23.02.2010: War From A Harlots Mouth, Salt The Wound, A Plea For Purging, Arsonists Get All The Girls - Feierwerk München

23.02.2010
 

 

Man kann nun wahrlich nicht behaupten, dass sich die Berliner von WAR FROM A HARLOTS MOUTH in den letzten Monaten rar gemacht hätten in der bayrischen Landeshauptstadt. Erst kürzlich gaben sie hier auf der Thrash & Burn-Tour ein Gastspiel. Wenn die Jungs dann aber als Headliner anrücken, ist das Haus dennoch gut gefüllt. Von Übersättigung keine Spur. Zumal man mit SALT THE WOUND auf ihrer letzten Europa-Tour sowie den ebenfalls recht tourfreudigen ARSONISTS GET ALL THE GIRLS wahrlich keine Unbekannten im Schlepptau hat.

Den Beginn machen jedoch die christlichen Metalcoreler von A PLEA FOR PURGING, denen man immerhin für ihren ausschweifenden Mut zur Hässlichkeit Tribut zollen muss. Sänger Andy erreicht in seiner körperlichen Fülle nahezu schon die Ausmaße von MADBALL-Bassist Hoya Roc. Den Titel der bärtigsten Band des heutigen Abends ist den Jungs schon als Opener gewiss. Schade, dass sich das verwegene Auftreten nicht auf die Musik niederschlägt. Die ist nämlich größtenteils spannungsfreier Metalcore mit starker Fokussierung auf stumpfe Breakdowns, die im krassen Gegensatz zu den oftmals sehr verspielten, letztlich jedoch zu selten genutzten Gitarrenmelodien stehen. Hier macht sich eben bemerkbar, dass das Zweitwerk „Depravity“ um ein vielfaches unspannender ausgefallen ist, als sein direkter Vorgänger „A Critique Of Mind And Thought“, welches heute Abend weitaus seltener Songs zur Setlist beisteuern darf. Und selbst wenn einem auch der ausgelutschteste Breakdown noch nicht ausgelutscht genug ist, bleiben immer noch reichlich fragwürdige Interviews mit der Band, die in naher Zukuft einen heiligen Krieg im christlichen Sinne herbeischwadroniert. Einigen gefällt es dennoch (oder vielleicht gerade deshalb) und so können die fünf Jungs zwar am Ende keine Begeisterungsstürme verbuchen, aber etwas mehr als ein Höflichkeitsapplaus war dann insbesondere in den vorderen Reihen schon drin.

Eine Band, die mit ihrem Zweitwerk in meinen Ohren definitiv an Reife und Identität gewonnen hat sind SALT THE WOUND. „Ares“ zählt für mich zu den wenigen wirklich essenziellen Deathcore-Alben der letzten Jahre, was insbesondere am höchst eigenwilligen Songwriting liegt, das eben nicht stur das Ein mal Eins des Genres durchexerziert, sondern eigene Akzente setzt. Dennoch waren es dann beim Auftritt doch eher die Songs des etwas gewöhnlicheren Vorgängers „Carnal Repercussions“, die beim Publikum für Bewegung sorgen. Sänger Mat stachelt eben dieses dann auch durchgehend an und erweist sich als astreiner Sympathieträger, dem jegliche Distanz fremd zu sein scheint. Die Band spielt ihr halbstündiges Set technisch astrein, wenngleich etwas unbeweglich durch und scheint sich über die ihnen entgegengebrachte positive Energie zu freuen. Traurig, dass sich ausgerechnet diese Band, die einem solch ausgelutschten Genre noch neue Akzente abgewinnen konnte nach dieser Tour auflösen wird. So muss Deathcore live aussehen und klingen, wenngleich so einige Zuschauer es mal wieder nicht lassen können, mit ihren ohnehin schon fragwürdigen Kickbox-Einlagen auch das außenstehende Publikum zu belästigen.

