16.-17.07.2010: Traffic Jam Festival - Dieburg

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Der Ferienbeginn in NRW liegt zwar offiziell schon drei Tage zurück, aber erst am heutigen Freitag und zum Wochenende hin, scheinen sich alle Sonnenhungrigen auf den Weg nach Süden gemacht zu haben. Entsprechend voll ist es auf der Autobahn gen Frankfurt. Nicht die beste Voraussetzung um pünktlich zum Beginn des TrafficJams in Dieburg anzukommen.

47 Million Dollars bauen bei unserer Ankunft grade ab. Als nächstes sind Bleed From Within aus Schottland im Zeitplan angekündigt. Am Bass ist heute ersatzweise eine junge Dame mit recht emotionslosen Gesichtsausdruck. In petto haben sie ca. dreißig Minuten, voll gepackt mit allem was man so von einer Metalcorekapelle dieser Tage erwarten kann. Die Stimmkraft des jung wirkenden Frontmanns kann auf ganzer Linie überzeugen. Ansonsten haben Bleed From Within kaum Überraschungen zu bieten. Leider sieht das Publikum dies scheinbar ähnlich. Trotz des guten Sounds und Mosh-tauglichen Riffs gibt es herzlich wenig Bewegung in der Menge. Der Band scheint es wenig aus zu machen, sie widmen ihr Set jenen die zu ihren Songs im Pit den üblichen Affentanz proben.

Den Anschluss machen Six Reasons To Kill. Diese sind spontan für die schwedische Band Dead By April eingesprungen, die auf Grund der Erkrankung ihres Gitarristen nicht spielen können. Wenn auch kein gleichwertiger Ersatz so geben sich Six Reasons To Kill doch alle Mühe. Dabei wirken sie brachialer und härter als ich sie in Erinnerung habe. Unterm Stich bieten sie eine gute Show dar und verdienen alle Male beide Daumen hoch fürs spontane Einspringen.

Weg vom Core hin zum Punk/Rockpop geht es danach mit der Poppunk Gruppe The Bottrops, die vor allem durch ihr sympathisches Auftreten punkten. Leider ist es vor der Bühne noch leerer geworden. Was daran liegen könnte, dass kurz vor ihrem Set die Durchsage gemacht wurde, man solle doch bitte alle Autos vom angrenzenden Supermarktparkplatz wegfahren. Hatte man dorthin zunächst alle spät anreisenden Festivalbesucher geschickt, ist nun die Geschäftsleitung des Markes auf die Barrikaden gegangen. Das hätten sich die Veranstalter ruhig früher überlegen sollen, schließlich gibt es das TrafficJam schon seit 1999. Schade für The Bottrops denen man gerne ein paar mehr Zuschauer gewünscht hätte. Sind ihre Melodien doch zu meist tanzbar und durchaus für größere Mengen zum abfeiern geeignet.

Die Umbaupause vor dem Set von Evergreen Terrace zieht sich länger hin als die Pausen zuvor. Vielleicht der passende Zeitpunkt mal das Kultgetränk der Region anzutesten. Bei Preisen um die zwei Euro für diverse Erfrischungen kann man mal vom Apfelwein kosten. Allgemein ist das Festival mehr als preiswert gehalten. Das Zweitagesticket mit Camping kostet knapp über 25,00 Euro. Dafür bekommt man das komplette Wochenende lang einen bunten Mix aus Rock, Punk und Hardcore geboten. Außer deutschen Nachwuchskünstlern bietet das TrafficJam auch einige Leckerbissen an bekannteren Bands. Somit auch an Evergreen Terrace, die mit ein wenig Verspätung ihr Set beginnen.Dogfight ist einer der ersteren performten Songs. Wie erwartet macht die Truppe aus Florida ordentlich Druck im Publikum, welches in den letzten zwanzig Minuten auf eine beachtliche Menschenmasse angeschwollen ist. Nun merkt man zum ersten mal richtig, wie viele Besucher das Festival eigentlich gezogen hat. Und auch an Textsicherheit mangelt es nicht. Besonders bei Songs wie Mad World wird kräftig mitgesungen. Am Sound kann man nicht meckern und auch das Spiel aus künstlichen Nebel und Licht stimmt.

