28-30.08.2009: Ieper Fest - Festivalgelände Ieper

30.08.2009
 

 


Freitag:

Wir starten Freitag mittags in der Nähe von Köln und müssen feststellen dass die Fahrt nach Ieper sehr langwierig ist, bereits in der Nähe von Brüssel machen uns der erste Stau zu schaffen und meine Hoffnungen Ieper rechtzeitig zum Highlight des Freitags, Down to Nothing, zu erreichen lösen sich von Kilometer zu Kilometer in Luft auf. Hatte ich mich doch so auf den Auftritt der Band aus Richmond, Virginia gefreut, die mit BANE nur für eine exklusive Show in Rosswein in Deutschland und für den Auftritt in Ieper in direkter Umgebung zu sehen ist.

Mit dem „More than Music“ Zelt hingegen findet man auf dem Ieper Hardcore Fest etwas Besonderes. Im Zelt sind Infostände von verschiedenen politischen und Tierrechtsorganisationen wie „Peta“ aufgebaut. Man kann vegane Schokoriegel kaufen und so für den Regenwald spenden. Außerdem laufen auf einer Leinwand Dokus über den DIY-Gedanken der Hardcoreszene und über Tierrechte.
Zusätzlich sind tägliche „spoken word“ Vorträge angekündigt. Eine sehr gute Idee in Zeiten in denen man merkt, wie immer wieder versucht wird Musikkultur zu kommerzialisieren und den politischen Gedanken im Hardcore in den Hintergrund zu stellen .
Leider ist es uns vergönnt das volle Line-Up zu sehen, so ist für die erste Band des Abends True Colors die heute Abend ein Heimspiel haben. Obwohl die Band auch in Deutschland regelmäßig für euphorische Stagedives und Sing-Alongs sorgt merkt man dass sie hier in Belgien zu Hause ist. Die zum stagediven ideale Marquee-Stage wird sofort von mehreren Kids geentert. Es werden Songs vom neuen Album „Rush of Hope“ zum Besten gegeben. Aber auch alte Songs der ersten LP „Focus on the Light“ werden euphorisch vom Publikum angenommen. Über allem kreist durchgehend der Straight Edge Pathos alter Youth of Today Songs.
Wir wechseln die Bühne, mein erster Eindruck, dass das gesamte Festival sehr Stagedive-freundlich ist, bestätigt sich bei der nächsten Band First Blood . Die Hauptbühne ist noch einen Tick niedriger als die im Zelt, so dass akrobatische Sprünge von der Bühne kein Problem sind. Die Band aus Kalifornien fordert das Publikum schon beim Opener von ihrem Album „Killafornia“ zu selbigen auf und langsam springen die ersten Kids in die vorderen Reihen. First Blood sind nach der frühjährlichen Show auf dem Groezrock Festival erneut auf Tour und haben sich durch ihre jahrelangen soliden Hardcore Shows eine große Hörerschaft aufgebaut. Ihr tougher metal-beeinflusster Hardcore begeistert die Menge vor der Main-Stage und bei dem S.O.I.A Cover „Just look around“ bewegen sich auch Leute die das restliche Schaffen der Band nicht zu kennen scheinen. Rundum ein solider Auftritt, der für mich auf Dauer etwas ermüdend scheint.
Daher besuchen wir erneut die „ More than Music“- Stage um uns etwas länger mit den Gebotenen zu beschäftigen. Wir sehen uns also ein Film über D.I.Y- Kultur auf der Leinwand an. Das Kino ist perfekt um, zwischen dem doch recht straffen Musikprogramm etwas Ruhe zu finden und zu entspannen, „Daumen Hoch“ für diese gebotene Möglichkeit.
Während des Essens hören und sehen wir den Melodic Death Metal / Metalcore Mix der Kanadier von Misery Signals die auf der Zeltbühne eine ordentliche Vorstellung abliefern, aber auch nichts Besonderes darstellen.