Ein Problem, das sich bei den folgenden ARSONISTS GET ALL THE GIRLS noch um ein vielfaches gravierender darstellt. Sicher ist ein solches Konzert kein Kindergeburtstag und niemand hat etwas gegen einen vernünftigen Moshpit einzuwenden. Wenn es aber letztlich so aussieht, dass einige wenige Selbstdarsteller ohne Rücksicht auf Verluste mit ausgestreckten Beinen Richtung unbeteiligtem Publikum springen und dabei stellenweise so wirken, als wären Verletzungen weniger zufällig, als vielmehr intendiert, ist dies mehr als nur ärgerlich und lenkt unangenehm davon ab, dass die Vollzeitbekloppten auf der Bühne da gerade ein ziemlich ordentliches Set zusammen prügeln. Ausgestattet mit den Hits der letzten beiden Alben „The Game Of Life“ und „Portals“ gibt man sich keine Blöße und liefert eine sehr energievolle Performance. Dass nicht jeder Ton immer da sitzt, wo er sein sollte: geschenkt. Das hier ist immer noch live und wirklich zu stören scheint es eh keinen. Etwas nerviger ist da schon das penetrante Herumrotzen des Sängers insbesondere in der ersten Hälfte des recht ausführlichen Sets, das auch durchaus mal das Publikum treffen kann. Ob es an diversen bewusstseinserweiternden Substanzen lag, dass man wenig Rücksicht auf die vorderen Reihen nimmt, ist nicht sicher, aber wahrscheinlich. Gänzlich nüchtern wirkte jedenfalls keines der sich dauerhaft in Bewegung befindlichen Bandmitglieder. Sei's drum, wenn zum letzten Song reihum die Instrumente getauscht werden und Textsicherheit seitens der partizipierenden Menge demonstriert werden darf („The Game Of Life“) ist die Welt wieder in Ordnung und selbst die Ausdrucks-“Tänzer“ geben sich mal dem Gemeinschaftsgefühl hin.

Gute Voraussetzungen also für den Headliner des Abends und WAR FROM A HARLOTS MOUTH beweisen eindrucksvoll, warum sie derzeit zur Speerspitze der internationalen Hastdunichtgehört-Core-Bewegung zählen und da auch gerne noch lange bleiben dürfen. Da ich die Band heute erst zum zweiten Mal sehe und die letzte Show auch schon einige Zeit zurückliegt, kann ich jedenfalls sicher sagen, dass die Band in diesen (vermuteteten) zwei Jahren einen großen Schritt nach vorne gemacht hat, was ihre Livequalitäten angeht. Klar, tight gespielt war ihr Set schon damals, doch es mangelte ein wenig an der nötigen Energie. Ein Problem, das heute wie weggefegt wirkt. Nicht nur, dass die Jungs äußerst sympathisch rüberkommen, sie wirken auch nach wie vor sehr spontan. Wenig scheint durchgeplant, abgesehen von der Setlist, und so werden öfter mal die Bühnenseiten gewechselt, während Sänger Nico den Kontakt zum Publikum zu nahezu jeder Sekunde sucht. Dieses zeigt sich glücklicherweise etwas zivilisierter als zuvor, was angesichts der massiven Breakdowns, die die Band im Verlauf des Sets in nicht wenigen Songs auffährt durchaus als angenehme Überraschung verbucht werden kann. Die Setlist liefert im Grunde einen recht ausgewogenen Querschnitt der letzten beiden Alben, wobei natürlich ein Song wie „Uptown Girl“ nicht fehlen darf. Nach einer guten Dreiviertelstunde, einigen Circle Pits und der wohl obligatorischen Wall Of Death später schließt die Band ihr Set ohne Zugabe ab. Sehr sympathisch, zumal wohl jeder ausreichend bedient gewesen sein dürfte.

Was bleibt also? Ein grundsolider Abend mit drei guten bis hervorragenden Bands, einem verdienten Headliner und leider mal wieder zu vielen Idioten, die Shows immer noch mit dem Fight Club verwechseln.