29.08.2012: Bouncing Souls, Dave Hause, Downtown Struts - Knust, Hamburg

29.08.2012
 

 

Fleisch und Blut gibt es auf dem Gelände nur noch in zubereiteter Form. Erst dampft die Bratwurst vom Grill - später dann die klaffende Platzwunde am Kopf eines Moshpitopfers. Das Mauerwerk des ehemaligen Schlachthofes verschnauft: Eine gute Woche Auszeit muss reichen, bevor die Halle auf St. Pauli wieder bereit ist.

Level II nach GOOD RIDDANCE, THE FLATLINERS und A WILHELM SCREAM hält amerikanischen Punkrock im Dreierpack an den Zügeln. Erster Stop: Chicago. Die windige Midwest-Stadt spuckt Alltag und Leben aus, den die DOWNTOWN STRUTS in molligen Songs wie „Back To New York“ oder „Mexican Graffiti“ verpacken. Stimmlich bleibt Frontmann Dan mit goldener Gitarre etwas auf der Strecke, daher rollt das Quartett mit Material aus ihrem Debüt „Victoria!“ eher lauwarm voran. Hamburg merkt man die frühe Stunde an – Stimmungsfahrwerke á la „How Is Everyone Doing Tonight?“ werden belächelt und erst beim zweiten Versuch müde beantwortet.


Das Knust mit seinem für Sommerabende wie heute perfekten Vorhof legt Disziplin an den Tag – somit wartet Punkt 21.30 Uhr der offene Akustikgitarrenkoffer mit „Hause“-Label auf der Bühne. „Time Will Tell“ und „Jane“ erreichen ebenso die eingefleischten THE LOVED ONES-Anhänger als auch zierlich lächelnde Damen, die sich mit geschlossenen Augen textsicher und verträumt geben. DAVE HAUSE, Musiker, Zimmermann, Vollzeitsympathisant in den Mittdreißigern, der auch im etwas „unintimeren“ Rahmen noch funktioniert. „Prague (Revive Me)“ und „Resolutions“ kredenzen Spielfreude und Punkerherz - und weder die tödliche gerissene Gitarrensaite noch die stark angetrunkene Herausforderung in Reihe eins bringen den „crooked ass from Philadelphia“ vom Grinsen ab.
Für die THE CLASH-Fans gibt es „Coma Girl“, für die Chris Carrabba-Orthodoxen „C´Mon Kid“. Für alle Anwesenden: Danksagungen und Mitmachgelegenheiten in der Familienpackung. Bitte aber auch in Bälde wieder an THE LOVED ONES denken, Dave!


Das Giftgrün der Drumkessel tut fast schon in den Augen weh, während dahinter die vollautomatische Leinwand statt eines abgerockten Banners herabgelassen wird.
Ein bisschen Weltraumdeko und -geräuschkulisse passend zu „Comet“, schon triumphiert Greg Attonito allen voran mit Outfit und Choreographie. „Kids & Heroes“ lockt auch die letzten versackten unplugged-Gemüter, „East Coast Fuck You!“ auch die letzten Hände aus der Hosentasche. „Good To See You Again, Hamburg“ – bloß keine Zeit mit Ansagen verschwenden. Es gibt Brians grimmig dreckigen Basssound bei „Argyle“, Attonito in Höchstform während „Hopeless Romantic“ oder „Coin Toss Girl“ und das penibel gepreschte Schlagzeug bei „Lifetime“. „Fast Times“ muss sich live beweisen, „That Song“ hat das nicht mehr nötig. Die Setliste rattert durch „Highway Kings“ und über zweieinhalb Dekaden trainierte BOUNCING SOULS, erst nach „True Believers“ und „Punks In Vegas“ (inklusive wunderbarer Messerwerfer-Video-Pojektion) verliert sie zu Recht an Fahrt.

Zum Finale dann feuchte Hände für DOWNTOWN STRUTS-Hüne Ben, der bei „Gone“ neben Pete Steinkopf in die Saiten greifen darf, feuchte Augen hingegen beim Smartphone-Wedeln während „Ship In A Bottle“. Mitreißend, hymnisch und konzentriert klingt der Arbeitsabend für die BOUNCING SOULS aus. Letztlich also auch eine hohe Punktewertung für New Jersey, der lediglich die Absegnung der T-Shirtmotive ins Gehege kommen kann. Graffitti-Skylines und Rastafari-Brustprints? Selbst für einen Mittwoch auf St. Pauli zu hart.