BANE sind nach der Tour mit Comeback Kid , Misery Signals ,Outbreak und Architects erneut in Europa und jeder der Bane bereits gesehen hat, weiß wie euphorisch die Shows der Band aus Worcester gefeiert werden. Nach dem kurzen Soundcheck beginnt die Band mit „Speechless“ vom Album "Give Blood" das Set und bereits beim ersten Wort wird die Bühne gestürmt und die ersten Stagedives fliegen in die Menge. Es folgt „My Therapy“ und insgesamt viel von „the Note“. In den durchweg sympathischen Ansagen von Aaron werden Down to Nothing und die anderen Bands des Abends gelobt , bevor mit „Pot Commited“ die Menge komplett ausrastet betont Aaron was für eine große Rolle Freundschaft in seinem Leben spielt. Mit „Bold and the Beautiful“ wird auch ein Song von der grad erschienenen neuen 7 Inch gespielt, bevor der Auftritt in „Swan Song“ sein gefeiertes Ende nimmt. Der Stagedive-Pegel liegt verdammt hoch und ist für mich bis dato nicht zu überbieten. Ein durchweg positiver Auftritt den viele, mich eingeschlossen, als Besten des Freitags ansehen.
Leider verpassen wir den Großteil von Architects, können aber durch die Publikumsmenge in Zelt auf eine große Beliebtheit schließen. Außerdem sind sie soundtechnisch perfekt abgemischt, daher macht es spaß ihren musikalisch einwandfreien Metalcore zu lauschen.
Nachdem mein Zeltmitbewohner sich bereits nach den Architects in den wohlverdienten Schlafsack macht, beschließe ich mir den Headliner diese Abends anzugucken. Bereits auf dem Weg aufs Festivalgelände erklingen die ersten Gitarrenriffs von Terrors Opener
„Better off without you“ und ich hab sofort wieder Lust auf die energiegeladene Show der „Bad Boys aus L.A“ ( Zitat Aaron von BANE ). Obwohl man denken sollte, dass durch die Überpräsenz der Band im Frühjahr langsam die Luft raus sein sollte werde ich nicht enttäuscht. Ich dachte bereits bei BANE, dass der Stagedive-Höhepunkt erreicht ist, doch bei Terror werde ich erneut eines besseren belehrt. Die Leute springen in den unmöglichsten Posen in die vorderen Reihen und man muss schon teilweise auf die Zähne beißen, wenn die Kids in unmittelbarer Nähe auf die Fresse fallen um danach gleich wieder aufzustehen und erneut die Bühne zu stürmen. Auch der Mitsingfaktor liegt bei Terror im Maximum, was natürlich auch an den leicht verständlichen Mitgröhl-Songs der Band liegt. Aber das macht die Band nun mal aus und so beliebt. Scott Vogel plärrt sich im Set durch die gesamte Schaffensphase der Band angefangen bei „Push it away“ endend bei „never Alone“ vom aktuellen Album. In den Ansagen der Band kann ich jedoch die ständig gleichen Phrasen erkennen die mittlerweile wirklich langweilen. Wenn man Terror dieses Jahr bereits das 4-te mal sieht, erkennt man die Monotonie hier ganz deutlich. Insgesamt ein verdammt guter Auftritt, der aber auch genauso zu erwarten war. Die Band ist und bleibt nun mal eine feste Institution im internationalen Hardcore. Zum Schluss regt Vogel noch mal die Leute an das neue TRAPPED UNDER ICE Album zu kaufen, mit denen die Band dieses Jahr bereits auf großer Europatour war. Ich kann dem nur beipflichten und verabschiede mich nach „Keep your mouth shut“ in meinen wohlverdienten Schlaf.

Samstag:

Den Opener des heutigen Tages Balance, verpassen wir leider. Schade eigentlich, hatte man mir den angepissten Straight Edge-Sound der Band, noch am vorigen Abend schmackhaft gemacht. Später erfahre ich dass die Band auch schon so früh am Morgen einige Leute vor die Bühne bewegen kann.
Wir kommen rechtzeitig zur zweiten Band des Tages auf der Zeltbühne an.
Als erstes ist mit Julith Krishun Mathcore aus dem Heimatland angesagt und diesen bringen die Jungs auch rüber. Technisch anspruchsvolle, schnelle Gitarrenparts wechseln sich mit sludgigen, eher hypnotischen Passagen ab. Diese Mischung erinnert recht stark an Curl up and Die. Da das Ganze jedoch von neuen Ideen geprägt ist, überzeuen Julith Krishun auf jeden Fall, auch wenn die Gitarren und vor allem die Screams des Sängers, die immer leiser rüberkommen, etwas lauter sein könnten.
Als nächstes spielen Oathbreaker, und zwar auf der Mainstage im Freien. Die Sängerin der Band braucht sich meiner Meinung nach nicht vor der Konkurrenz zu verstecken, die Screams sind laut und gut, jedoch könnten die Ansagen zwischen den Songs etwas üppiger und vor allem auf Englisch sein. Aber sonst ist die Performance auch musikalisch gut gelungen.
