26.10.2011: And So I Watch You From Afar, Antlered Man - Köln - Underground

26.10.2011
 

 

„Don’t waste time doing things you hate“ ist ein derartig idealistischer und gleichzeitig aufwühlender Satz, dass man sich nur unentschlossen ins eigene Fleisch beißen will. So viel Einfachheit über die man sich aufregen will, so von wegen, so einfach sind die Dinge im Leben nicht - aber doch so viel, was einen irgendwo anspricht und dem man recht geben will.

Da wundert es nicht, dass dieser Satz ausgerechnet von AND SO I WATCH YOU FROM AFAR, den ungekrönten, da völlig aus der Reihe tanzenden Königen des (Obacht, vermeintliches Schimpfwort) Postrock kommt. Die wissen ja auch was gut für sie ist, und denken sich: Wenn ich jetzt keinen Bock auf noch mehr Spannungsbögen-Schwebe-Pathos hab, wieso dann nicht einfach alles an die Decke Frickeln und durch böse Effektpedale jagen, die ja eigentlich nur für die Noise-Fraktion bestimmt sind? Wieso nicht einfach mal mitten im Song laut aufschreien, wenn’s grad gut tun würde? Warum nicht Stiere mit Kaffeetassen oder Fische mit Spinnenbeinen aufs Cover – sind doch dufte?!

Und auf Shows, da müssen wir nicht lange drüber reden, da gelten ja eh seit Dekaden sämtliche Regeln als außer Kraft gesetzt, und auch AND SO I WATCH YOU FROM AFAR wissen: Wie inkonsequent wäre das denn, wenn nicht ausgerechnet hier diese Verspieltheit weiter ausgelebt werden würde? In Köln an diesem Mittwoch war das natürlich nicht anders. Postrock, der in Moshpits funktioniert – gibt’s nicht oft. Man muss aber auch sagen, dass die Band mit ihrem Publikum gut weggekommen ist: Voller Laden, und bei der Frage wer denn die Band schon alles live gesehen hätte meldet sich über die Hälfte. Und wenn sich dann mal einer der Gitarristen beim letzten Song plötzlich in der Mitte all dieser verliebten Menschen wiederfindet, dann darf er auch mal sehen wie sich alle nur für den Moment kollektiv hinsetzen – wobei das in dem Moment eher wie niederknien wirkte. Ach und mitgesungen wurde selbstredend auch – bei „7 Billion People All Alive At Once“, dem einzigen Song der Band mit sowas wie Gesang (also in Form von lautstarken „Ba-ba“s)

Ausrasten im Sinne von irgendwo rumklettern, irgendwas kaputt machen oder anderweitig verrückt sein a la THE CHARIOT haben AND SO I WATCH YOU FROM AFAR dabei gar nicht nötig, THE CHARIOT und ihre wahnsinnigen Auftritte in allen Ehren. AND SO I WATCH YOU FROM AFAR wären dafür ja eh auch viel zu schüchtern und viel zu lieb. Die Bewegung ist selbstverständlich auf der Bühne gegeben, hier ist nichts statisch – nur liegen die Gesten eher im Kleinen. Und das passt schon so perfekt! Ach und: Gab’s auf einer Show einer fast rein instrumentalen Band jemals derartig viele „Woooohooo!“s und „Aiaiai!“s? Aber auch im vergleichsweise Stillen weiß die Band zu bewegen, und darin liegt wohl auch ihr Erfolgsrezept (wenn man denn von einem sprechen will): Der Spagat zwischen überrennender Energie und berührender Feinmotorik. „The Voiceless“ bot da natürlich somit einen mächtig aufwühlenden Abschluss nach so schweißtreibenden Stücken wie „Search:Party:Animal“ oder „Gang“, und irgendwie war alles – man kann es nicht anders formulieren – perfekt.

Gelobt wurde von der Band selbst übrigens der Support an diesen Abend in Form von ANTLERED MAN. Na gut, das machen Bands fast immer so, jeder lobt den anderen und alle glauben an eine (an diesem Abend tatsächlich gegebene) familiäre Stimmung in ihrem kleinen Club. Hier wirkte es aber zum einem glaubwürdig, weil stilistisch doch sowas wie eine Verwandtschaft nachweisbar ist und zum anderen im Vorfeld doch ne Menge geboten wurde. Weitaus noisiger ging es dabei zu, wobei vor allem der Sänger mit seiner quer auf einen Koffer gelegten Gitarre auffiel, wobei er diese bediente wie ein DJ seine Turntables und seinen Mixer. Gefühlte tausend Effekte, welche sich alle mit auf dem Koffer befanden, verband er mit Bewegungen die danach aussahen, als wäre er Chirurg und die Gitarre sein Patient (und ähnlich klang das auch, was in Noise-Breitengraden als Kompliment verstanden werden darf!). Ach und ja, einen Sänger haben sie, mit leicht hoher Stimme und eigenwilligen, aber sympathischen Auftreten. Drumherum: Eine überraschend wuchtige instrumentale Abteilung, die immer schön zwischen noisig-abgefahren und atmosphärisch-schön hin und her pendelte. Eine Vorband die es definitiv verdient hat, ein Review eines so tollen Abends zu schließen.