23. und 24.01.2015: Noizgate Festival - Bielefeld, Falkendom

24.01.2015
 

 

NOIZGATE Festival | Lautstärke ist das Argument!


Am Freitag, 23. Januar, startete in Bielefeld das NOIZGATE Festival mit MAJOR ERD, STORAGE5, WATCH OUT STAMPEDE und KORODED. Samstag ging es dann direkt weiter mit SECONDS TO THE END, GREY SEASON, 5FT HIGH & RISING, SOULBOUND, LEONS MASSACRE, CYRCUS und PLACENTA.

Die Rahmenbedingungen für dieses Festival waren äußerst gut, faire Eintritts- und Getränkepreise, günstiges Merch und mit dem Falkendom konnte eine optimale Location für das Festival, das gleichzeitig auch als Releaseparty des zweiten Brutal Vision Samplers des Bielefelder Labels Noizgate Records diente, präsentiert werden. Auch die Bandzusammenstellung versprach Härte, Abwechslung, Können und viel Spaß. Nur leider sind viele musikinteressierten Bielefelder Metalheads an diesem Wochenende lieber mit ihrem Arsch zu Hause geblieben! Denn die Zuschauerresonanz war gerade am Freitag nicht angemessen zur gebotenen Leistung, am Samstag krochen etwas mehr aus ihrem Löchern und letztlich sind alle die belohnt worden, die den Weg in den Falkendom fanden.

Die nicht gerade leichte Aufgabe des Festival-Openers gebührte den Bielefeldern MAJOR ERD, die eigentlich so gar nicht in dieses Billing passten, aber gerade dadurch ohne Scheuklappen zu überzeugen wussten. Tight wie ein gut geöltes Uhrwerk zockte sich das Quartett durch ihre futuristisch angehauchte Verneigung vor der Neuen Deutschen Welle und vor allem die intensive Performance ihres Sängers hinterließ Funken. Die Band setzt sich beharrlich in eine musikalische Nische und tobt sich mit gut durchdachten Songstrukturen, die homogen hektisch auf den Punkt inklusive mitnehmenden Refrains zielen, aus. Beifall! Dann kamen die Bielefelder STORAGE5 und der Name ihres Albums „Fines Garage Noise“ wurde zum Programm. Getragen wird dieser durch die rockig individualisierbare Stimme ihres Sängers Oleg, der sich förmlich in die Chorusse legt, diese atmet und als legitimer Nachfolger Joe Cockers bezeichnet wurde. Hinzu kommt ein unbändiger Groove, der von hart zupackenden Gitarren einzementiert wurde. Die Band bezeichnet ihren Stil mit „Moderner Hardrock mit einem Touch Metal und einer Prise Pop“, wobei nie der Weichspüler, sondern immer das Harte Pulver in die Maschine gestreut wurde. Die Band kommt ohne irgendwelchen Ablenkungsschnickschnack aus, sondern konzentriert sich einzig und allein auf ihre Songs. Auf ihre verdammt fetten und in die Knie zwingenden Songs. Beifall! WATCH OUT STAMPEDE aus Bremen wirkten dagegen zwar aufgesetzt, das aber gekonnt. Ihre Performance sollte sich als eine Einheit aus mosh- und breakdownlastigem modern Metalcore (sie selber sehen sich in der Post-Hardcore Ecke) und Unterhaltung herauskristallisieren, die sich zu Beginn des Sets noch als etwas distanziert zum Publikum, später jedoch als vollumfänglicher Genuss entwickelte. Der etwas ausufernde „wir müssen zwischen den Songs etwas cooles Sagen“ Dialog zwischen Shouter Ando und Klarsänger/Gitarrist Dennis harmonierte während der Tracks des Debüts „Reacher“ ausgesprochen gut, das Gegenüberstellen von hart und zart funktioniert anno 2015 immer noch und natürlich kamen dann noch die zelebrierten tonnenschweren Bombeneinschläge, bei denen einem die Gehirnmasse aus der Rübe gebangt wird. Beifall! Headliner des Abends waren die Aachener/Dürener/Kölner KORODED, die mit ihrem fulminantem letzten Album „Dantalion“ im Rücken die Bühne zerlegten. Neu-Fronter (naja, ok, so richtig neu ist er mittlerweile auch nicht mehr…) Kevin passt mit seinem stimmlichen Facettenreichtum wie die Faust aufs Auge zum anspruchsvollen modern Riff-Gewitter des Quintetts, dass sich immer wieder in cleanen Gesangsparts entlädt und von Drumtier Ben nach vorne gepeitscht wird. Der progressiv apokalyptische Sound ist sicherlich nichts für seichte Gemüter, aber wer sich auf die Einschläge einlässt, kann auf einer Welle tief in den Ozean der gnadenlos zerstörenden musikalischen Kraft reiten. Beifall!

