21.08.2011: Strung Out, The Freeze - Bei Chez Heinz, Hannover

21.08.2011
 

 





50 Jahre Bandgeschichte auf einen Schlag. Das halbe Jahrhundert teilen sich am schwülen Sonntagabend jedoch gerade mal zwei Bands aus den USA, die zwischen Festivalwahnsinn und „Tour ´Til You Die“ Zeit – aber vor allem Bock – für eine heimelige Clubshow gefunden haben. Linke Coast versus rechte Coast, Boston versus L.A.

Ein wenig bühnenfaul, rauchbegeistert und uramerikanisch bequem wirkt er zuerst, beweist dann aber schnell, dass er sich mit dem Namen „Clif Hanger“ unbedingt schmücken darf: Trotz des ansehnlichen Alters der Bandmitglieder und dem optisch gebeutelten Frontmann leben THE FREEZE ab der ersten Sekunde nicht nur auf der Bühne, sondern bringen jeden einzelnen Setlistbeitrag wie „Warped Confessional“, „So Long Ago“ oder „Broken Bones“ dampfend und schnaufend ins Ziel. Die fünf Bostoner pfeifen auf Schicksalsschnickschnack, so funktioniert die Rhythmusgitarre auch ¾ des Sets mit 5 Saiten – und die beige Hose des Stehaufmännleins Clif wollte eh längst gewaschen werden. Ausflüge ins treue Publikum (vom Schimpfwort „Kids“ heute weit entfernt...) lohnen sich etwa ab „Princess Die“- schließlich haben THE FREEZE einiges zu erzählen und umso mehr Songs, in denen ihre Ansichten untergebracht sind. Scheinbar sogar zu viele - so dass von Bassistenseite das ein oder andere Mal aufs Griffbrett des Bandkollegen gespickt werden muss. Ein hoher und authentischer Genuss mit der garstigen Grantigkeit der alten Schule und einer Sonderbehandlung Rock´N´Roll, dass die Setlist spontan nach „This Is Boston, Not L.A.“ (heute laut Clif natürlich „This Was Boston, Not L.A.“) noch um das DEAD BOYS Cover „Calling On You“ erweitert wird. „You Better Save Your Energy, STRUNG OUT´s Up Next!“ ist die Reaktion der Band auf die gröhlend geforderte Zugabe.

Die Vorzeige-Metallerpunks aus Simi Valley schmücken bereits am Merchandisetisch alle Lücken aus, oder gehören 8 verschiedene Sticker, Bandlogo-Socken oder diverse bestickte Basecaps (allesamt zu gesunden Kursen) zum Grundinventar? Positiv geht es weiter: Nach der düster verlorenen Show in der Faust, wo die Band 2002 zuletzt enttäuschend zwischen Soundbrei und Unkontrolliertheit gastierte, skippen die Kalifornier heute überflüssige Introtöne oder lasches Äußeres und kommen mit „Too Close To See“ lieber direkt zur Sache: Von jetzt auf gleich sind Spielspaß, Versiertheit und Power ins Parkett genagelt – ein Überraschungsmoment jagt den nächsten Taktwechsel. Während ohne jegliches Mine verziehen das Dampframmen-Gekessel von Stick-Papst Jordan Burns durch „Firecracker“, Asking For The World“ oder „Bring Out Your Dead“ geleitet, schwitzt sich Jason Cruz am Mikro einen Wolf und animiert das zurückhaltende Hannover zur Enthüllung der persönlichsten Tanzmoves. Auffällig cleaner und technisch beinhe tadellos bretzeln STRUNG OUT bester Laune durch ein fast lückenloses Best-Of inklusive PANTERA-Augenzwinkern und Gniedel-Duellen, die man aus dem Hause Rob Ramos jedoch gern entgegennimmt. Ein kurzer Verschnauf-Jägermeister, dann warten mit „Mind On My Own“ oder dem SOCIAL DISTORTION-Klassiker „So Far Away“ weitere Köstlichkeiten auf. Bevor das Wochenende begraben wird, darf jedes Mitglied im Rahmen von „Solitaire“ noch mal raushängen lassen, was handwerklich seit 1992 antrainiert worden ist – auch Roadie Tommy und das neue Gesicht an der Gitarre sollen nicht zu kurz kommen. Die Stunde ist voll, das Maß an gefühlten 6 Kilo, die Schreihals Cruz während der Show in Schweißbächen verloren hat ebenfalls, doch man lässt nicht lange aufwarten, bevor die amüsante Selbstverarsche in Form von finalen Stadionsongenden und Instrumentenwechseln in die zweite Runde geht.

Wenn selbst beim nächsten Besuch das Punkrockjahrhundet voll wäre – zwischen sympathisch verkannter Gelassenheit (THE FREEZE), großen spielerischen Darbietungen (STRUNG OUT) und einem Feuerball statt Funken an Spielfreude (sowohl als auch) dürften die bösen Erinnerungen an den letzten STRUNG OUT-Hannoverstop ausradiert und die THE FREEZE-Bande im Besucherherz eingraviert sein. Punkrock wie dieser ist eben nicht wie Mickey Rourke - und auch nach all den Jahren weder hässlich noch verbraucht...