Mit dem Tourpartner von Julith Krishun, Suckinim Baenaim, einer israelischen (und übrigens auch die erste israelische Band auf dem Ieperfest) Mathcoreband, geht es im Zelt weiter. Zunächst optisch auffällig, da der Sänger weder Hose noch Schuhe trägt, sondern sich mit Shorts und Socken begnügt, legt die Band einen Auftritt hin, der ebenso spastisch anmutet wie die Musik selbst. So tanzt der Bassist mit seinem Instrument und auch mal mit seinen Bandkollegen, während der Sänger dem Publikum sein Hinterteil präsentiert. Im Gegensatz zur mentalen Gesundheit der Instrumentalisten ist ihr Können an Gitarre, Bass und Drums makellos, ein kleines Manko sind bloß die oft zu leisen Vocals, was nicht zuletzt daran liegt, dass der Sänger die Nähe zum Mikrofon offensichtlich scheut.
Wir finden uns rechtzeitig zu Deal With it an der Hauptbühne wieder. Die Band aus England hat sich mit ihrem Cro- Mags affinen Sound und den ständigen Besuchen in Belgien, den Niederlanden und Deutschland eine mittlerweile sehr ordentliche Anhängerschaft aufbauen können. Mit dem Song „War against the machines“ vom aktuellen Album „End Time Prophecies“ beginnt das Set und sofort kann man ein Dutzend textsichere Zuschauer erspähen. Der Band kann man ihren Spaß durchaus anerkennen. Immer wieder kommt der Frontmann vor die Bühne nimmt Leute in den Schwitzkasten oder plärrt zusammen mit den vorderen Reihen die Lyrics ins Mikro. Beim obligatorischen Cro-Mags Cover „World Peace“ rasten dann auch die vorher etwas ruhigeren hinteren Reihen aus, so dass erste Staubwolken vor der Bühne entstehen können. Die Band spielt auch ältere Songs von ihrer ersten EP, die erstaunlich viele Leute zu kennen scheinen. Ein durchaus gelungener Auftritt der Lust auf mehr macht.
Danach machen wir uns wieder auf den Weg zur Marquee-Stage in der die Gold Kids bereits mit dem Soundcheck begonnen haben. Mir hatte die Band bereits schon sehr gut auf der Tour letzten Jahres mit MORE THAN LIFE gefallen und sie sind nun mit Lewd Acts zurück in Europa . Der depressive Sound der Band scheint aber nicht jedem im Pubklikum zu gefallen, so dass sehr wenig vor der Bühne los ist. Vollkommen zu Unrecht bekommt die Band aus Calgiari viel zu wenig Resonanz. Das Set geht quer durch ihre erste EP und ihr aktuelles Album „the Sound of Breaking Up“. Die doch sehr raue Stimme von Frontmann Andre’ hält aber viele Leute vom Mitsingen ab. Insgesamt ein guter Auftritt der Band mit viel zu wenig Bewegung bei den Kids im Publikum. Hinzu ist der Sound im Zelt bei weitem nicht so gut wie auf der Hauptbühne, was vielen Bands einfach zu Schaden kommt.
Als nächstes spielt The Effort auf der Open-Air Bühne. Die Band wird vielen Ortes schon als die neuen HAVE HEART bezeichnet. Ich würde sie aber wegen ihres grundsätzlichen politischen Inhalts mit VERSE vergleichen. Die langen Ansagen von Sänger Tony begeistern mich auch hier in Ieper. Zwischen den Songs gibt es immer wieder Ansagen über Straight Edge, Veganismus und wie ihn Leute aufregen die die Message im Hadcore neben der Musik nicht verstehen. Dieser Aussage kann der Großteil des Publikums nur beipflichten und es entsteht viel Bewegung vor der Bühne bei Songs wie „the Price of Medication“ und „and to Think“. Die Band lässt den Großteil des Sets ihrem aktuellem Album„Iconoclasm“ zu Gute kommen und das Publikum beweist sich als sehr textsicher. Beim Minor Threat-Cover „in my Eyes“ sowie beim gefeierten “Black Sheep” ist die Stimmung auf dem Höhepunkt und die mittlerweile gut gefüllten ersten Reihen können sich an aufkommenden Stagedives erfreuen. Mit selbigem Song endet auch das durchaus gelungene Set und zeigt was für ein Potenzial in dem melodischen Hardcore-Punk der Band aus Massachusetts liegt.
