31.03.2011: Doyle, Listener, The Chariot, Conversation Zero, Mychildren Mybride - Underground - Köln

31.03.2011
 

 



Warum sehen wir uns eigentlich Vorbands an? Klar: Ich muss das tun, wenn ich mich schon über eine Gästeliste ins Innere einer Location schnorre. Alles andere wäre schlichtweg dreist. Doch hätte ich die 18 Euro an der Abendkasse aus eigener Tasche zahlen müssen, hätte ich mir dann 1. wirklich diesen müden Support aus vier Bands (den Überraschungsgast LISTENER bitte ausklammern!) gegeben, und wäre das 2. nur für THE CHARIOT sein Geld wert gewesen? Klar: „Support your local scene“, heißt es immer wieder, und auch ich bin für dieses Denken. Doch in einer Zeit, in der Eqipment und Aufnahmemöglichkeiten selbst mit engeren Geldbeutel zu bewerkstelligen sind, und in der einen eine regelrechte Flut an Newcomern überkommt, sollte doch am Ende des Tages nur das unterstützt werden, was einen auch wirklich gefällt.

Doch sollte nicht auch einen zunächst unbekannte Bands hin und wieder eine Chance gegeben werden? Mir ist es jedenfalls durchaus schon einige Male passiert, dass ich eine eigentlich zunächst lediglich von mir belächelte, da nicht gekannte Vorband während des Auftritts als großartig befunden habe. Die mittlerweile sehr etablierten GOLDUST sind da nur ein Beispiel, welches mir da auf die Schnelle durch den Kopf schießt. Und dass ein Veranstalter jungen Bands überhaupt die Chance gibt, auch mal den Proberaum zu verlassen und das Spielen vor echten Menschen zu üben, ist ja an sich sehr löblich. Dennoch ging mir während der langatmigen „Aufwärmphase“ immer wieder durch den Kopf, ob ich nicht meine Zeit besser hätte anlegen können, oder ob ich nicht vielleicht schon etwas früher die Location nach draußen verlasse und die Zeit immerhin nutze, um mit ein paar lange nicht mehr gesehenen Freunden wieder ein paar Worte zu wechseln. Und ich bin mir sicher dass nicht nur ich diesen inneren Konflikt führen musste.

Doch kommen wir doch mal endlich auf die einzelnen Bands des Abends zu sprechen. Bereits um 8 Uhr durften CONVERSATION ZERO mit einer recht durchschnittlichen Form von Metalcore auf die Bühne. Clean-Vocals, die weder wirklich überzeugend gesungen wurden noch so wirklich in die Songs passen wollten, Schwedentodmelodien, die mehr dem Standard nicht hätten entsprechen können, und ein recht einfallsloses Songwriting machten CONVERSATION ZERO zwar nicht zu einer katastrophalen, aber keinesfalls weltbewegenden Erfahrung. Immerhin wirkte der Sänger erstaunlich motiviert, sprang von einem Ende der Bühne zum anderen, bestieg auch mal einer der Boxen und gab lockere Ansagen von sich, die sogar etwas schmunzeln ließen. Insgesamt sind CONVERSATION ZERO aber ein Paradebeispiel für meinen eben beschriebenen Gesamteindruck zum Vorprogramm dieses Abends. Nett gemeint, aber letztlich doch sehr verzichtbar.

