25.04.2012: Anti-Flag, Red City Radio, Hostage Calm - Tower, Bremen

25.04.2012
 

 



Bremen liegt taktisch klug auf der Landkarte: Ziemlich mittig zwischen Groezrock und Monster Bash Festival schreit die Heimat der grünen Bierflaschen geradezu nach einem Club-Stop der eingeflogenen Sprintertouristen. Nirgendwo schwitzt es sich letztlich schöner als inmitten von bloß ein paar hundert im Moshpit geduschter und das Bergfest zelebrierender Menschen, die zusammen mit dreizehn bemühten Amerikanern ein dickes rotes Häkchen hinter diesen Mittwochabend setzen.


„This song is a fuckin´ fast one“ Na gut Chris, dann bitte bloß nicht die obligatorische „Circle Pit“-Aufforderung vergessen... Danke auch! HOSTAGE CALM spielen aalglatt und bewusst – auch live funktionieren die Kanten und Ecken in abwechslungsreichen und aussagekräftigen Songs wie dem großartigen „The „M“ Word“ oder „Ballots/Stones“ – welches die Band aus Connecticut energisch und positiv durch die Reihen des ausverkauften Towers schleudert. Deutlich und differenziert – der zierliche Club punktet mit einem vorbildlichen Livesound, der die Freude am Set von HOSTAGE CALM gegenüber den zittrigen (technisch bedingten) Vocal-Aussetzern überragen lässt.

Die Technik haben RED CITY RADIO heute ebenso wenig weit oben in der Freundesliste: Schon während dem einschleichenden „An Introduction Of Sorts“ haken Kabel und Nerven bei Sänger und Hutträger Garrett – werden jedoch schnell von den vierstimmigen „Grizzly Pop“– Chören während „I´m Well, You´re Poison“ oder „50th & Western“ befreit. Zuspruch für ihre Debütplatte „The Dangers Of Standing Still“ bekommt die Band genug – der Bühnenbeweis wird heute erneut mit reichlich Würde und meisterhaftem Punch aus der Hinterhand erbracht. Wie anders sollten Zeilen á la „The System It Wasn´t Designed For Us...“ oder „We Can Make This World A Better Place You And I...“ auch aus feier- und bühnenwütigen Kehlen mit jeder Menge Tresentraining klingen? Man munkelt den Jungs aus Oklahoma City schon den heimlichen Headlinerposten nach, als sie sich galant mit „Nathaniel Martinez“ verabschieden – und zwar so, wie es ihrer Art am vertrautesten ist: „Ooohohhhohhooohh, ohhh-ohhh-ohhh...“


Schon während des Support-Sets verliefen sich festivalerprobte „Die For Your Government“- Chöre im überfüllten Venue, jetzt dürfen sich die Parolen, Devisen und Schlachtrufe dem Zersetzen der Stimmbänder annehmen: Ein (stets) galant gekleideter Chris #2, der schmale Justin Sane, Grinsebacke Pat Thetic und der unscheinbare Chris Head wirken fast etwas nervös - so richtig möchte man ihnen die Freude über die kleine Bühne und die intime Protestparty nicht abkaufen. Mit „The Project For A New American Century“ eröffnen ANTI-FLAG und übernehmen gewohnt schnell das Zepter. Die wunderbare Quäkestimme Sanes und der keifende Backgroundgesang von Chris #2 preschen im gemütlichen Rahmen um so dringlicher, während „The Economy Is Suffering, Let It Die“, „Turncoat“ oder „A New Kind Of Army“ genauso den perfekten Schnitt durch die bald volljährige Diskographie der Pittsburgher machen, wie „Fuck Police Brutaliy“, „One Trillion Dollars“ oder das aktuelle „The Neoliberal Anthem“.



Die „Hi-Five-Wall-Of-Death“ statt dem doofen „punching slamdance“ und jede Menge Mitklatschmomente machen ANTI-FLAG und ihre Livequalitäten komplett. Und wenn neben „911 For Peace“ auch „Broken Bones“ auf der Setliste steht, will sich Sänger Justin auch bloß kurz und knapp über die blutende Wunde an seinem Kopf beschweren - verursacht durch ein umgetretenes Mikrofon. Willkommen zurück auf der Clubbühne, Justin! Chris #2 stellt sich der Meute lieber widerstandslos und wirft zuerst seinen Bass, dann sich selber durch den halben Raum. Natürlich soll auch jedes Ohr wissen, worum es geht, wenn alle zusammen dem „New Sound“ frönen: Sexismus, Rassismus oder Homophobie haben nirgends auf der Welt etwas verloren – soviel stellen ANTI-FLAG auch außerhalb ihrer knapp 75-minütigen Liveshow offen sicher. Heute Abend wird allerdings mindestens so gewichtig gefeiert wie protestiert, daran halten die vier Politpunks fest. „You Gotta Die, Gotta Die, Gotta Die For Your Government...“ Ach ja, da war ja noch das „hallen- und festivalerprobte“, bevor Chris #2 die logische Erklärung mit dem Ende und der Wurst verliest.
ANTI-FLAG und ihre musikalisch erhobene Faust in der Wohnzimmerfassung wühlen sich heute deutlich tiefer ins Gemüt und sorgen so für die willkommene „Extrawurst“ - als (natürlich politisch korrekter) Nachtsnack nach einem überdurchschnittlichen Bergfest.