne befördern – „Deutschland, Deine Kinder sind krank!“. Aber damit nicht genug, „Was Sie Tun“ wird kurzerhand mit „Verdammt ich lieb Dich“ unterlegt und „Rausch“ wird wie gewohnt von Bassist Max im Circle Pit zu Ende geführt. Aber auch damit ist nicht genug: VAL SINESTRA legen zur Feier des Tages einen drauf und der in seiner Mobilität eingeschränkte Max darf eine Anerkennungsrunde auf den Händen des Publikums drehen. Eine gute Stunde ist um und da man sich aus glamourösen Zugaben nichts macht, geht es in „Frieda und die Bomben“ über, nicht ohne davor eine Riesenflasche Pfeffi anzubrechen. VAL SINESTRA zelebrieren ihre Musik, sich selbst und das zurecht. Sie dürfen sich freuen, da ich selten eine Band gesehen habe, die mit teils sperrigen Songs eine Menge so zum Toben und Tanzen bringt. Wucht und Enthusiasmus bügeln dort die Kanten glatt, wo Beine und Hüften zur Bewegung ansetzen, ohne dass es sich nach Weichspüler anhört.