Auf der Zeltbühne folgt nun eine Band an der sich die Geister scheiden. Nasty hat schon sehr viele Kids in die ersten Reihen befördern können. Man konnte bereits beim Merch auf dem Campingplatz beobachten das viele Beatdown begeisterte Leute angereist waren, die sofort beim ersten Breakdown ihr Können im Pit zu Schau tragen können. Ich halte mich zurück und schau mir das Spektakel nur kurz an. Ich kann leider nicht verstehen dass die Band so frenetisch abgefeiert werden kann, denn musikalisch ist das wirklich nichts allzu Innovatives. Die ständig gleichen Riffs wechseln sich mit ellenlagen Breakdowns ab. Dem Publikum scheint es zu gefallen, ich wende mich nach kurzer Zeit jedoch gelangweilt ab und behalte im Kopf dass die Diskussion um die vieler Orts gefeierte Beatdownszene wohl nie ein Ende haben wird, so what!

Als wir wieder zurückkommen spielen bereits Lewd Acts auf der Hauptbühne. Die Band ist mit ihrem bald erscheinenden neuen Album „black eyed Blues“ im Gepäck in Europa unterwegs. Ihr dreckiger Hardcore-Punk kann einige Leute vor der Bühne zur Bewegung anregen. Die Deathwish-Band könnte mit ihrem Pulling Teeth ähnlichem Sound auf kein Label besser passen. Der Auftritt nimmt sein Ende in dem Frontmann Tylure zersetzt vor Erschöpfung durch das Publikum rast und sich ein paar mal ins Gras fallen lässt bevor er hinter dem Absperrzaun verschwindet. Da ich die Band vorher nicht viel beachtet hab, zeigt mir dieser Auftritt, dass ich sie auf jeden Fall nochmals auf der Tour mit Gold Kids wahrnehmen sollte. Definitiv eine Bereicherung am heutigen Samstag.
Nun spielt Soul Control auf der Marquee Stage . Durch das Bridge 9-Signing Anfang des Sommers, war es nur eine Frage der Zeit, dass die Band wieder nach Europa kommt.
Soul Control können mit ihrem teilweise Bad Brains ähnlichen groovigen melodischen Hardcoresound einige Leute begeistern, jedoch hätte diese Band um einiges Besser auf die Hauptbühne gepasst. Auch ein gewagter Stagedive vom Sänger kann das Publikum nicht dazu anregen die Bühne zu entern. Höchstwahrscheinlich auch wegen dem deutlichen Höhenunterschied zur Hauptbühne. Soul Control liefern dennoch ein gutes Set ab, spielen sich dabei durch ihr erstes Album und durch ihr neues Bridge9 Release und können einige Fans zur Bewegung anregen.
Auf der Hauptbühne spielt nun eine weitere Beatdownkapelle. The Boss haben heute hier in Belgien ein Heimspiel und ich erwarte schon Dutzende von Violent Dancing Kids vor der Bühne. Komischerweise bleibt es aber doch relativ ruhig im Pit. Wahrscheinlich weil die Band selbst die angestrebte Zielgruppe nicht begeistern kann. Nach dem lächerlichen Baby-Gebrabbel Intro ihres aktuellen Albums „Life is Foreplay“ folgt eine Show die an Fremdschäm-Potenzial kaum zu überbieten ist. Die beiden Sänger rappen sich durch das Set das größtenteils aus recht stumpfen, immer gleichen Beatdown besteht. Nichts für mich.
Zurück im Zelt stimmen ON bereits ihr Equipement ab. Die Band konnte in den letzten Monaten allein durch ihre Besetzung einige Fans gewinnen. Ist der Sänger von Champion nun auch bei ON wieder im Einsatz. Die Jungs können also einige Straight Edger vor die Bühne bringen und obwohl die melodischen Hardcore-Punk Songs viel Singalong-Potenzial mitbringen, kennen doch sehr wenige die Texte der recht jungen Band. Über diese Tatsache ist Frontmann Aaron nicht besonders begeistert und fordert die Leute immer wieder zu Bewegung auf. Wahrscheinlich ist er durch den enormen Erfolg von Champion mehr gewöhnt. Nichts desto trotz weiß der Sound von ON zu gefallen und man spielt Songs von der ersten Demo und der neu erschienenen Control EP. Auf jeden Fall könnte der Sound von ON in kleinen Clubs besser funktionieren, da die hohe Bühne von näherem Kontakt abneigt.
