28.-29.04.2018: BACK TO THE BEACH FESTIVAL - Huntington Beach, CA - State Beach

04.05.2018
 

 

Travis und Feldy haben gerufen – 30.000 sind gekommen. Das BACK TO THE BEACH Festival koennte kalifornischer kaum sein: Direkt am Strand von Huntington Beach im feinen Sand duerfen zusammen mit dem BLINK 182-Drummer und dem GOLDFINGER-Frontmann Sonne und Ska(Punk) zelebriert werden. Lange Schlangen beim Einlass gibt es keine – dafuer fuellt sich das Areal am Samstagmittag trotzdem nur langsam. Die Locals von VIERNES 13 begutachten leider nur wenige Besucher – erst zu BIG D AND THE KIDS TABLE finden sich einige eingefleischte Fans ein. Die Bostoner funktionieren wunderbar als Opener des sonnigen Weekenders, bevor THE SUICIDE MACHINES aus Detroit nicht nur musikalisch zu entertainen wissen. „Hey“ und „New Girl“ klingen wichtiger als 1996, das eroeffnende „Islands“ ist schlicht zeit- und schnoerkelloser Punkrock in Bestform. Gestern Abend in San Diego gab es Abriss im Club, eine „Punkshow wie ich sie seit ueber zehn Jahren nicht erlebt habe“ so Frontmann Jay. Die neuen Schuhe im Eimer, kaputte Verstaerker, all das mitsamt Taco-Plautze. Doch auch auf der grossen Buehne funktioniert der Vierer, der die letzten Jahre ueber weniger Liveaktivitaet zeigte. Die Umbaupausen kann man wunderbar nutzen um sich durch Kokosnusswasser oder Energydrinks zu samplen (oder eben auch nicht) – perfekt bei gefuehlten 28 Grad Celcius.

 

LESS THAN JAKE gewinnen in Sachen Skapunk-Extravaganza heute deutlich gegen die aus Santa Barbara angereisten MAD CADDIES, die sich fuer ein eher Reggae-lastiges Set entscheiden. Wenig motiviert wirken Chuck Robertson und Co, die neben ihrer neuen GREEN DAY-Coversingle „She“ und dem genialen „Monkeys“ heute nur wenige Hits zu bieten haben. Das Pendant aus Gainesville, Florida hingegen fordert VIP vs. Normalo-Sektion zum Circlepit-Contest hinaus und praesentiert zu „The Science Of Selling Yourself Short“ eine Allstar-Blaeser-Liga aus SAVE FERRIS und MIGHTY MIGHTY BOSSTONES-Mitgliedern. „Whatever The Weather“ ist der Song, den LESS THAN JAKE eigentlich eigenst fuers BACK TO THE BEACH Festival geschrieben haben – und auch „Johnny Quest Thinks We’re Sellouts“ oder „The Ghosts Of Me And You“ passen wie die Faust aufs Auge zu den Wellen, die nur wenige Meter vor der Buehne brechen. Das Leben ist gut, wissen auch HEPCAT und ihr klassischer Rocksteadysound. Bis in die letzte Reihe wird zu „The Region“ oder „Come Out“ getanzt, was im Sand ebenso herausfordernd ist wie einen anstaendigen Moshpit anzuzetteln. Die Gastgeber Feldman und Barker lassen sich nicht lumpen und zeigen das komplette Wochenende ueber Praesenz. Letzterer etwa setzt sich beim feierlastigen Set der lokalen Helden THE AQUABATS hinters Schlagzeug – ganz wie er es in fruehen Tagen als „Baron Tito“ tat. Das macht Spass und hebt nicht nur „Superrad“ sondern vor allem das vertrackte „Powdered Milkman“ auf ein ganz anderes spielerisches Level. Dazu hagelt es aufblasbare Pizza-Slices, Livekaempfe gegen die verkleideten Ur-Feinde der AQUABATS und alle denkbaren Accessoires die es fuer eine „Pool Party“ braucht. Das Flashback-Gefuehl verkoerpert die genau hier in Huntington Beach gegruendete Band perfekt.

