19.01.2007: Die Goldenen Zitronen - Bremen - Stauerei

19.01.2007
 

 

Die Tatsache, dass eine Livekonfrontation mit den GOLDENEN ZITRONEN auf meiner „To Do“ Liste noch ohne Häkchen auf Erfüllung wartete, sollte Anlass genug sein mich am 19. Januar in die Bremer Stauerei zu begeben und dieser Bildungslücke ein jähes Ende zu setzen. Bisher waren mir die Auftritte des Hamburger Urgesteins immer haarscharf durch die Lappen gegangen, so dass ich – obwohl zweifelsohne kein textsicherer Zitronenexperte – froh war, dass es nun endlich einmal klappen sollte. Einen Tag nachdem Udo Lindenberg in Rheinland Pfalz für seine Verdienste um die deutsche Sprache geehrt wurde, machte es mehr als Sinn sich davon zu überzeugen, dass es auch möglich ist, diese Sprache beständig einzusetzen, ohne damit gleich dem Vaterland dienen zu müssen. Vielleicht deutete das abgrundtief hässliche Deustchland-Sweatshirt von Zitronengründungsmitglied Schorsch Kamerun ja darauf hin, wie dessen Band mit einer solchen „Ehrung“ umgehen würde. Mit Edding hatte Kamerun das Kleidungsstück nämlich zum Griechen- statt Deutschlandshirt umdekoriert, womit es optimal zu dem klassischen Punkrockoutfit passte, dass die GOLDENEN ZITRONEN beim betreten der Bühne darboten. Ob sie damit Menschen wie dem eigentlich ja ganz niedlichen Udo Lindenberg zeigen könnten, dass es hinter dem Horizont tatsächlich weitergeht, und man - gerade als Panikpunker - einen Preis für Verdienste um die deutsche Sprache auch gerne mal ablehnen darf, wage ich zu bezweifeln, Aufschriften wie „Search and Destroy“ oder „Fight the Power“, die die ZITRONEN auf ihren Lederjacken präsentierten, zeigten jedoch, dass man auch als deutschsprachige Band manchmal international argumentieren muss, um einen Punkt zu machen. Dass dieses Outfit dann vielleicht doch eher ein anachronistisches Lebewohl an die Punkvergangenheit der ZITRONEN gewesen ist, soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Band noch immer in der Lage ist intelligente, lustige, ironische und liebevolle Texte zu kreieren, denen in Paarung mit einer ungeheuer abwechslungsreichen musikalischen Begleitung das Kunststück gelingt, trotz extremen Anspruchs glänzend zu unterhalten. So sorgten die ZITRONEN auch an diesem Abend für reichlich Bewegung im Publikum, das nicht nur gespannt den Liedtexten lauschte, sondern auch kräftig mittanze und sich von Kameruns Spring- und Hüpfanimationen anstecken ließ.
Wie gesagt, ich bin nicht gerade ein Zitronenfachmann und muss bei einer kleinlich genauen Rekapitulation der Setlist von vorne herein passen, kann jedoch mit Sicherheit sagen, dass neben herrlichen Songs der aktuellen ZITRONEN Platte „Lenin“ (am besten gefielen mir hier „Wenn ich ein Turnschuh wär“, „Von den Dämonen des Wesley Willis“ und „Mila“) auch einige ältere Songs (z.B. „ICE Bertold Brecht“) mit von der Partie waren und das Publikum auch nach der dritten und letzten Zugabe eigentlich noch mehr hören wollte. Da die Bühne mit allem möglichen Instrumentarium, man ist fast geneigt zu sagen „Gedöns“, ausgestattet war und sich die Bandmitglieder im fliegenden Wechsel mal hier, mal dort zu schaffen machten, ging das ganze Konzert auch als exzellente Show durch, deren spartanische Kulisse in Anlehnung an das geniale Cover von „Lenin“, besonderen Charme versprühte. So konnte Schorsch Kamerun zu Anfang in dem eigens dafür installierten „Loch“ Platz nehmen und vom Spot beleuchtet dem Publikum die Aufschrift seiner „Punkerjacke“ präsentieren. „Fuck the Police“ stand dort in großen Lettern und auch, wenn es wohl niemanden mehr erstaunt hat, dass die GOLDENEN ZITRONEN nicht „Für immer Punk“ gespielt haben, beweist Kamerun damit doch, dass – wie er selbst mitzuteilen wusste – diese Band nach wie vor mit Inhalten arbeitet. Ausgezeichnetes Konzert!