Mit ganz anderen Klängen versuchen anschließend Combichrist zu überzeugen. Man könnte zwar skeptische Reaktionen erwarten, schließlich gehören die Norweger eher zur Sparte der EBM Musiker, jedoch hält es überraschend viele gebannte Musikfans auf der Wiese vor der Bühne. Zu recht, ist die Musik von Combichrist zwar recht experimentell und durch eine Mischung vieler düstere, elektronischer Klänge und eine tiefe Stimme ausgezeichnet, aber dennoch auf eine seltsame Weiße mitreißend. Spätestens seit Künstlern wie Unheilig oder Apoptygma Berzerk brechen eh immer mehr einst als Gothic verschrieene und gemiedene Bands raus aus ihren düsteren Dasein, rein in die Massentauglichkeit. Diesen Sprung haben Combichrist zwar noch nicht geschafft, wollen es vielleicht auch nicht, aber heute Abend begeistern sie bestimmt den Ein oder Anderen eingefleischten Rockfan.

Während jetzt Ende auf der Bühne ist, geht es im großen, offenen Zelt auf der Festwiese weiter. Me And Mark, ihres Zeichens teilweise Abkömmlinge von Evergreen Terrace geben sich die Ehre und präsentieren ein ca. 20 Minütiges Set ihrer akustischen Gitarrenkünste. Ihre Songs lassen einen schmunzeln, klagen mit Worte wie Everyone Got A Band Now, Anyone Can Write A Breakdown, Everything And All Just Sounds The Same auf sympathisch, satirische Art an und bringen die verbliebenen Leute zu später Stunde noch kräftig zum feiern. Die ersten Reihen haben sich zwar hingesetzt, dies hat aber keineswegs damit zu tun, dass sie Me And Mark boykottieren wollen. Man genießt die letzten, gemeinsamen Minuten eines ausgelassenen Festivaltages bei guter, frischer Gitarrenmusik. Ein gelungener Abschluss des Tages.

Den Samstag eröffnen Tequila Terminators und Save Today. Leider fällt es mir schwer eine Aussage zu beiden zu machen, befand ich mich doch zu dieser Zeit so wie die meisten Zeltenden noch bei der Katzenwäsche auf dem Campingplatz. Zu Shellycoat befinden sich immer noch wenige Menschen vor der Bühne. Es scheint Programm zu sein die kleinen Kappellen zu meiden und die großen Künstler zu feiern. Obgleich Shellycoats Frontfrau mit ihrer Stimme durchaus umzugehen weiß, wirkt ihr Auftritt spätestens beim dritten, vierten Song langatmig. Sind ihre Songs doch alle recht ähnlich. Wer jedoch auf Bands wie Guano Apes oder Die Happy steht, dem könnten Shellycoat zusagen.

His Statue Falls kämpfen heute mit einem kleinen Handicap. Ihr Drummer wurde vor kurzer Zeit am Auge operiert und hat eigentlich vom Arzt strengstes Auftrittsverbot erteilt bekommen. Die Tatsache, dass er heute trotzdem spielt, wird von der Menge mit einem ordentlichen Applaus bedacht. Die selbsternannte Techcore Band aus dem beschaulichen Saarland ist erst kurz vor Beginn ihres Sets eingetroffen und hatte wohl kräftigst mit dem Urlaubsverkehr zu tun. Diesen Stress merkt man ihnen aber keinesfalls an. Und auch vor der Bühne wird es für den heutigen Tag erstmals richtig voll. Kein Wunder, macht ihre Musik doch bekanntermaßen gute Laune und viel Spaß. Mit Songs wie Sooner If You Let Me oder Give It Up, Give It Up bringen sie selbst gestandene Metaller in Bewegung. Sänger XX weiß genau mit dem Publikum umzugehen. Und wer den Songtitel Does Any Of You Guys Know Why For God's Sake Every Band On Earth Gotta Have Long Song Titles nachsagen kann, bekommt direkt mal drei T-Shirts geschenkt. Kann aber keiner.

Bei Die Traktor, einer RockN'Roll Band aus Frankfurt, lichten sich die Reihen dann wieder. Und auch Black Bomb A können das Publikum heute nicht begeistern. Auch wenn sie die scheinbar beliebteste Musikrichtung der Masse performen. Irgendetwas zwischen Hardcore und Metalcore. Mit den Kafkas tun sich auch so Einige schwer. Zwar gibt es ganz allgemein gesagt bei allen drei Bands immer Einige die vor der Bühne mitwippen oder gar -singen aber allgemein betrachtet ist die Unterstützung der lokalen Kapellen eher auf der Strecke geblieben. Zugegebenermaßen ist es zu verstehen, dass sich manch einer eher die BMX Show genauer anschaut und die Musik nur als Begleiterscheinung wahrnimmt. Auf einer Rampe, relativ in der Mitte des Geländes zeigen ein paar wagemutige BMXer ihre Tricks. Fraglich nur wieso diese nicht an diesem Wochenende in Köln bei dem dort stattfindenden BMX Masters sind. Egal, so gibt es auf jeden Fall eine eindrucksvolle Show in luftiger Höhe.

