16.11.2013: Deez Nuts, Obey The Brave, Stray From The Path, Heart In Hand, Relentless - Köln - Essigfabrik

16.11.2013
 

 



Jugendliche, mit Meshshort wahlweise von SUICIDE SILENCE oder EMMURE, stehen vor der Kölner Essigfabrik in der Schlange und saufen Bier, Hochprozentiges und Energydrinks. DEEZ NUTS sind zusammen mit ihren Buddies OBEY THE BRAVE, STRAY FROM THE PATH, HEART IN HAND und RELENTLESS auf Tour und machen heute Halt in der Metropole am Rhein.

Dass es aber so voll wird, davon bin ich nicht ausgegangen. Verglichen damit war letztens bei BEING AS AN OCEAN und MORE THAN LIFE sogar wenig los, und selbst da war die Essigfabrik gut gefüllt. RELENTLESS beschert das jedenfalls nach eigener Aussage eine der größten Shows der Bandgeschichte. Es ist die erste Europa-Tour der australischen Dampfwalze – und dann gleich in so einem Paket! Nicht schlecht, Herr Specht. Kann man natürlich differenziert betrachten: So manch einer hätte sich sicherlich gefreut, die Band in privaterem Rahmen und nicht für 23€ an der Abendkasse zu sehen, andererseits profitieren RELENTLESS von den Umständen und erreichen eine Menge Leute. Soundmässig passt der Fünfer aus Sydney gut in den heutigen Abend. Zwar werden Fans von HEART IN HAND hier vergebens nach großen Melodien suchen, doch der Moshpit läuft auf Hochtouren. Ich habe es noch nie gesehen, dass eine ganze Reihe von Menschen (schätzungsweise die 3 vor Bühne) den kompletten Auftritt einer Band mit dem Rücken zur Stage steht, dabei die Arme verschränkt und den Blick auf den Pit – aber auch in der Hardcore-Szene lernt man scheinbar nie aus. Sieht jedenfalls ganz schön dämlich aus und das Interesse an der Band kann ja in dem Fall auch kein sehr großes sein. Der Titelsong des aktuellsten Albums „Turn the Curse“ eröffnet jedenfalls den Abend und von Beginn gehören Spinkicks und Windmühlen zum Standardprogramm. RELENTLESS tragen ihr Liveset auch mit 2 Fill-Ins sehr sauber vor und machen so in der Essigfabrik, die für ihren oft nicht all zu guten Sound bekannt ist, viel Druck und dementsprechend eine gute Figur als Anheizer. Gestagedivet wird auch hier und da, mitgesungen aber kaum – Köln ist also wahrscheinlich lediglich was die Besucherzahl angeht eine der besten Shows für RELENTLESS. Zu etwa gleichen Teilen besteht die Setlist aus den letzten beiden Alben, wobei sich die Jungs aus Down Under mit „What I’ve Become“ und „World I Despise“ zwei der besten Tracks ihres aktuellen Albums bis zum Schluss aufheben.



Was dann eine Viertelstunde später bei HEART IN HAND (der einzigen europäischen Band in diesem Lineup) abgeht, ist wirklich atemberaubend. Schon als die Menschentraube vor der Bühne bereits vor Beginn des Auftritts immer größer wird, ist klar: Viele haben diesem Abend regelrecht entgegengefiebert. Zwar waren die Jungs von der Südküste des Vereinigten Königreichs erst vor einem halben Jahr schon in Köln zu Gast und sind auch desöfteren mal in Deutschland unterwegs, aber die wachsende Fanbase ist nicht von der Hand zu weisen. Sobald Frontmann Charlie Holmes mal ein paar Zeilen aussetzt, merkt man dass der ganze Raum mitsingt, und das sowohl bei älteren Songs wie „Only Memories“ oder „Tunnels“ als auch bei Stücken der neuen Scheibe „Almost There“. Bassist Gavin Thane wird, was mich belustigt, ihn aber sichtlich aufregt, regelmäßig von einem angetrunkenen Fan mit Rucksack angetanzt und sogar in den Nacken geküsst. Die Anzahl an Stagedives dürfte selbst einen Scott Vogel zufrieden stellen, auch wenn zu bezweifeln ist, dass er auf die Musik von HEART IN HAND stehen würde. Es gibt relativ viele Bands, die diesen Mix aus melodischem Hardcore und metalcore-artigen Breakdowns machen, jedoch nur wenige die so herausstechen wie HEART IN HAND. Es ist durchaus bezeichnend, dass der Fünfer von der Insel seine erste längere Tour mit IT PREVAILS gespielt hat. Auch die Bühnenshow ist ein weiteres Indiz für 5 Jahre beinharte Arbeit und ständiges Touren. Zieht man den obligatorischen UK- und US-Band-Bonus ab, stehen HEART IN HAND trotzdem zu recht da, wo sie heute sind. Neben „Home/Sick“ und „Life Goes On“ ist es der Titeltrack des neuen Albums, der am meisten abgefeiert wird.