DOYLE hingegen waren die einzige Vorband dieses Abends, bei der mir jetzt dieses „verzichtbar“ nicht ganz so gut von den Lippen gehen will. Und das hat zwei Gründe: Zum einem war die gesamte Band derartig übermotiviert und hyperaktiv, dass man sich doch wieder erinnern konnte dass man sich im Vorprogramm einer so zerstörerischen Band wie THE CHARIOT befindet. Hervorzuheben ist hier vor allem der etwas androgyne Gitarrist asiatischer Abstammung, dessen Marsch mit seiner Gitarre durchs Publikum fast schon einer Art Tanz glich, und den man wirklich anmerkte dass er in seiner Musik versank. Zum anderen waren DOYLE vor allem dann richtig schön, wenn sie mal all das Chaos beiseitelegten und auf atmosphärische Parts setzten. Eben jenes Chaos abseits dieser Parts schwankte aber qualitativ recht stark und driftete nicht selten ins belanglose, sodass ich mir am Ende des Auftritts nicht so recht sicher war was ich nun von dieser Band halten sollte. Potenzial ist hier aber auf jeden Fall gegeben, und wer weiß: Vielleicht sind DOYLE ja das nächste große Ding im, nennen wir es einfach mal chaotischen Hardcore!

Bei MY CHILDREN MY BRIDE fällt es mir hingegen wieder leichter, vom Wörtchen „verzichtbar“ gebrauch zu machen. Überraschenderweise fing das Publikum aber gerade mit dieser Band an, so richtig in Fahrt zu kommen. Andererseits: Wer so stupide Moshparts und Breakdowns aneinander reiht, stößt ja nicht selten auf Bewegung im Publikum. Viel mehr lässt sich zu Auftritt und Band auch nicht sagen: MY CHILDREN MY BRIDE spielten ein immerhin sehr tightes und soundtechnisch gutes Set, welches aber in Punkto Songwriting stark zu wünschen übrig ließ und ihre Eingängigkeit weniger durch bedeutsame Parts als mehr durch stumpfe Breakdowns bezog. Schnell weiter.

Um etwa 10 Uhr war diese Geduldsprobe dann endlich überstanden. Zeit für das wirklich Wesentliche, Zeit für THE CHARIOT. Oder auch nicht. Kennt ihr den Typen mit dem Schnurrbart, der nicht nur im Video zu „David De La Hoz“ einen sehr energischen Gastpart hingelegt hat? Nicht nur, dass THE CHARIOT ihm auf Tour dabei hatten; auch seine eigene Band LISTENER durfte während des Aufbaus (exklusiv in Köln!) einige Songs zum Besten geben. Mit wilden, sehr emotionalen und sich überschlagenden Worten stand er (Dan Smith heißt er übrigens) da, abgestützt vom Mikroständer und mit überkochenden Emotionen, die man ihm in jedem Gesichtszug ansehen konnte. Auf Waschmaschine und Baseballschläger verzichtete man bei der Kürze des Sets zwar, doch auch so konnte sich die experimentelle Instrumentalisierung sehen lassen. Gegen Ende wirkte es fast, als kämen Dan die Tränen – und das Publikum ist gerührt. Somit waren LISTENER dann gegen Ende des Vorprogramms doch noch einer dieser Bands, für die es sich manchmal lohnt sich den leidigen Support zu geben. Mit dem Ende der THE-CHARIOT-Tour beginnt übrigens heute mit dem 1. April die eigene Tour von LISTENER. Wenn das Duo bei euch in der Nähe ist, dann gebt der Band unbedingt eine Chance!