Den zweiten Festivaltag eröffneten die Bielefelder SECONDS TO THE END, die als hoffnungsvolle Newcomer tituliert wurden. Und dass sie technisch was Können und auch ihren modernen, breakdownlastigen Deathcore leben, konnte sofort gespürt werden. Die junge Band agierte zu Beginn etwas verhalten und fand nicht den Zugang zum Publikum. Aber nach und nach legten sie ihre Nervosität ab und genossen ihren Auftritt, der noch durch viele weitere Gigs verfeinert werden wird. Den Songs fehlen sowohl etwas die eigene Note als auch der rote Faden, aber mir wurde versichert, dass es auf den zurzeit in Arbeit befindlichen Stücken deutlich ausgereifter zur Sache geht. Die Zukunft scheint grün bei der talentierten Band und ich freue mich jetzt schon auf ein baldiges Wiedersehen. Beifall! Dann kamen GREY SEASON und in Dormagen scheint die Welt unterzugehen. Der an moshig zugänglichere CULT OF LUNA erinnernde apokalyptische Sound wird von einer zerbrechlich morbiden Stimmung getragen und mündet immer wieder in tonnenschwere Riff-Salven, die das Blut zum Kochen bringen. Serviert wird das Ganze von einem hervorragenden Sänger, der den Spannungsbogen innerhalb der Songs abrundet. Die Tracks vom neu aufgelegten Debüt „Septem“ wissen schon zu überzeugen, aber an diesem Abend vorgestellten neuen Tracks offenbaren, dass diese Band sowohl auf die Nachvollziehbarkeit als auch auf ausufernde Songstrukturen sowie auf das Wildern in diversen Genres setzt und Beides unter einen Hut zu bringen vermag. Es erwartet uns ganz großes progressiv-Kino und bei allem Respekt vor den superben Bands auf diesem Festival waren GREY SEASON für mich das ultimative Highlight! Beifall! Dann wurde mit 5FT HIGH & RISING die niedersächsische Hauptstadt ins Rennen geschickt und ich musste vom Fleck weg an UNDEROATH denken. Ein singender Drummer und ein shoutender Hüne waren vordergründig, in der Hinterhand steckt auch bei jungen Hannoveranern der moshlastige Hardcore moderner Prägung, der auch mal Post und mal griffig sein kann. Auch diese Band stellt ausladende Melodien gegen hartes Brett, sucht dabei aber noch nach ihrer ureigenen Note und macht dabei mit einem sehr guten Sänger hinter dem Schlagzeug einen positiven Eindruck. Beifall! Die „heimlichen“ Headliner SOULBOUND können sich in ihrer Heimat Bielefeld auf Stammgäste verlassen und so war dieser Auftritt der enthusiastischst Aufgenommenste an beiden Tagen. Das mag auch daran liegen, dass die Band über das abwechslungsreichste Songmaterial und die originärste Metalkante verfügen und somit einige Musikgeschmäcker abfischen. Zum Anderen liegt es natürlich an den hervorragenden Songs, die diese Band im Repertoire hat. Stellvertretend seien hier „Halloween“ und „Towards The Sun“ genannt, die von einem wie immer glänzen aufgelegten Johnny Soulbound gereicht wurden. Die Fans der Band vor der Bühne feierten und ließen sich auch von neuen Songs des kommenden Albums verwöhnen, für dessen Entstehen eine Crowdfunding-Aktion ins Leben gerufen wurde. Auffällig war bei diesen, dass sie sich sofort im Ohr festsetzten aber auch mit dem harsch modernen Neo-Thrash-Brett ausgestattet wurden. Beifall! LEONS MASSACRE aus Graz waren extra