28.01.2013: Alex Clare - Offenbach am Main - Capitol

28.01.2013
 

 

Dass hinter einem Hype nicht immer musikalische Eintagsfliegen stecken, sondern durchaus auch musikalische Virtuosität, zeigte sich in ALEX CLAREs ausverkaufter Wahnsinns-Show im Offenbacher Capitol.

Zugegeben, am Anfang hatte man doch ein paar Vorbehalte. Was kann man von einem Künstler erwarten, der durch einen Song in einer Internet-Browser-Werbung quasi über Nacht von Null auf Eins in den Charts klettert? Der den Dubsteb im Sommer aus jedem Autoradio hat dröhnen lassen? Da kann das Album noch so gut sein, irgendwo muss es doch den berühmten Pferdefuß geben. Aber Internetvideos von spontanen Auftritten in Fußgängerzonen, bei denen ALEX CLARE mit einer Stimme in Studioqualität performt, lassen ernsthafte Zweifel an den eigenen Bedenken aufkommen.

Nach der schier endlosen Wartezeit von eindreiviertel Stunden nach Einlass bis zu Beginn seines Auftritts, in der das Publikum immerhin eine Stunde von einem DJ bei Laune gehalten wurde, ist dann 30 Minuten vor dem Hauptact im Publikumsraum des Capitols kaum noch ein Platz zu finden. Eine allgemeine Spannung liegt in der Luft, der DJ wird irgendwann mehr oder weniger freundlich von der Bühne geklatscht. Als dann das Licht im Hauptraum ausgeht und ALEX CLARE mit seiner Band die Bühne betritt, platzt die Blase der Anspannung in einen großen Willkommens-Jubel auf. Und dann, die ersten Töne dieser gewaltigen Stimme: Sie sind von einer Klarheit und Präsenz und vor allem von einem Umfang, dass man erschaudert. Und ALEX CLARE vollbringt stimmliche Kaprizen mit einer Leichtigkeit, als würde es ihn nicht die geringste Anstrengung kosten.
Bereits nach dem zweiten Lied „Whispering“ hat er das Publikum fest in seinem Griff, die ihn im Gegenzug nach jedem Song mit frenetischen Applaus feiern. Zugegeben, anfangs ist die Meute noch etwas steif, wie sie dichtgepresst stillstehen im Angesicht mit wummernden Bass-Beats. Doch spätestens nach ein paar seiner zum Bewegen aufrufenden Songs wie „Treading Water“ und „When Doves Cry“ sind viele am tanzen.

Abgesehen von Erwartungen, die man an diese Live-Performance stellt und die ohne Kompromisse erfüllt werden, überrascht und überzeugt ALEX CLARE in besonderem Maße live. Zum einen erweisen sich seine elektronischen Beats als wesentlich härter und noch energiegeladener als auf Platte. Bei dem selben Vergleich wird auch klar, dass ALEX CLARE live ein noch viel größeres Stimmrepertoire in petto hat, als er ohnehin schon auf seinem Album zeigt. Eine Erkenntnis, bei der man wirklich ehrfürchtig wird. Zum anderen erweist sich ALEX CLARE live als wirklicher Musikvirtuose, der wahre Kunst scheinbar aus dem Ärmel schüttelt. So kündigt er irgendwann an, dass er jetzt einen Song spielen würde, den er gestern Nacht mal eben geschrieben hätte. Daraufhin präsentiert er mit seiner Accoustik-Gitarre ein Lied, bei dem man auch hätte glauben können, dass es seit Monaten zum Repertoire gehört. Ein weiteres Mal überrascht er, als er erzählt, dass er am heutigen Tag erfahren habe, dass das Capitol früher einmal eine Synagoge gewesen sei. Aus dem Grund, da er Jude und sehr stolz auf sein kulturelles Erbe sei und um dem Ort Respekt zu zollen, habe er sich entschlossen, nun ein paar jüdische Lieder zu spielen.
Ein weiteres, wundervolles Detail ist die sympathische Ausstrahlung mit der sich dieser Künstler auf der Bühne präsentiert. ALEX CLARE scheint regelmäßig selbst davon überrascht zu sein, welche Reaktionen er bei dem Publikum auslöst. Wie in Versicherung dessen dreht er sich zu seiner Band um und lächelt verschüchtert und ungläubig. Er erweist sich als authentische Persönlichkeit, die trotz des immensen Erfolgs noch am Boden gebliebenen erscheint und in der man noch den Jungen aus der englischen Arbeiterklasse sieht.

Auch die Band sei an dieser Stelle lobend erwähnt. An sich eine sehr bunt zusammengewürfelte Truppe: Der Keyboarder könnte eine MC aus den 80ern sein, der Schlagzeuger wirkt wie ein studierter Jazz-Musiker und der Bassist könnte einer Hardcore-Band davongerannt sein. Aber zusammen geben sie eine absolut handgemachte und grundsolide musikalische Darbietung zum besten. Es ist dieser Crossover, der aus vielen Genres das Beste mischt, traditionsbewussten Jazz und Blues mit modernem, wummernden Dubsteb, der diesen Abend zu einem echten Konzertgenuss werden lässt. Deswegen, wer kann sollte sich unbedingt noch ein paar der wenigen verbleibenden Karten für die aktuelle Tour besorgen. ALEX CLARE live ist ein Erlebnis und jeden Cent wert!