Interview mit Ash

01.01.2011
 

 

Ich war mal in Nordirland auf einer Beerdigung. Ich glaube ich hatte nie zuvor so viele Menschen auf einem Haufen gesehen. Sie waren alle verwandt. So verwunderte es mich auch nicht weiter als die Enkelin der Verstorbenen mir mitteilte, dass auch Tim Wheeler ein Cousin von ihr sei. Irgendwann Mitte der 90er war dieser Mann extrem angesagt. Er war der neue Grunge, adrett und doch dreckig - seine Band war allerdings wesentlich eingängiger und er hat es trotzdem nie ganz geschafft sich dauerhaft einzugravieren in den Indie-Olymp. Nun versuchen die drei Herren von ASH es auf einem unkonventionelleren Weg und wirken gleich viel entspannter. In 52 Wochen 26 Stücke - A-Z die Kollektion - Nur Singles und tatsächlich erstaunlich viele sehr unterschiedliche aber durchweg begeisternde Songs.




Ihr habt die Tour verschoben

Rick: Es ist eine Schande, aber es gab persönliche Gründe, die es uns unmöglich machten früher zu kommen. Wir waren von A-Z in UK getourt und wollten im Anschluss rüberkommen, jetzt hatten wir eine Pause dazwischen, und das war auch gut so.

Im Moment ist ja auch die Musikmesse ℅ Pop, warum seid ihr nicht Teil davon?

Tim: Oh, davon wussten wir gar nichts. Ist das wie die Popkomm? Da waren wir vor langer langer Zeit.

Jetzt wo alle Singles fertig sind, was kann da folgen?

Rick: Ganz fertig sind wir ja noch nicht. Im September kommt die zweite Zusammenfassung dessen heraus. Dann touren wir noch weiter. Und dann hören wir auf. Haha, nee, wir haben schon ein paar Ideen was danach passieren soll. Es war auch ganz schön viel, gerade weil wir den Anspruch hatten auch immer Vinyl zu pressen und nicht nur eine mp3 anzubieten, da wir das alles in Eigenregie gemacht haben, war das drumherum diesmal viel mehr Aufwand für uns. Am Ende wollen wir auch eine 12" machen.

Es ist dann eh die Frage in wiefern es ein Album beziehungsweise auch kein Album ist - ihr seid zur Hälfte durch mit den Songs, die aber schon irgendwie zusammen entstanden sind, aber irgendwie auch Singles.

Tim: Ja, bei unseren alten Alben war es so, dass man eben nur ein paar Hits brauchte, die man ausschlachten konnte, und jetzt muss jeder Song etwas ganz besonderes sein, von daher war das trotzdem eine Herausforderung im Schreibprozess. Wir hatten die Songs teilweise schon vor Jahren entwickelt, aber wir sind auch flexibel gewesen, da wir unser eigenes Studio haben.

Tim, du wohnst ja in New York und Rick, du wohnst in Edinburgh, wie kann ich mir also eure Zusammenarbeit vorstellen?

Rick: Ich versuche so oft wie möglich hinzufliegen, aber wir sind auch so aufeinander eingespielt, dass wir einen Song in einer Stunde zusammen basteln können, wenn wir jeder über unsere Elemente nachgedacht haben.

Es ist irgendwie lustig, weil schon fast traditionell, dass ihr gerade dorthin ausgewandert seid.

Tim (lacht): Ja, dessen bin ich mir bewusst. Wir haben beide dort jemanden kennengelernt. Wir wollten erst bloß sechs Monate bleiben, haben ein Studio gemietet, und uns dann aber so in die Stadt verliebt - Mark hat dort eine Familie gegründet.

Es ist so interessant, wenn man meherere Orte hat, die "zu Hause" sind, wenn du also von "these streets" singst, frage ich mich, wo?

Tim: Im Moment fühle ich mich dort sogar wohler. Wir waren ja schon oft so da, dass wir uns nichtmal eingewöhnen mussten.

Ist das Studio so eine Art Rentenplan, wenn ihr selber keine Musik mehr macht, könnt ihr anderen dabei helfen?

Tim: Ich habe da keine Pläne, ehrlich gesagt. Ich will aber glaube ich nicht die Platten anderer Leute herausbringen, das würde mir Angst machen. Bei uns ging alles so früh los, dass ich nie wirklich was anderes gemacht habe, nie gearbeitet habe, ich wüsste auch nichts anderes, es ist meine Leidenschaft.

