19.10.2010: Shellycoat, Far From Finished - Bei Chez Heinz, Hannover

19.10.2010
 

 

Böse Worte: „Boykott“. „Indie-Bullshit“. „Was zur Hölle...“. So die Kommentare von – ok – teils engstirnigen Punkerkumpels im Voraus des Konzertabends. Nach dem Release der neuesten FFF-Scheibe „Forgettable“ sind Zweifel an die Entwicklung der Band sicher teils gerechtfertigt, aber live? Da waren die Bostoner doch immer ein Sureshot! Well...

Pünktlich wie die Maurer zerrt erstmal die 5 HamburgerInnen von Shellycoat auf die Heinzbühne – und die durch den klaren Blickpunkt der Band – Sängerin Karen – angesprochenen Besucher in Bühnennähe. Vorsicht, Hannover: Denk an Deinen Vorband-Sicherheitsabstand zur Bühne. Immer schön 4 Meter minimum. So ist´s brav. Auf die Ohren gibt es einen musikalischen Mix aus jungem, energischen Punkrock á la alten Ten Foot Pole mit einem netten Anteil an ausschweifenden Shoutparts der Frontlady plus rustikale Männerchöre aus dem Hintergrund. Ab Sekunde 1 sorgen leichte technische Probleme für einen abgehetzten Techniker und den ein oder anderen trauernden Blick im Besucherraum. Trotz allem, die Stücke der beiden EP´s (zum freien Download auf der Bandhomepage!) wie „What´s Inside“ oder „A Face Without A Tale“ kicken gut, entern auch den 16-Meterraum - berühren vielleicht öfter den Pfosten, treffen aber auf Dauer nur selten direkt ins Tor. Stimmlich teils zu unsicher und überheblich gehen die guten Ansätze des jungen 5ers oftmals schlicht unter, erkämpfen sich aber stets neues Potential und machen mit Druck und Spielfreude zwischen Tsunami Bomb und H20 von sich reden.

Boston, Hosen runter! Zeit für die Wahrheit. Schreihals Steve zeigt sich heute mit heller Hose und neuer Schwiegersohnfrisur, versucht aber mit Stimmgewalt direkt den Opener zu retten. Leider schlägt die Technik wieder zurück und es verweilt ein stummes Mikrofon, was lediglich den lauten akustischen Brei der übrigen Darsteller zurücklässt. Der hetzende Techniker ist erneut zur Stelle und ab Strophe 2 stehen auch Steve´s Vocals im Raum. Angespannt und ausgelaugt wirkt die Band heute Abend – schon auffällig nach 2 Songs. Aufklärung von U-Seite: „You may have noticed some new faces on stage. Some people are having babies, some people are losing minds...“ Soso. Erstmal ein paar neue Songs einstreuen. „Say Something“ oder „Better Boy“ kommen reserviert und nüchtern, mit einem deutlich auf cleanen und geraden Gesang achtenden Steve. Autsch. Wo ist die Energie, wo ist der Schwung der Band? Kein Rotz, nur einen poppigen Hauch an Drive. Sogar „Living In The Fallout“, „Heroes & Ghosts“ oder „The Bastard´s Way“ werden um Herz und Nieren reduziert, fliessen krachig und belanglos daher, als wären sie ins Set „gezwungen“ worden. Was ist mit den Hits, was mit den sonst von Schweiß und Power durchnässten Helden aus Massachusettes? Ein schlechter Tag? Ein neues Konzept? Die Ausläufe der Schwiegersohnfrisur? Mit „21 Guns“ wird nach einer nicht emotional ehrlich wirkenden Darlegung das Ende eingeleitet, den Schreiberling stört das heute nicht besonders. Eine verfallene Performance mit viel zu laschen Musikern und einem angeschlagenen, introvertiert scheinenden Frontmann, begleitet von miesem, brettlautem Sound – kein Erfolgskonzept für einen Dienstagabend. Kein Erfolgsrezept für die sonst so großartigen Far From Finished.

Die Punkrockband, nicht die Schwiegersohnband.