Wo LISTENER ihre Tour heute beginnen, durften THE CHARIOT gestern ihre Koffer packen. Doch nicht ohne vorher noch ein letztes Mal für Chaos zu sorgen – das gehört immerhin zur einer THE-CHARIOT-Show wie die Rückkopplung zum Amp gehört. Mit den Worten „They call us THE CHARIOT“ eröffnet Josh das Set während eben solchen Rückkopplungen - und jeder, der schon mal auf einer THE-CHARIOT-Show war wusste, was passieren würde, wenn dieses ohrenbetäubende Piepen aufhören würde: Chaos und Zerstörung. Sicher, das sind Begriffe, die mittlerweile beliebig wirken – so oft, wie sie fallen. Doch bei THE CHARIOT darf man das schon recht wörtlich nehmen. Beispiele gefällig? Nehmen wir zum Beispiel den Bassisten. Wie ein Schwert schwang er sein Instrument inmitten des Publikums um sich, und man konnte nur hoffen, dass die Security-Locks am Gürtel auch wirklich halten. Ein andermal warf er das Teil einfach mal so hoch es geht in die Luft, und sprang dann von der Bühne. Den Bass, der später sogar völlig dem Publikum überlassen wurde, durfte dann von irgendwem aus der übrigens tobenden Menge aufgefangen werden. Und als ob das nicht genug wäre, sieht man ihn wenig später, wie er sich kopfüber an der Decke entlang hangelt. Währenddessen hat der Gitarrist einer der etwa zwei Meter hohen Boxen mit seinem Instrument bestiegen, und zögert auch nicht während des Spielens in einer Pose, welche man so eigentlich nur in schlechten Filmen sieht, da wieder runter zu springen. Ex-NORMA-JEAN und Frontröhre Josh kann das aber auch und trommelt später mit einem Drumstick irgendeinen Rhythmus an einer Stange an der Decke, wenn er sich nicht gerade an dieser ebenfalls entlang hangelt. Ansonsten treibt er als Dirigent all dieses Chaos das Publikum mit Ansagen wie „Today, no words are wrong; let there be just freedom“ oder „Do whatever you want to do“ an. Wer vorher nicht verstehen konnte, warum diese Band in einigen Clubs mittlerweile Hausverbot hat, der weiß es spätestens jetzt.

Gespielt wurde ein chaotischer Mix aus der Diskographie mit Songs wie „The City“, „Back To Black“, „Teach“, „Daggers“ oder eben „David De La Hoz“, mit Dan Smith an Joshs Seite – und das nicht nur während seiner Spoken-Word-Einlage. Nach etwa 40 Minuten, die einen von der Geschwindigkeit etwa so vorkamen wie eine viertel Stunde kündigte Josh den „last song“ an, und leider blieb es auch dabei. Dafür durfte man sich während jenes letzten Songs mit daran beteiligen, den Eqipment den Rest zu geben, sodass man später nur noch Menschen mit Drumsticks sah die auf irgendeinem Becken einschlugen. Dass das mit der Zugabe nichts mehr werden sollte war dann spätestens klar, als Josh, Dan und die anderen anfingen, Teile des Drumkits durch den Raum zu tragen, während nur noch der Gitarrist (der übrigens wieder seinen Platz auf der Box eingenommen hat) klar vernehmbare Noten von sich gab – der Rest des Eqips wurde ja längst vom Publikum erobert.

Bei aller Intensität und all den schlichtweg amüsanten Einlagen der Band, welche einen hier geboten wurden, war ich nach Verlassen des Undergrounds doch nicht völlig zufrieden. Zu lange spielten zu unspektakuläre Supportbands in Relation zu THE CHARIOT, zu kurz war die „Erlösung“ aus all jener Langatmigkeit. Und so wird dieser Abend für mich in zweierlei Hinsicht in Erinnerung bleiben. Zum einen all die Anekdoten des Auftritts von THE CHARIOT, welche ich noch lange mit einem Grinsen im Gesicht erzählen werde. Aber zum anderen auch, wie zu viel gutgemeinter, aber eigentlich belangloser Support den Abend den Wind aus den Segeln nehmen kann.

P.S.: Vorhin sprach ich von vier Supportbands, erwähnt habe ich in meinem Bericht allerdings nur drei (+ die Überraschungsgäste LISTENER). Nun, so wie mir zu Ohren gekommen ist war entgegen meiner ursprünglichen, von Eventim bezogenen Informationen über Einlass und Beginn bereits 7:15 Uhr Zeit für DEAD END. Da ich aber erst wie angesprochen um 8 Uhr da war, habe ich die Band (leider?) verpasst. Nur damit ihr wisst, warum ich die Band im ganzen Bericht totgeschwiegen habe.