wegen des Festivals angereist und hatten unterwegs auch noch eine Autopanne, so dass sie einem schon etwas aufgrund der etwas verhaltenen Resonanz durch die Zuschauer leidtun konnten. Aber sie machten das Beste daraus und spielten sich den Frust von der Seele. Frischen Wind in den Abend brachten die diversen Rap-Einlagen des Frontmanns (die das Songmaterial in die Nu-Metal Ecke schoben), der auch freishoutig singen und singend shouten kann und immer wieder versuchte, das Publikum mitzureißen. Auch diese Band ist technisch so unglaublich gut, dass sich bezüglich der Zukunft brutal guter Musik nach diesem Auftritt keine Sorgen mehr gemacht werden muss. Beifall! Eine weitere Überraschung (streng subjektiv) waren CYRCUS aus Heinsberg, die optisch durch schwarze Hemden corporate identity demonstrierten und neben der Musik auch viel Wert auf den Unterhaltungscharakter („Andere Bands haben Eier. CYRCUS haben ein ganzes Huhn!!!“) und den Interaktivakt mit den Zuschauern legten. Sänger Jan und der Riese Sigh am Bass sind sofort Sympathieträger, aber auch der Rest der Band legt sich mächtig ins Zeug, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Die Mucke erinnerte mich ein wenig an SEVENGED AVENFOLD (Jan könnte sich als legitimer Eventuellnachfolger von M. Shadows bewerben…), da sie diverse Stile umschließt und diese auch etwas ausreizt. Aber auch sie ließen es sich nicht nehmen, mit abgrundtiefen Breakdowns und fetten Moshparts die Meute wachzurütteln. Da sie auch noch perfekt eingespielt sind und über eine sehr professionelle, aber nie aufgesetzte Darbietung verfügen, darf von CYRCUS noch Einiges erwartet werden. Den ersten PLACENTA Gig habe ich 2011 erleben dürfen und es ist erstaunlich, wie stark die Berliner live geworden sind. Ihre Musik ist schon ein unglaubliches Stück Aggression, aber jetzt haben sie die musikalische Andersartigkeit auch auf die Bühne transportieren können. Angetrieben vom unglaublichen Tobi am Schlagzeug, der mal wieder eine Lehrstunde an seinem Instrument vollführte, schossen sich die Berserker wie hungrige Wölfe durch eine Meute von blutenden Schafen. Die Songs strotzen vor Brutalität und hakenschlagenden Wendungen, es hagelt Riffgewichse, beinharte Blasts und zarten Melodiebögen. Natürlich steht Sänger Sven mit seinem sparsamen, aber immer leicht schräg wirkendem und nach Heilanstalt riechendem Stageacting im Vordergrund. Aber ein echter Hingucker ist ihr neuer Bassist Axel, der wie ein Relikt des Haarspray-Metals der 80er aussieht und immer wieder den Kontakt mit Sven sucht, ihn findet und ihn zelebriert. Musikalisch sind die Jungs einfach eine Bank, so tight, so fett und so zerdrückend agierte keine Band an diesem Wochenende und ihr moderner Metal ist absolut eigenständig und wegweisend. Beifall!

Alles in allem war es eine richtig geiles Festival mit richtig geilen Bands, die durch die Bank spielerisch auf einem ganz hohem Niveau zocken und eine viel höhere Resonanz verdient gehabt hätten. Das Festival zeigte aber auch, was für eine gute Arbeit das kleine Noizgate Records Label in den letzten Jahren absolvierte und es bleibt zu hoffen, dass noch einige erfolgreiche Jahre kommen werden. Beifall!