Solide souveraen oder souveraen solide sind die MIGHTY MIGHTY BOSSTONES dann der eigentliche Headliner des Samstags: Alle Hits, abgestimmte Outfits und  charmante Gaeste auf der Buehne – das BACK TO THE BEACH Festival lebt von seinem familiaeren Line Up, bei dem jeder mit jedem befreudet zu sein scheint. 311 wollen da gar nicht so recht ins Geschehen passen. Vielleicht muss man mit dem Sound der Band aus Nebraska aufgewachsen sein um auch Songs neben „Do You Right“, „You Wouldn’t Believe“ oder „All Mixed Up“ zu verstehen. Heute punktet die Band allenfalls mit einem Gastauftritt von Feldman, dem massivsten Merchandiseangebot sowie der Einladung, mit einem verdienten „Feierabendbier“ auf den erhaschten Sonnenbrand anzustossen. Das macht in der benachbarten Divebar mehr Spass als mit 12 Dollar-Drinks aus dem Plastikbecher oder der Corona-Dose fuer weniger gut Betuchte.

 

 

Deutlich leerer ist das Gelaende am Sonntagmittag, obwohl zahlreiche extrovertierte SUBLIME-Fans direkt vor dem Einlasstor campieren und mitsamt Kind, Bong und Surfboard dem Abend entgegenfiebern. Vorab beweisen MUSTARD PLUG noch eindeutiger als die Old-School-Skanker von THE UNTOUCHABLES oder die LA-Sonnenbrillenfraktion der AGGROLITES, dass Skapunk hoechstens muede, aber keinesfalls tot ist.  THE INTERRUPTERS gewinnen den Sonntag in Sachen Publikumsinteraktion und Hitdichte klar fuer sich: „She Got Arrested“ und „On A Turntable“ treten an gegen den maechtigen Opener „A Friend Like Me“ – zu „Family“ gibt sich sogar RANCID’s Tim Armstrong am Mikro alle Muehe. Das Gemisch aus Offbeat und Streetpunk ist messerscharf, bei genauem Hinsehen gibt es Dank „Take Back The Power“ sogar eine Sandsturm-Circlepitwolke. 9.5/10, die aetzende Parkplatzsuche ist fast vergessen. Die Sets von SAVE FERRIS und FISHBONE muessen sonntaeglichen menschlichen Beduerfnissen weichen: Sitzen, speisen, Schatten – kein Tatort kann hier mithalten. Im Hintergrund ertoenen „Cholly“ und „Ma & Pa“ sowie „The World Is New“ und natuerlich „Come On Eileen“ bevor sich die einzig wahren GOLDFINGER im postkartenreifen Sonnenuntergang die Ehre geben. Die Festival-Schirmherren Barker und Feldman an Drums und Gitarre versammeln nicht nur Mike Herrera von MXPX sowie Phil Sneed von STORY OF THE YEAR um sich, auf der Gaesteliste befinden sich neben Mitgliedern von NO DOUBT, MIGHTY MIGHTY BOSSTONES oder FISHBONE auch Aaron Barnett von REEL BIG FISH, mit dem die Band direkt einen kompletten RBF-Song zum Besten gibt. Familie eben, ist klar. Leider schaffen es nur wenige „echte“ GOLDFINGER-Songs auf die Setliste, die neben „Sell Out“ natuerlich „99 Red Ballons“ oder „Put The Knife Away“ auch das perfekt stimmige „Tijuana Sunrise“ enthaelt. Nach Genuss des erstklassigen Wetters, der veganen, indischen Biokost (!!!) und der Einsicht, dass der (waehrend des kompletten Festvials geschlossene) PETA-Stand oder eine einfache Wasserstation neben Werbe-Buden fuer besagte Energydrink-Riesen oder chinesische Strohhuete die bessere Option gewesen waeren, bleibt vor allem die einmalige Location eine Erinnerung, gar nicht so sehr aber das Profil an dargebotener Musik. SUBLIME WITH ROME spielen vor dem welthaesslichsten Backdrop zwar (ebenfalls) alles, was der Outlaw-Kiffer-Reggae-Punk seit 1996 hoeren will – dennoch bot der Nachmittag und vor allem der Vortag mehr an Stimmung und dem befluegelten, jugendlichen Gefuehl von Strand, Sonne, Unbeschwertheit und dem endlosen Sommer, der fuer ein ganzes Wochenende und explizit genau hier in Huntington Beach zu Hause war – oder es eigentlich auch die restlichen 50 Wochen im Jahr ist.