An die darauffolgende italienische Screamoband Raein hatte ich die größten Erwartungen. Nachdem diese sich 2007 nach der Auflösung 2005 eigentlich nur zu einem Konzert wieder zusammenfanden, beschlossen sie doch weiterzumachen. So haben wir das Glück, sie bei ihrem ersten Ieperfest-Auftritt zu sehen, was wir nicht bereuen sollten. Am Anfang fällt auf, dass die 6-köpfige Band mit 3 Gitarristen aufläuft, die die für Raein typischen melodischen und vielstimmigen Gitarrenparts übernehmen sollen. Direkt zu Beginn des Auftritts ist das Zelt gefüllt, was ich eigentlich nicht erwartet hatte, doch mit dem ersten Song „The King is dead“ können sie direkt die meisten begeistern. Der Sänger wirkt durch seine Ansagen sympathisch, er versuchte nicht sich zu verstellen und brachte keine hardcoretypischen Klischees. Darauf kommt einer meiner Lieblingssongs dieser Band, „Endlesstourlife“, mit einem genreuntypischen Anfang, der sich danach jedoch in das für Raein typische recht komplexe melodische Gitarrenspiel mit Screams verwandelte. „Tigersuit“, der wohl bekannteste Song der Band, wird als drittes gespielt, und wie eigentlich zu erwarten ist, darf das Publikum der ersten Reihe den Sänger bei dem sich wiederholenden „This is my Tigersuit (’cause I’m a fuckin’ lamb)“ unterstützen. Danach kündigt der Sänger an, die neue LP „ogni nuovo inizio“ zu spielen, ein Song, der in 6 Abschnitte gegliedert ist, die jedoch fließend ineinander übergehen. Umso schöner ist es, dass das ganze an einem Stück gespielt wird. Besonders hervorzuheben ist das Solo eines der Gitarristen am Anfang des dritten Parts „3 di 6“. Zu der musikalischen Perfektion sind Raein auch noch nahezu perfekt abgemischt, sodass sie, jedenfalls für mich, die absolut beste Band des diesjährigen Ieperfests darstellen.
An dem Merchverkauf zu erkennen spielt nun ein Highlight für viele auf der Hauptbühne. Die Sacramento HOODS können durch die wahnsinnig großen Verkaufszahlen ihrer Emo-Killer Shirts auf eine große Fangemeinde zählen. Als das Eazy-E Intro im Hintergrund erklingt und die Band auf die Bühne kommt muss ich schon ein bisschen schmunzeln. Auch die HOODS haben mit „Pit Beast“ ein neues Album am Start, größtenteils werden aber Songs von den vorigen Alben gespielt. Die Ansagen vom Sänger: „who don’t like Emos“ usw. sind schon etwas gewöhnungsbedürftig aber man kann mit dem vorgetragenen Old-School Hardcore einige Leute am frühen Abend begeistern.
Die Amerikaner spielen sehr schnellen Hardcore, der fast schon an Powerviolence erinnert.
Wieder im Zelt angekommen erwartet mich eine Überraschung. Trash Talk die als nächstes spielen sollen, haben einfach die Boxen sowie das Schlagzeug an den vorderen Bühnenrand geschoben, so dass der Rest der Band auf dem Boden spielt. Verdammt passend, sind ihre Auftritte von der Brutalität und Brachialität mit Ceremony zu vergleichen.
Als der erste Riff des rotzigen Hardcorepunk Sound ohne jegliche Konventionen erklingt, ist die Menge bereits am Ausrasten. Es bilden sich riesige Menschenhaufen überm Frontmann der selber regelmäßig von der Bühne in die Menge springt. Die Kids stampfen über dem Boden dass diverse Holzlatten zu Bruch gehen. Das Ganze gleicht einer einzigen riesigen Schlacht. Ich gucke mir aufgrund meines nicht allzu guten Zustands das ganze aus der Ferne an. Begeistert verlasse ich nach einer halben Stunde purer Destruktivität die Marquee-Stage.
