23.06.2007: Pressure Festival - Herne - Gysenberghalle - Tag 2

23.06.2007
 

 

Samstag morgen halb elf: Wir haben Gott sei Dank Kaffee, konnten duschen und mussten die Nacht, in der es unglaublich heftig geregnet hat, nicht in einem Zelt verbringen. So sitzen wir also auf unsern Campingstühlen auf dem Parkplatz und sehen schon eine große Schlange Menschen, die sich gen Eingang drängelt. Nun gut, es sollte ja auch in um halb zwei weitergehen mit NASTY. Als aber dann um halb eins die Schlange nicht größer, sondern länger wird, machen wir uns Sorgen. Wird sich das Theater vom Vortag wiederholen? Und außerdem wollte ich NASTY, nachdem ich sie schon einmal in einer kleinen Location live gesehen hatte auch nun auf einer großen Bühne sehen. Aber schon wieder: nix da! Man hatte leider aus dem Einlassdesaster am Vortag nichts gelernt und so standen wir an...und standen an...und standen an...und verpassten NASTY wie viele andere leicht gereizte Festivalbesucher auch.

Da BRING ME THE HORIZON wegen einer Panne irgendwo auf einer Autobahn feststeckten und so nicht spielen konnten, fürchteten wir nun auch noch BLACK FRIDAY 29 zu verpassen. Doch Gott sei Dank zog man nicht einfach alle Bands in der Spielzeit weiter nach vorne, sondern machte eine längere Umbaupause. So haben wir dann auch glücklicherweise BLACK FRIDAY 29 gesehen, die nicht nur mich positiv mit ihrer Mischung aus SXE Hardcore und Newschool überrascht haben, sondern auch sehr viele andere Festivalbesucher wie ich so um mich herum heraushören konnte. BLACK FRIDAY 29 gelten seitdem auf jeden Fall zu einem vielversprechenden deutschen Nachwuchs der Szene.

Bei 6FT DITCH haben wir uns dann auf die Tribüne verkrümelt, denn dieser Bollokrams ist nicht mein Ding. Und von oben sah das Ganze doch sehr beeindruckend aus. Ich konnte zwischenzeitlich bis zu vier große Pits ausmachen in denen sich die Mosher und Bollos auslassen konnten – wie immer auch unter negativen Konsequenzen für unbeteiligte im Publikum. Aber ich hatte das Gefühl, es war alles ein wenig regulierter als letztes Jahr und wer unten in der Nähe der Pits standen, der wollte da zu meist auch stehen und wusste um die „Gefahren“. Ansonsten waren 6FT DITCH aber doch etwas gelangweilt auf der Bühne und fast taten sie mir leid, weil kaum einer auf die Band achtete, sondern entweder mit Moshen beschäftigt war oder damit, sich vor den Moshern zu schützen. Ich finde, da passt der Begriff „Hintergrundmusik“ sehr gut, denn die Bühnenshow war zweitrangig. Musikalisch ist dieser anspruchslose Beatdown überhaupt nicht mein Fall: mit Liedern, die so 1-2 Minuten lang sind und sich fast alle gleich anhören. Geschmacksache eben.

Bei CASEY JONES gestaltet sich das Ganze schon anders! Ich kannte die band nicht und bin ja vor lauter Begeisterung fast vom Hocker gefallen. Abgesehen von einer sehr energetischen Bühneshow sprang der Funke so derbe auf das Publikum über, dass schon um nachmittägliche Uhrzeit die halbe Halle in einen wogenden Hexenkessel verwandelt wurde. Als ich später erfahren habe, dass die Combo aus ehemaligen EVERGREEN TERRACE Mitgliedern und immer-noch-Gitarrist Joshuah James besteht, hat es mich aber rückblickend auch nicht gewundert, dass CASEY JONES unter anderem die Band des Tages war und zu begeistern wusste.

Bei SETTLE THE SCORE hat es mich leider nur ein paar Songs in der Halle gehalten, da auch ich ab und an Frischluft und Nahrung aufnehmen muss – besonders in angesichts der Tatsache, dass nach SETTLE THE SCORE nur noch Hammerbands am laufenden Bande kamen.

THE WARRIORS zum Beispiel, die einerseits frenetisch gefeiert wurden mit ihrer besonderen, einzigartigen Art von Hardcore, geprägt von SXE-Attitüde und der unverwechselbaren Stimme von Sänger Marshall, die ja oft mit der von Zac de la Rocha verglichen wird. Die Show war gut und viele gingen zur Musik auch gut ab, aber irgendwie hatte ich mir noch etwas mehr Energie erwartet, noch ein wenig mehr Besonderheit, und vor allem besseren Sound. Vielleicht ging deshalb ein wenig das absolute Maximum-Glücksgefühl bei der Performance verloren.

