19.04.2010: In Fear And Faith, Dance Gavin Dance, Asking Alexandria - München – 59:1

19.04.2010
 

 


Manchmal hilft es, einfach nur die Augen auf zu machen. Wer bis gestern nicht wusste, wo sich das kleine, sympathische 59:1 im Herzen der Münchener Innenstadt befindet, hatte dennoch leichtes Spiel, zum ersten Gastspiel der Rise Records-Institution DANCE GAVIN DANCE zu finden. Immer schön den Jungs mit den schwarz gefärbten Haaren und den Röhrenjeans nach. Klingt oberflächlich und ist es auch, aber so verdammt wirksam.

Speaking of Oberflächlichkeit. Den Reigen der drei auftretenden Bands eröffnen an diesem Abend ASKING ALEXANDRIA. Machen wir es kurz. Fünf nahezu identisch aussehende Engländer, die in den Staaten vermutlich größtenteils noch kein Bier bestellen dürften, aber den Traum von der Bankerlehre schon jetzt mit literweise Tinte auf den Armen weggepinselt haben? Check! Breakdowns? Check! Noch mehr Breakdowns? Check! Perfekt choreographierte Headbang-Moves der Saitenfraktion? Check! Ab und an Klargesang? Check! Sexistische T-Shirt-Sprüche? Check! Aufforderungen zur Gewalt im Pit? Check! Nicht ein einziger Ansatz von Originalität? Check! Ein Verfasser dieser Zeilen, der sich schon mit seinen gerade mal 21 Jahren zu alt für diesen Scheiß fühlt? Check! Ein Publikum, das zu weiten Teilen ausgerechnet wegen dieser Kopie der Kopie der Kopie angereist ist? Warum fragst du überhaupt?

Quälend lang erscheinende 25 Minuten später ist dann Schicht im Schacht, die letzte Windmill hat zielsicher ihr Opfer gefunden und am Merchstand wechselt eine Menge Geld den Besitzer. Beliebtestes Motiv? „You Stupid Fucking Whore“. Eh klar.

Es konnte eigentlich nur besser werden. Wurde es glücklicherweise auch. IN FEAR AND FAITH, ebenfalls Rise Records-Eigentum lieferten im Anschluss eine tatsächlich sehenswerte und vor allen Dingen grundsympathische Show ab. Zugegeben: Originalität wird hier nicht einmal mehr klein geschrieben, sie ist im Grunde nicht vorhanden. Immerhin wissen die Jungs aber, wie man das mit dem Klauen richtig anstellt. Zwar blickt man nicht einmal über den Tellerrand des eigenen Labels, pickt sich aber andererseits zu weiten Teilen nur die Rosinenstücke heraus. Der zweistimmige Wechselgesang der heutigen Headliner DANCE GAVIN DANCE trifft auf die Synthie-Eskapaden der unbedarften, aber dadurch fast schon wieder sympathischen ATTACK ATTACK und kulminiert schlußendlich in einem ziemlich amüsanten Cover von „Gangsta's Paradise“. Dass der Fremdschämfaktor gen Null tendiert ist dem ausgesprochen sympathischen Auftreten der Band zu verdanken, die sich selbst nicht zu ernst nimmt und stattdessen lieber mit breitem Dauergrinsen und reichlich Spielfreude daherkommt. Berechnet wirkt hier nichts und von peinlichen Ansagen lässt man auch die Finger. Welch eine Wohltat nach dem Debakel zu Beginn. Auch dem Publikum gefällt's. Wohl die positivste Überraschung des Abends.

Einen weit weniger positiven Eindruck hinterlassen dann leider ausgerechnet die Headliner des Abends. Dabei sollte da doch eigentlich nicht viel schief gehen. DANCE GAVIN DANCE haben auf mittlerweile drei Alben und einer EP bewiesen, dass sie zu den eigenständigsten und originellsten Bands im kompletten Post-Hardcore-Bereich zählen. Sie sind technisch fit, äußerst kreativ und haben zu allem Überfluss auch noch einen wirklich unverwechselbaren Sound. Was zum Teufel lief da also falsch? Leider nahezu alles. Dass der Sound die vielen feinen Nuancen im Songwriting der Band zu einem großen Brei verunstaltet ist dabei nur einer der vielen Sargnägel. Fast noch schwerwiegender ist die Leistung von Sänger Kurt. Auf den letzten beiden Alben der Band liefert der Herr wirklich eine tadellose Leistung, live sollte er definitiv nochmal an seiner Technik feilen. Immer wieder werden ganze Textpassagen schlichtweg unterschlagen und stattdessen nach Luft gerungen. Niemand erwartet bei einer Liveshow die Präzision und Perfektion einer Studioaufnahme, doch DANCE GAVIN DANCE wirken an diesem Abend unter Anderem aufgrund ihres Sängers restlos überfordert, spielen gelegentlich eher neben- als miteinander und wirken zu allem Überfluss auch noch reichlich unmotiviert. Lieber starrt man Löcher in die Luft, statt auf das ohnehin schon zahlenmäßig geschrumpfte Publikum einzugehen. Immerhin die Songauswahl, sie weiß zu überzeugen. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf den letzten beiden Alben, doch auch „Downtown Battle Mountain“ findet mit dem famosen „Lemon Meringue Tree“ Erwähnung. Immer wieder scheint auch während dieses Auftrittes durch, was für famose Songwriter DANCE GAVIN DANCE sind. Es bleibt jedoch bei gelegentlichen Fingerzeigen. Den Titel der besten Liveband nehmen heute die musikalisch zwar weit weniger originellen, dafür aber schlichtweg deutlich motivierteren IN FEAR AND FAITH mit nach Hause.

Was bleibt ist die Erinnerung an einen äußerst durchwachsenen Abend, bei dem der Fremdschamfaktor teils ungeahnte Höhen erreichte und an dem eine an sich ausgesprochen talentierte Band einen sicher geglaubten Heimsieg auf voller Distanz verspielte. Schade drum.

P.S.: Und 20 € für ein T-Shirt gehen nach wie vor gar nicht. Erst recht nicht für solch eine Leistung, sehr geehrte Herren von DANCE GAVIN DANCE