Genügend gestärkt nach gutem veganem Essen, verlassen wir wieder den Zeltplatz und begeben uns aufs Festivalgelände. Auf der Hauptbühne haben 108 bereits ihren Soundcheck begonnen. Der Auftritt kann als exklusiv angesehen werden, wurden sie nur fürs Ieper Fest eingeflogen. 108, nach der Reunion auf Deathwish untergekommen , können auf eine 17-jährige Bandgeschichte zurückschauen. Die Mitglieder bezeichnen ihren Sound selbst als Krishnacore und ihren Glauben zeigen sie auch oft in den zwischenzeitlichen Ansagen. Der Sound begeistert hauptsächlich die älteren Besucher des Festivals, vor der Bühne entsteht Bewegung und die Band bekommt viel positive Resonanz vom Publikum. Sogar wenige Stagedives kann man erblicken. Man kündigt ein neues Album an was Ende des Jahres ebenfalls auf Deathwish erscheinen wird. Für viele Besucher ist 108 der eigentliche Headliner des Samstages und das nach diesem furiosen Auftritt völlig zurecht.
Im Zelt hat nun eine weitere Band ein Heimspiel. Rise and Fall aus dem wenige Kilometer entfernten Ghent beginnen ihr Set. Mit sehr dunkler roten Bühnenbeleuchtung fängt man mit „Clawing“ an. Man bemerkt sofort das Rise and Fall eine große Fanbase in Belgien hat. Ich habe sie vorher noch nie vor einer so großen euphorischen Menge gesehen. Gespielt werden Songs vom aktuellen Album „Into Oblivion“ und das großartige „Bottom Feeder“ von der letzten EP. Die düstere Bühnenbeleuchtung könnte kaum besser zum dunklen Sound von Rise and Fall passen. Hinzu wird genauso wie in Köln ein neuer Song, vom bald erscheinenden neuen Album „our circle is viscious“ gespielt. Ein sehr guter, leider wieder viel zu kurzer, Auftritt der Lust aufs neue Album macht.
Den Tag beenden sollten Darkest Hour, die wohl metallastigste Band der 3 Tage. Wer die Band aus den USA kennt , weiß ihren Metalcore (mehr Metal als Core) zu schätzen und so sind auch recht viele Leute zu recht „dunkler Stunde“ noch zusammengekommen, um einen soliden Auftritt mit – wiedermal – vielen Crowdsurfern zu erleben. Trotz Ieper „Hardcore“ Festival finden sich auch noch genug Zuschauer, um Drummer Ryan auf die Frage, ob das Publikum Metal möge, eine gebührende Antwort zu geben. Mit „Doomsayer (The Beginning of the End)“ ist der letzte Song vor der Zugabe auch noch einer der beliebtesten und das Publikum lebt vor dem Ende des Tages noch einmal richtig auf. Insgesamt ist die Show von Darkest Hour eine der besten, die ich bisher von ihnen gesehen habe, sehr gut abgemischt und sowohl musikalisch als auch vokal ohne besondere Mängel.

Sonntag:

Die beiden ersten Bands Days of Betrayal und Viatrophy verpassen wir leider, so dass wir uns um kurz vor 12 rechtzeitig zu Black Haven an der Hauptbühne einfinden. Sofort legt die junge belgische Band los und präsentiert der noch recht schläfrigen kleinen Menge vor der Bühne ihren düsteren Integrity-ähnlichen Clevo-Hardcore. Sänger Kluze spuckt mit seinem feuerroten Kopf dem Publikum die Lyrics entgegen und zeigt viel Bewegung auf der Bühne, die leider nicht auf die ersten Reihen überspringen will. So bleibt ein für mich sehr positiver Auftritt, der am doch recht frühen Nachmittags-Slot gut beim Publikum ankommt.
Nach einer kurzen Verschnaufpause auf dem Campingplatz, soll nun eigentlich Ritual auf der Hauptbühne spielen. Leider hatten die Jungs aus Recklinghausen ihren Auftritt einige Tage vorher abgesagt, so dass sie von Skare Tactic ersetzt werden. Für mich zwar ein nicht allzu passender Ersatz, jedoch kann die Band mit HOODS-Mitgliedern, nach ihrem Auftritt auf dem Pressure-Festival, auch hier in Belgien einige Leute begeistern.
Diablo Boulevard spielen Rockabilly und passen nicht allzu sehr ins doch sehr Hardcore lastige Line-Up des Ieperfests. Aber auch hier sieht man einige Leute im Publikum zum Mikrofon hechten. Wahrscheinlich auch weil sich in der Band ehemalige Mitglieder von the Setup und Born from Pain befinden und sie durch diese Tatsache grad in Belgien einen gewissen Bekanntheitsgrad genießen.
