18.09.2009: Misery Signals, Your Demise, The Number Twelve Looks Like You, Trusting Nolan - Köln - Underground

18.09.2009
 

 

Die Szene braucht neue Helden. Helden, dessen Ambitionen über das abklappern alter Gefilde hinaus gehen; Helden, die vielleicht nicht die Szene, aber mehr das Genre neuerfinden.

20 Uhr. Oder so. TRUSTING NOLAN heißt der lokale Support in der Domstadt, und von Seiten der Band hat man die Situation bereits zutreffend analysiert: „Ihr habt keinen Bock, wir haben keinen Bock – Wir spielen trotzdem noch 2 Songs.“ Ganz so schlimm ist‘s dann doch nicht, denn auch wenn sich der sympathische, selbstironische Herr mit dem Mic auch gerne mal den Luxus einer Kaffeepause gönnt, so lässt zumindest das energische Set der Band immer mal aufhorchen. Musikalisch passt man dabei ganz gut ins Lineup, wenngleich die dem Headliner ähnlichen experimentellen Ansätze leider zu oft von dominierender Breaklastigkeit begraben werden. Immerhin aber das Dynamit, was die Kids in Shorts und Muscle-Shirt ab und an schon jetzt zum explodieren bringt.



Die ersten dieser jener Helden heißen an diesem Abend jedoch THE NUMBER TWELVE LOOKS LIKE YOU. Und neben gefühlten zehntausend Effektpedalen, einen String jeweils mehr, einen hyperaktiven, in seiner Kindlichkeit unheimlich sympathischen Sänger und einen Drummer, der sich schon vor der Show sicher mal so 20 Minuten warm macht hat man ebenso seine Fans mitgebracht – die dann auch nicht zögern, zu jenem Warm-Up bereits die Mähne zu kreisen. Eine THE NUMBER TWELVE LOOKS LIKE YOU Show ist halt immer ein Feuerwerk der Kuriositäten, und so ist es auch diese: Zu den Math-Parts wird gekreischt, zu den Flaminco-Parts schwingt man elegant das Tanzbein; und zwischen all dem glänzt ein Jase Korman, der nicht müde ist, auch mal auf dem Rücken eines Fans durch die Location zu reiten. Als entspannter Gegenkontrast dient dabei Gitarrist Alexis Pareja, der sich sichtbar – gerade in den ruhigeren Parts – in der Größe seiner Kompositionen verliert. Schön anzusehen – vor allem, dass es diese Tage noch so versierte und eigenständige Gitarristen gibt. Er – und sein ich-kann-keine-Sekunde-still-stehen-Bandkollege Korman - gehören definitiv zu diesen betitelten Helden an diesem Abend.



Gehört auch der UK-Export YOUR DEMISE dazu? Zurzeit sind sie ja in aller Munde, ihre Debüt-Fulllenght „Ignorance Never Dies“ ist ein oft zitierter Geheim(?)tipp im immer-tobenden Dschungel des Hardcores, und darüberhinaus dürfte man sogar vor nicht allzu langer Zeit noch neben den zurzeit ebenso populären DEEZ NUTS eine ganze Tour hierzulande headlinen. Und gerade jetzt, wo‘s so richtig los geht, muss man einen Sängerwechsel verkraften. Aber immerhin prangen am Merchstand mittlerweile auch zahlreiche bunte Comic-Shirts – man will ja auch was vom lukrativen Kuchen dieser Tage haben. Sei’s drum: YOUR DEMISE zeigen sich durchaus energisch, und auf dies antwortet man mit einem schieren Meer an 2-Stepern, die einen ganz krassen Kontrast zum vorigen Act bilden. Hauseigene Evergreens wie „Nothing Left But Regret“ oder vor allem das fulminant abschließende „Burnt Tongues“ erfüllen dabei auch ihren Zweck, wenngleich das Set – gerade aufgrund dieser ungewohnten, neuen Stimme – nicht immer so ganz packen will. Inwiefern also auf dem mittlerweile soliden Fundament weitergebaut wird, muss die Zukunft zeigen. Und ob YOUR DEMISE auch zu jenen Helden gehören, dass kann hier nur bei jedem im eigenen Ermessen liegen.



MISERY SIGNALS sind es aber – definitiv. Sie haben es sich in ihren zahlreichen, immer aufs Neue energischen Performances bewiesen; und auf Platte, wo man sich, sowohl in der leidenschaftlichen, völlig befreiten Gitarrenarbeit und Kompositionen, die auf jegliche Kategorisierung zum Metalcore mit Füßen eintreten, als auch in den so unglaublich tiefgehenden Texten, bewiesen. Vielen haben diese in der Vergangenheit viel bedeutet – und das sieht man einigen Fans, die an diesem Abend mit ausgestreckten Armen jedes Wort von der Seele lassen, deutlich an.



Sie waren ja schon mal dieses Jahr da – April war das, als kleinerer Support für COMEBACK KID. Gut war es, wie immer, doch es war zu wenig. Doch heute soll alles anders sein: Intimere Location, viel mehr Spielzeit (wenn auch den meisten immer noch nicht genug), und nicht zuletzt ein höheres Maß an Leuten, die wirklich nur für diese Band da waren. Das waren dann vielleicht, zumindest vor der Bühne, immer noch nicht allzu viele (weswegen gut und gerne auch mal ein Stagedive, wenn es überhaupt zu einem kam, ins Leere ging); doch jene, denen etwas an der Band lag, kamen mit Sicherheit vollkommen auf ihre Kosten. Und das sicherlich auch in Hinsicht auf die Setlist. Die nahm sich zwar vorrangig den aktuellsten Ableger, „Controller“, ins Fadenkreuz, punktete jedoch ebenso durch unantastbare Songs des Debüts wie „The Summer Year Ended In June“ oder „Five Years“. Von der „Mirrors“ kam hingegen nur „The Failsafe“ – dies dann aber auch im vollen Maße.



Überraschenderweise nahm man sich auch für die instrumentalen Teile, die einen in ihrer einlullenden Magie wahrhaftig zu packen vermochten, alle Zeit der Welt; und so fanden überraschenderweise selbst Songs wie „Reset“ ins Set. Dem gegenüberstehend natürlich Nackenbrecher wie „Weight Of The World“, die wie für den Pit gemacht zu sein scheinen. Etwas ungewöhnlich hingegen die Reihenfolge der Songs, die sichtlich spontan gehandhabt wurde. Warum ein Song wie „Reset“ beispielsweise in die Mitte, hingegen aber „A Victim, A Target“ ans Ende gesetzt wurde, ist daher ebenso fraglich, wie warum von Seiten der Location ein solch enger Terminplan für die Bands verpflichtend war.

Im Bezug auf die Ausgangsfrage ändert dies jedoch nichts; und so sind MISERY SIGNALS verdienter Maßen Höhepunkt und Ende eines Abends, von denen man sich, aber größtenteils auch von dessen Bands man sich mehr wünscht.