20.08.2012: Touché Amoré, Birds In Row, O'Brother - Schlachthof, Wiesbaden

20.08.2012
 

 



Was eine Hitze – wer weiß, wie heiß die Wiesbadener Räucherkammer auch im Winter bei einem gut besuchten Konzert werden kann (man denke da beispielsweise an die Show von Have Heart und Carpathian im Winter 2008), der kann sich wohl vorstellen dass das Ganze im August einer Schwedischen Sauna gleicht. Nichtsdestotrotz nimmt man das gerne auf sich, wenn Touché Amoré Wiesbaden ihren ersten Besuch abstatten.

In den letzten Jahren werde ich auf Live-Shows immer weniger überrascht. Zum einen ist das so, weil man viele der tourenden Bands einfach schon etliche Male gesehen hat. Andererseits ist es gerade im Hardcore auch nicht selten, dass sich eine Band anhört wie die andere. Heute ist das anders, vielleicht auch weil Touché Amoré da ihre Hände im Spiel hatten? O’BROTHER ist eine Postrock-Band aus Georgia. Wenn man das, was sie da machen, denn wirklich in eine Schublade stecken möchte. Die Reaktion seitens des Publikums ist verhalten, aber auf die Musik kann man sich auch nicht wirklich ausgiebig bewegen. Die meisten machen es wie ich, sie stehen einfach da, schauen zu und staunen. Einer der wenigen, der richtig auf die Musik abgeht, ist Touché Amoré Frontmann Jeremy Bolm. Vor nicht mehr als 2 Monaten wurden O’BROTHER zum Line-Up des heutigen Abends hinzugefügt, es ist neben vielen Festival-Auftritten (Pukkelpop, Area 4, Reading und Leeds Festival) und vielen Off-Days eine von 3 Club-Shows mit Touché Amoré. Die Live-Performance der 5 Herren hat alles andere als Vorband-Charakter, man merkt, dass sie ihr Werk bis ins Detail verstehen und nicht erst seit gestern auftreten. Der Sound weist trotz leichter soundtechnischer Einschränkungen eine unglaubliche Tiefe und Vielfalt auf, wie man es von guten Post-Rock Bands wie And So I Watch You From Afar kennt. Auf ruhige Passagen mit hohem, beschwörendem Gesang (diese Passagen erinnern mich sehr an Thrice - O’BROTHER waren sogar auf deren Farewell-Tour eine von zwei Supportbands) folgen tonnenschwere, metalartige Riffs und atmosphärische Brutalität. Für mich eine wirkliche Neuentdeckung, mit der ich mich nach diesem Konzert sicherlich weiterhin befassen werde. Vielleicht sollte ich mich dafür schämen, dass ich die Band noch nicht auf dem Schirm hatte. Am Merch-Stand werden unter anderem Dreamcatcher verkauft.

Auch BIRDS IN ROW aus Frankreich machen alles andere als Standard-Mucke. Düster, dreckig, im Tempo sehr variabel und einfach brachial. Und das mit nur 3 Bandmitgliedern. Schaffen viele Bands nicht mal mit 5 Leuten. Live als auch auf Platte sehe ich da am ehesten Parallelen zu ihren Deathwish-Labelkollegen Code Orange Kids, die wie auch BIRDS IN ROW erst letzten Winter ganz frisch von Jacob Bannon’s Label gesignt wurden. Wie das für eine Hardcore-Band so üblich ist bzw. so sein sollte, haben sich die 3 Franzosen für das, was sie da erreicht haben, jahrelang den Arsch abgeschuftet und Europa bis in den letzten Winkel abgegrast. Und dieses Herzblut spiegelt sich auch in der Live-Performance wieder. Das Ganze ist einfach nur intensiv bis zum letzten. Zwar ist mir die Musik stellenweise zu vertrackt und chaotisch, aber ins Deathwish-Raster könnte es kaum besser passen. In Pressetexten werden sie irgendwo zwischen Cursed, Kylesa und Modern Life is War. Ich denke, das greift ganz gut. Vor allem Cursed-Fans dürften bei Songs wie „Among the Ashes“ oder „Colossus“ voll auf ihre Kosten kommen. Der Platz vor der Bühne ist jetzt etwas dichter gefüllt als zuvor bei O’Brother und ab und an kommt ein kleiner Pogo zustande. Soundmässig klingt das immer noch recht matschig, viele Feinheiten und Melodien gehen leider etwas unter. BIRDS IN ROW geben alles und triefen vor Schweiss. Die Band wird bald ein neues Album namens „You, Me & the Violence“ auf Deathwish veröffentlichen. Man kann es bereits preordern. Spätestens zu diesem Anlass sollte man dann mal anfangen, sich mit dieser Truppe zu befassen.

Nach diesem guten Aufwärmprogramm warten die Leute jetzt sehnsüchtig auf den Auftritt von TOUCHE AMORE. Im Frühjahr war die Band ja abseits der kleinen, nicht abgesperrten Bühnen mit Rise Against und den Architects auf Europa-Tour. Kann man sich drüber streiten. Vor etwas mehr als einem Jahr war die Tour mit La Dispute und Death is not Glamorous an vielen Orten ausverkauft. Das ist heute in Wiesbaden nicht der Fall, der Laden ist aber gut gefüllt (man ist ja dann doch froh wenn man noch ein bisschen Bewegungsfreiheit hat) und verspricht eine intime Show. Kurzes Intro von der Platte abgespielt, dann geht es mit „The Great Repetition“ gleich auf 180. Eine Menge Stagedives, und mitgesungen wird sowieso. Da der gewöhnliche TOUCHE AMORE Song ja nicht länger als 2 Minuten ist, kann die Band locker um die 20 ihrer Stücke zum Besten geben. Darunter die Großteile der beiden Alben (mit einer leichten Überbetonung von „Parting the Sea Between Brightness an Me“), aber auch „I’ll Get My Just Deserve“ von der Split mit La Dispute und zwei neue Songs namens „Whale Belly“ und „C-Beat“. Warum diese von einigen Fans schon korrekt mitgesungen werden können, ist mir ein Rätsel. Auf die Aufforderung „Keep coming back!“ aus dem Publikum reagiert Jeremy jedenfalls äußerst erfreut. „We will“. Und dann erwähnt er ganz beiläufig, dass vor wenigen Minuten bestätigt wurde, dass TOUCHE AMORE noch Ende dieses Jahres mit Converge auf Europa-Tour sein werden (weitere Support-Bands sind A Storm of Light und The Secret). Freundlicherweise versorgt Bolm die abgehenden Massen immer wieder mit kaltem Wasser, was gerade im letzten Drittel des Sets fast schon von Nöten ist. Zum Ende packt der Fünfer nochmal ein paar der besten Songs aus. Bei „Honest Sleep“ schreit Jeremy die letzten Zeilen ins Publikum, während er an einer der Querstangen inmitten der Räucherkammer hängt. Gut, dass er wahrscheinlich nicht mehr als 70 Kilo wiegt. „Amends“ ist dann einfach der Song, der ein TOUCHE AMORE Set beenden MUSS, genau wie er das neue Album beendet. Nach fast einer Dreiviertelstunde Action kann man mein T-Shirt dann auswringen. Ein Abend, der sich gelohnt hat.