Polar Bear Club haben schon einige Leute vor der Bühne versammeln können. Nach der Tour mit the Gaslight Anthem sind sie zurück in Europa. Das Set wird mit dem Opener vom Album „Sometimes Things Just Dissapear“ begonnen und sofort kann man einige textsichere Fans im Publikum wahrnehmen, wobei nicht richtig Bewegung aufkommen will. Hinzu enttäuscht die Stimme von Frontmann Jimmy Stadt ein wenig, ist man sie von den Releases der Band doch um einiges kratziger gewöhnt. Trotzdem sieht man der Band ihren Spaß an. Mit Songs von ihrer ersten EP bis zu dem neuen Song „Living Saints“ vom bald erscheinenden neuen Album „chasing Hamburg“ kann man einige Leute im Publikum animieren.
Nueva Etica, die wegen ihrer sehr militanten Vegan Straight Edge Gesinnung nicht unumstritten in der Szene sind, beginnen bereits mit lauthalsigen Schreien ins Mikro ihren Soundcheck. Ich merke sofort, dass der Sound viel zu hoch eingestellt ist, so dass mir bereits vor Beginn des Auftritts die Ohren schmerzen. Diese Tatsache kann sich auch während der Show nicht ändern. Die argentinische Band kann mit ihrem Beatdownlastigen Hardcore nur wenig begeistern. Auch wenn sich die 3 !! Sänger sichtlich Mühe geben das Publikum anzuheizen, entsteht wenig Bewegung. Ich wende mich schnell ab um mich bereits vor Beginn von Set Your Goals vor der Bühne einzufinden. Auch bei Set Your Goals die extra fürs Ieperfest eingeflogen wurden, sind neben Shows auf der Insel keine weiteren in Europa zu verbuchen. Umso mehr freue ich mich auf energiegeladenen melodischen Poppunk, der bereits in der Vergangenheit begeistern konnte. Der erste Song des Sets vom neuen gleichnamigen Album „this will be the Death of us“ bringt sofort viele Kids in die ersten Reihen. Die Ohrwurmmelodien wissen zu gefallen, so dass man immer wieder dutzende Leute vor der Bühne, hauptsächlich die älteren Lyrics, ins Mikrofon schreien sieht. Auch die Band wirkt frisch und energiegeladen. Meine Vorfreude auf die angekündigte Deutschlandtour im Dezember könnte nicht größer sein.
Nun spielt eine weitere Legende einen Gig ihrer Europatour hier in Ieper. Reagan Youth können auf eine über 20 Jahre lange Karriere zurückschauen. Ihre Auftritte in den 80ern waren geprägt von dem politischen Gegebenheiten der Reagan-Ära und machten sie zu einem wichtigen Genrevertreter im frühen Hardcorepunk. Von dieser frühen Energie ist heute leider gänzlich wenig zu spüren. Zwar kann die Band ein Teil des hauptsächlich älteren Publikum begeistern, hinzu wirkt man aber schwach und durch den Besetzungswechsel bei weitem nicht mehr so frisch und energiegeladen wie vor 20 Jahren. Natürlich sind alle Mitglieder deutlich gealtert und so kann man den Auftritt als solide bezeichnen, nicht mehr und nicht weniger. Das generelle Problempotenzial von vielen Reunions ist auch hier allgegenwärtig.

Chuck Ragan, der bereits im Zelt angefangen hat zu spielen, wurde im Vorfeld von vielen Bands gewürdigt und den Leuten ans Herz gelegt. Der Hot Water Music Frontmann weiß auch hier auf dem Ieperfest mit seinem Singer and Songwriter Folksound zu gefallen. Obwohl auch er im Line-Up musikalisch eine Ausnahme darstellt, kann man einige Leute ins Zelt locken und regen Zuspruch erhalten. Es freut mich zu sehen dass die vielen Leute im Publikum seine Musik zu schätzen wissen, hauptsächlich weil er einen ruhigen Gegenpol mit seinem Auftritt am heutigen Sonntag darstellt. Neben Songs von seinem letzten Album „Feast or Famine“ werden auch Stücke des neuen Releases „Gold Country“ vorgetragen. Musikalisch weiß er zu überzeugen und hat gänzlich Spaß daran heute eher das „schwarze Schaf“ darzustellen.