Nichtsdestotrotz haben THE WARRIORS ihre Position als Mit-Highlight des Tages nicht ganz verloren. Gleich ging’s weiter mit PARKWAY DRIVE, der bis zum Himmel hochgelobten und beliebten Band, von der man auf dem Festival fast unzählige Männer wie Frauen mit Shirts der Band umherlaufen sah. Die Band ist in, das steht fest. Ich selber bin nicht so der PWD-Fan, weil mir ihre Mukke zu sehr nach Abklatsch klingt und auch ein wenig zu langweilig anmutet. Gegen ihre Show kann man dennoch auch hier wieder nichts sagen. Die Metalcore-Freaks hatten jetzt Tanzstunde, die Mosher Pause oder sie kamen nur zu den Moshparts kurz in den Pit gestürmt.

Von Metalcore wieder zurück zu Hardcore mit HAVE HEART, auf die ich besonders gespannt war. Ich hätte auch nicht gedacht, dass die Oldschoolband mitten im Pott so gut ankommt, weil ich da schon die ein oder andere Story gehört hatte, dass HAVE HEART es im Pott relativ schwer gehabt zu haben scheint. Doch davon war heute nichts zu spüren! Die Menschen krabbelten übereinander um mit Frontmann Patrick Flinn das Mikrofon zu teilen, Schweiß floss, Körper wurden umhergetragen, man „pogte“ gemeinschaftlich, fast ohne Kickbox-Moshen. Ein Fest für die Augen und nicht nur die Band war augenscheinlich zufrieden.

Weiter im Programm mit ALL OUT WAR, die ich leider nicht sehen konnte, weil ich ein Interview führen musste, also ein kurzer Bericht aus zweiter Hand: sie sollen wohl sehr gut gewesen sein, überzeugend und musikalisch brillant und für einige auch wieder Band des Tages. Man kann jetzt noch mal zurückschauen im Review und sehen, dass dieser Titel schon öfter viel. Und genau diese Tatsache spricht dafür, wie gut das Line Up des diesjährigen Pressure gewesen ist! Und es war ja noch nicht zu Ende.

Weiter im Text mit UNEARTH. Was soll man zu dieser Band eigentlich auch noch groß sagen. Sie sind wahre Meister des Entertainment, auch wenn ich sie in kleineren Clubs auf reinen Konzerten und nicht Festivals noch mehr Unsinn habe anstellen sehen (wie auf die Theke klettern, Bierbong-Trinken beim Gitarrespielen, Schlagzeug-Jumps etc.) als an diesem Abend. Nun gut, das lag ja auch an der Lokalität. Nichtsdestotrotz ließen sie nichts an Energie und Spielfreude vermissen und wussten wie immer gekonnt das Publikum anzuheizen. Musikalisch wie immer auch ganz großes Kino und sie hatten Gott sei Dank auch den entsprechenden Sound – der zum Beispiel bei PARKWAY DRIVE nicht ganz so gut gelungen war.

Das Highlight und Schlusslicht des Abends bildeten dann die Erfinder des Hardcore-Tainment: SICK OF IT ALL. Die alten Hasen des Business wissen wie es geht, da macht ihnen keiner was vor. Wer einmal einen kleinen Einblick haben möchte, was bei SOIA in der Gysenberghalle los war, der soll doch einfach mal „Sick Of It All 4way pit“ bei Youtube eingeben und sich ein Bild verschaffen. Überall verschwitzte Menschen, die bei den ganzen Klassikern des HC kaum an sich halten konnten und Circlepits starteten, die durch die ganze Halle von vorne bis hinten gingen. Ein krönendes Highlight für einen Samstagabend und wohlige Wiegenlieder für uns müde Besucher. Denn so ein Tag kann ganz schön lang sein. Besonders auch wenn die Nächte nicht so lang sind, wie sie sollten. An dieser Stelle ein Dank und einen schönen Gruß an unsere dänischen und englischen Parkplatz/Zeltnachbarn für die sehr laute Nacht und für den Anblick eines nackten Engländers auf unserm Wohnmobil.

Bilder:

Sick Of It All
Unearth
All Out War
Have Heart
Parkway Drive
The Warriors
Settle The Score
Casey Jones
Six Ft. Ditch
Black Friday 29
Nasty