Von The Ghost Of A Thousand darf man bekanntlich einiges erwarten. Zumindestens haben sie auf den bisherigen Deutschlandshow immer überzeugen können. Frontmann Tom Lacey wirkt heute jedoch leicht angeschlagen. Jeder Song kostet ihn merklich Kraft. Umso überraschender, dass er sich kurzerhand seinen Weg über die Absperrung in das Getümmel vor der Bühne bahnt. Anfangs gibt sich das Publikum leicht verwundert, dann springt ihn auch schon mal wer von der Seite in wilder Pogolaune an oder reißt ihm das Mikro fast aus den Händen. Wieder auf die Bühne hoch zu kommen dauert hingegen eine Weile. Musikalisch schwächeln sie keinen Moment lang. Wie eh und je liefern sie ein solides Set an Hardcore-Punk der Extraklasse ab. Und nach ihrem Auftritt scheint sich auch ihr Sänger gefangen zu haben. Immerhin kann man ihn fleißig verkaufend am Merchstand ausmachen.

Mit Sylosis tritt kurz darauf eine weitere Band aus UK auf. Endlich mal was für die zottelhaarige Metaller Fraktion könnte man meinen. Bei einem Blick in die ersten Reihen wird diese Vermutung auch bestätigt. Dort fliegen vom ersten Gitarrenriff an die Haare etlicher Headbanger zu Songs wie z.B. Manipulation Through Idols. Melodischer Trash-Metal mit schnellem, dynamischen Drums, viel Gesang und einer düsteren Grundstimmung. Eine sehr powergeladene Darbietung.

Russkaja nennt sich die nächste Truppe aus Österreich. Auch wenn fraglich bleibt, ob die Herren (und Damen) in den schicken rot-schwarzen Outfits wirklich in Russland aufgewachsen sind, ist der Name Programm. Russisch für Jedermann könnte man sagen. Über vierzig Minuten lang gibt die bunte Truppe aus Violinistin, Saxophonist, Posaunenspieler und der Standartbandbesetzung richtig Gas. Eine Punk basiserte Spaßtruppe, die ihres Gleichens sucht und in der letzten Zeit schon auf so einigen großen Festivals gesichtet wurde.

Den Co-Headliner geben im Anschluss H2O, wenn auch nicht in Originalbesetzung, sondern mit Verstärkung aus dem Madballreihen an der Gitarre. Die zur Zeit kräftigst in Europa tourenden Herren aus den USA haben so einiges zu bieten. Mit What Happened? stellen sie ähnliche Fragen wie am Vortag bereits Me And Mark bewegen sich doch vom Sound her ganz oben auf der Hardcore-Punk Welle. Nothing to Prove und One Life, One Chance
lassen zu später Stunde nochmal richtig den Staub hochwirbeln, hat sich doch die Wiese vor der Bühne derweilen in eine Wüste verwandelt. Richtig so. Da lässt es sich selbst ihr Tourmanager nicht nehmen mal ein paar Zeilen mitzusingen. Trotz aller in den Lyrics verborgenen Ernsthaftigkeit geht das Gute-Laune-Potential nicht verloren.

Den Abschluss machen die groß angekündigten The Sorrow. Ebenfalls aus Österreich angereist haben sie die Aufgabe das letzte bisschen Energie aus dem geschlauchten TrafficJamern zu kitzeln. Dies gelingt ihnen Anfangs zwar nur mühsam. Was daran liegen könnte, dass ihr Auftritt mangels Bewegung auf der Bühne etwas statisch wirkt und sich dies scheinbar aufs Publikum überträgt. Man darf vermuten, dass sich die Herren sich lieber auf ihre Instrumente konzentrieren als aufs hopsen oder hin und her laufen. Und so beenden The Sorrow das Festival mit einem eher mittelprächtigen Akt.

Bis in die frühen Morgenstunden wird schlussendlich das Partyzelt mit allem was tanzbar ist, bespielt. Ein angenehmes, bunt musikalisches Wochenende geht somit ausgelassen zu Ende.