Irgendwie, und ich meine das jetzt nicht böse, scheint ihr auch nicht erwachsen werden zu wollen. In eurem Dokumentarfilm A is for ASH geht es irgendwie nur um so Jugendstreiche und Parties und Kotze und so

Rick: Und da haben wir die richtig fiesen Sachen noch weggelassen. Unsere Fans wollten vielleicht sogar noch weniger ernsthafte Teile, also keine Konzertmitschnitte oder so, weil sie eben so mit uns aufgewachsen oder eben jung geblieben sind und das mit uns verbinden.

Was ja in krassem Kontrast zu euren eher nachdenklichen Texten steht - musikalisch gibt es ein paar Diskoparts und so, irgendwie ist es eine sehr ambivalente Veröffentlichung.

Tim: Ich meine sogar diesmal wäre es gar nicht so düster geworden.

Ihr macht ja gerade erfolgsmäßig einen Rückschritt, obwohl ihr immer neue Fans hinzugewinnt.

Rick: Ich glaube es ist gemischt, viele Leute sind von Anfang an dabei, aber wir haben auch einen Zugang zu jüngeren Leute gefunden.

Wer ist euer Vierter?

Russell von Bloc Party. Er nimmt sich eine Auszeit und er ist so gut.

Gerade weil ihr euch so gut kennt, ist er immer noch ein Fremdkörper? Ausserdem hat Charlotte natürlich eine ganz andere Energie dazu gefügt.

Tim: Live ist es super noch jemanden dabei zu haben, aber es ist sicherlich nicht notwendig, wir genügen uns, haben aber auch noch Platz für Experimente. Er hat total viel Spaß dabei, und er hat keinen Druck, ich glaube für ihn ist das super, er war immer unser Fan.

Du bist ja schon ziemlich populär gewesen, viele Leute stellen sich dich ganz wild und vielleicht auch kaputt vor. Jetzt wirkst du eher entspannt, weicht deine Bühnenpräsenz so sehr von deinem Alltagsimage ab?

Tim: Ich bin etwas aktiver auf der Bühne, und ich glaube auch, dass Leute enttäuscht seien können wenn sie mir begegnen da ich eher ruhig bin. Ich bin kein Schauspieler und so zu tun also wäre ich immer auf Party aus sagt mir gar nicht zu. Die Bühnenpräsenz ist aber schon eine verstärkte Version von mir und keine völlig verzerrte. Es verwirrt mich immer wenn Leute erwarten ich wäre so oder so, früher wollte ich dem dann noch entsprechen, mittlerweile ist es mir egal.

Was war 1980? Da warst du doch noch total jung.

Meine Ex-Freundin, über die ich das Stück geschrieben hab, hatte eine Kette auf der TL1980 stand. Ihr Kindheitsfreund hatte ihr die geschenkt. Ich war damals 3, sie 6 Jahre alt. Dann ist ihr ziemlich viel Scheiße passiert und die Kette war eine Art Glücksbringer. Es war ein Symbol für die heilende Wirkung der Liebe. Sie trägt diese Kette immer noch. Ich habe den Song geschrieben als wir noch zusammen waren. Ich schreibe normalerweise eher aktuell als retrospektiv, aber das passiert auch manchmal. Ich fand den Songtitel einfach auch super, und es passte ja zu unserem 80er Sound, und dann brauchten wir natürliche kitschige Poptexte.

Hast du je versucht darüber zu schreiben, wie es war in Nordirland aufzuwachsen?

Nicht wirklich. 12 Jahre danach habe ich Petrol geschrieben, als ich 16 Jahre alt war und wir in einer Geschichtsstunde darüber gesprochen haben. Es geht um jemanden der in dein Haus kommt und es entzündet und das war sehr persönlich. Mein Vater war Richter und arbeitete für die britische Regierung also war er ein Ziel für die IRA so dass wir jedesmal nach einer Bombe im Auto suchten, bevor wir losfuhren und kugelsichere Fenster hatten. Ich habe das in zehn Minuten geschrieben, nicht um es politisch zu machen, sondern weil es persönlich war.


by Alva Dittrich