Mit Bringing it Down, mit John Porcell am Mikrofon und komplett in rot gekleidet, erwartet uns nun eine All-Star Band die aus einigen nicht unbekannten Namen der 90er Straight Edge-Welle besteht. Gespielt wird ein komplettes Set aus Coverversionen von Judge, Youth of Today und Project X Songs. Natürlich kann auch hier das hauptsächlich das ältere Publikum begeistert werden. Wegen dem hohen Mitsingfaktor der vorgetragenen alten Gassenhauer entsteht ein großer Pulk vor den Mainstage, der mit dem Blitz Song „Warriors“ beendet wird . Insgesamt eine durchwachsene Show, die eigentlich nur durch das hohe Mitsingpotenzial die Leute animieren kann, denn die Jungs an sich wirken eher schwach und in der Zeit zurückgeblieben.
Disembodied sind heute ein weiterer Grund für das größtenteils ältere Publikum eine Fahrt nach Ieper aufzunehmen. Kann man die Band, die hauptsächlich in den 90ern ihre größten Erfolge verbuchen konnte, schon als Wegbereiter für den heutigen Metalcore betrachten. Nicht ohne Grund hat Darkest Hour sie auf ihre Tour mitgenommen. Der Metal beeinflusste Hardcore zündet auch hier in Belgien und man kann die Show als eine der besseren Reunions dieses Jahres verbuchen. Musikalisch kann mich die Band auch voll und ganz überzeugen, dabei sieht man ihnen die Spielfreude deutlich an.
Der erste Headliner am Sonntag sind die Amis von A Wilhelm Scream, die im Zelt spielen sollen. Kaum sind wir dort angekommen legen sie auch schon los mit einer Performance, die zu dem schnellen und energiegeladenen Punkrock passt. Sänger Nuno ist die ganze Zeit in Bewegung und daher fragt man sich doch, wieso er das Sweatshirt, das er am Anfang noch über dem Shirt trägt, überhaupt anzieht. Zwischendurch gibt’s auch noch ein kleines für den Gitarristen, der 21 wurde und ein neuer Song, den sie erst auf dieser Tour spielten, wurde vorgestellt und kam gut beim Publikum an. Auch ich finde den Song gut, jedoch nicht überdurchschnittlich (nach der Messlatte der restlichen Alben von AWS). Die Show wird beendet mit „The King is dead“ und wir freuen uns über den gelungenen Auftritt. (a.k)
Es wundert mich dass beim heutigen Headliner BOLD der Platz vor der Bühne für diese Zeit recht leer bleibt. Im Vorfeld hatten mich schon einige Artikel am Merchstand zum Schmunzeln gebracht (Ipod Hüllen etc.), deswegen blicke ich schon im Vorfeld der Reunion von Bold skeptisch entgegen. Geboten bekommt man auch etwa das Erwartete, wie schon bei Bringing it Down. Bereits beim dritten Song, des mit Klassikern gespickten Sets, ist man ausgelaugt und die Stimme wirkt schwach. Wie zu erwarten kann durch das große Singalong-Potenzial einiges wett gemacht werden. Im ganzen bleibt die Band aber ein eher enttäuschender Headliner für den letzten Tag des Ieper Hardcore Fest.
Nachdem BOLD ihren letzten Song in den mittlerweile doch recht gut gefüllten Pit brüllen,

Als Fazit bleibt zu sagen, dass ich jedem das Ieperfest ans Herz legen kann. Die drei Tage werden durchweg positiv in meinen Gedanken bleiben. Durch das recht straffe Musikprogramm muss man zwar einiges an Zeit mitbringen, hat aber auch die Möglichkeit die besten Vertreter der internationalen Hardcoreszene an einem Wochenende zu sehen. Durch die familiäre Atmosphäre, die hauptsächlich durch die durchweg freundlichen Helfer und Veranstalter des Festivals entsteht, stellt das Festival genauso wie das Fluff eine tolle Alternative zu kommerziellen Festivals dar, denn die nicht zu findenden metergroßen Gräben und überhöhten Preise diverser anderer Musikveranstaltungen, bieten die Möglichkeit ein entspanntes Wochenende mit größtenteils unkompliziertem Publikum zu verbringen. Ein großes Lob geht genauso an das bemühte Müllmanagement der Veranstalter und an die „More than Music“-Stage, die einem die Möglichkeit gibt auch abseits von der Musik sich zu beschäftigen. Jeder sollte sich also überlegen ob er sich, trotz der langen Anfahrt, für eine Reise nach Belgien entscheidet. Wir werden es auf jeden Fall wieder tun.


Fabian und Adrian