STRAY FROM THE PATH haben mehr als doppelt so viele Jahre auf dem Buckel wie HEART IN HAND und sind die dienstälteste Band im Lineup. Ihr Sound hat sich in den letzten Jahren sehr gewandelt, weg vom Grind- und Deathcore-beeinflussten Debüt-Album in Richtung hin zu zugänglicherem, aber immer noch chaotischem Sound à la EVERY TIME I DIE. Das neuste Album „Anonymous“ ist seit kurzem auch in Europa draußen und erinnert an vielen Ecken (manchmal zu auffällig) gar an RAGE AGAINST THE MACHINE. Gerade auch Drew Yorks markante Stimme hat daran einen großen Anteil und reisst ähnlich mit wie die von Zack de la Rocha, wobei das ein Vergleich ist, dem man kaum gerecht werden kann. Leider kann die Band aus Long Island meinen Erwartungen von Anfang an nicht genügen, das Liveset leidet unter dem grottenschlechten Sound. Ich weiß nicht, ob es Absicht ist, dass die Effekte (insbesondere die elektronischen) dermaßen laut sind, aber wenn ja, dann verstehe ich die Musiker nicht. Spätestens beim dritten Mal stört der „Mad Girl“-Effekt einfach nur, und da dies nicht der einzige Song ist, bei dem er zur Verwendung kommt, macht mir das das ganze Set von STRAY FROM THE PATH kaputt. Tom Williams schafft es zwar, als ein Gitarrist zu klingen wie zwei Gitarristen, aber an vielen Stellen kommt dabei in der Essigfabrik heute einfach nur viel Lärm rum, der mich verstört. Wer es geil findet, bitteschön, aber viel Songstruktur kann man da beim besten Willen nicht mehr erkennen. „Black Friday“, „Radio“ und „Badge and a Bullet“ sind für mich die Höhepunkte des Sets. „Negative and Violent“ bespaßt den Moshpit. Abgesehen davon ist der Auftritt für mich aber teilweise nicht gerade angenehm anzusehen bzw. anzuhören.




OBEY THE BRAVE gibt es zwar erst seit 2012, doch nicht zuletzt durch das Szene-Prestige des Shouters Alex Erian (ex-DESPISED ICON) ist die Kapelle schnell zu einer großen Nummer im Hardcore-Zirkus herangewachsen. Auch Impericon und die vielen Festival-Auftritte dürften ihre Rolle gespielt haben. Die Reaktion der Fans jedenfalls lässt den Co-Headliner-Slot als angebracht wirken. Ganz nach dem Motto „Not trying to reinvent the wheel. We keep it simple. We keep it real.“ prescht die Band ohne Pause nach vorne und hält die Zuschauer auf Trab. Zwar glorifizieren OBEY THE BRAVE das Saufen, Hustlen und Kiffen nicht (so wie die DEEZ NUTS), dennoch tun sich augenscheinlich einige Parallelen zwischen beiden auf: Zunächst mal ähneln sich die beiden Frontmänner in Punkto Aussehen und Stage-Performance ziemlich. Auch waren beide früher mal in einer Metal-Band aktiv, die ihnen eine große Anhängerschaft verschafft haben. Die Texte beider Bands sind relativ platt und reich an Parolen, die sich schnell einprägen und mitsingen lassen. Dementsprechend passt das Line-Up der Tour wirklich gut, die Schnittmenge an gemeinsamen Hörern scheint groß zu sein. Doch es gibt natürlich auch Unterschiede. Die Songs von OBEY THE BRAVE sind wesentlich reicher an Melodien und weisen teilweise auch metalcore-artige Riffs und viele Breakdowns auf. Die Botschaft der Kapelle ist meist eine positive („Live and Learn“) oder konstruktive („Self Made“), was durchaus ein Pluspunkt ist. Erian gesteht, dass es sich heute in Köln um eine der besten Shows handelt, die OBEY THE BRAVE je gespielt hat. Und es ist wirklich beachtlich, wie auch die vierte Band am Abend es schafft, nochmal einen draufzusetzen und die gut gefüllte Halle zu animieren. Selbst ein neuer Song sorgt für massig Stagedives und geht nicht unter. „Get Real“ setzt dem ganzen dann nochmal die Krone auf.




Die Essigfabrik ist also bestens aufgewärmt für den Headliner. Die Stand-Banner werden aufgestellt und der riesige Backdrop wird geliftet. Zusätzlich dazu haben die DEEZ NUTS ihre eigenen Lichter für die Light-Show mitgebracht. Mit „Shot After Shot“ geht’s dann los – „and we trink shot after shot after shot after shot and we smoke blunt after blunt after blunt after blunt“ – das dachte sich wahrscheinlich auch der junge Herr, der bereits bei HEART IN HAND mit aus dem Mund laufender Kotze in Richtung Ausgang trabte. Die Bühne jedenfalls ist eröffnet für Stagedives und Sing-a-Longs, woran JJ Peters sichtlich seinen Spaß hat, anstatt dass es ihn stört. Auch er ist der Ansicht, dass es sich beim heutigen Abend um die beste Show der Tour handelt und lässt daher die Menge mehrmals für sich selbst applaudieren. DEEZ NUTS scheinen im 6. Jahr ihres Bestehens immer noch nicht müde geworden zu sein und präsentieren alte („Your Mother Should Have Swallowed You“) wie neue Hits („Go Fuck Yourself“). Der Moshpit steht Kopf und initiiert gegen Ende des Auftrittes dann von selbst eine Wall of Death, die dann aber letztendlich doch etwas in die Hose geht. Einen Versuch war es jedenfalls wert und alle Beteiligten haben ihren Spaß. Nach einem 45 Minuten langen Set sind es dann „Stay True“ und vor allem „Like There’s No Tomorrow“, die nochmal gefühlt die ganze Essigfabrik zum Mitsingen animieren. Ich habe übrigens gerüchteweise gehört, dass das die letzte Europa-Tour der DEEZ NUTS war.. was da dran ist, keine Ahnung.