Interview mit DJ Steven El Pogo

29.01.2007
 

 

„In meinem Alter sollte ich eigentlich einen guten Job haben und meine DJ-Brötchen gemütlich vor der eigenen Haustür einfahren. Doch seit 3-4 Jahren herrscht eine gestiegene Nachfrage nach der ‚Rock’n’Roll Highschool‘, das hat richtig überregionale Ausmaße angenommen.“ Dass man seine Qualitäten regelmäßig bis in Städten wie Hannover und Hamburg bucht, wo eigentlich genug andere fitte DJs den Ton angeben sollten, überrascht selbst einen alten Hasen wie den Wahl-Berliner, wie er im Interview verrät...

Allschools: Steven, verrate uns doch erstmal kurz alles Wichtige um Deine Person!

El Pogo: Also, ich heiße Steven, lebe seit 1994 in Berlin und habe bis vor kurzem für das kalifornische Punkrock-Label ‚Fat Wreck Chords‘ gearbeitet. Auch habe ich bis zum Sommer noch für das Uncle Sallys Magazin und das Stardust geschrieben, aber da die Arbeit dort immer noch nicht bezahlt wird und die Zusammenarbeit mit den Labels, Bands und Promotern immer beschissener wurde, habe ich das Handtuch geschmissen und genieße lieber mein Privatleben und Musik, die mir auch wirklich abseits aller Trends am Herzen liegt.

Allschools: Fat Wreck Chords, das klingt spannend...

El Pogo: War es auch! Ein Traumjob sozusagen. Ich hatte mit einigen Bands zu tun, die mich damals aktiv in den Punkrock gezogen haben. ‚Hoss‘ von Lagwagon, Face To Face, Avail und No Use For A Name sind immer noch totale Favoriten von mir. Aber auch die Lawrence Arms und Against Me! sind mir sehr ans Herz gewachsen. Naja, aber wir wissen ja alle, dass es der Plattenindustrie nicht mehr so gut geht. Deshalb mußte sich ‚Fat Wreck Chords‘ leider wieder etwas verkleinern...

Allschools: Was genau ist denn die Idee hinter der ‚Rock’n’Roll Highschool‘? Das stammt von den Ramones, richtig?

El Pogo: Ja, das war ein Kinofilm/Musical von und mit den Ramones und auch einer ihrer großen Hits. Das hat sich irgendwann mal so in Berlin auf der Suche nach einem guten Partynamen entwickelt. Da sollte zeitloser Punkrock genauso zur Geltung kommen wie das ganze Rock’n’Roll-Ding, das auch bei Social Distortion- und Misfits-Hörern so populär ist. Elvis, Johnny Cash, Stray Cats, Mad Sin, Dick Dale etc. Dazu die ganzen geilen Gassenhauer aus den 80ern wie ‚Kids In America‘ oder ‚One Step Beyond‘, und drumherum angesagte Indie-Hits, auf die alle gerade so stehen. Das hat in Berlin geklappt, dann wunderbar in Potsdam, und dann gingen auch alle in Hannover dermaßen steil auf den Sound. Naja, und jetzt haben wir sogar einen Abend im hartumkäpften Hamburg begonnen.

Allschools: Wie erklärst Du Dir denn solch einen Erfolg mit „stinknormaler“ Gitarrenmusik?

El Pogo: Haha, das kann ich mir selber manchmal nicht erklären!! Da steh ich im ‚Bei Chez Heinz‘ und spiele Pennywise oder Bad Religion oder den Surf-Song aus ‚Pulp Fiction‘, und der halbe Saal flippt komplett aus!! Ich glaube, die Leute haben keine Lust mehr, immer in vorderster Front hip sein und die allerneusten Hits kennen zu müssen. Ich meine, guck Dir doch mal an, was es allein im Alternative-Bereich für einen Veröffentlichungs-Overkill gibt, da kommt doch kein normaler Mensch mehr hinterher! Der ganze Emo-Hype hat den Rest erledigt. Lieber gehen die Leute in die Disco, wollen von einer anstrengenden Woche abschalten und mit Freunden Musik hören, die sie auch kennen. Der Mix macht’s! Die ‚Rock’n’Roll Highschool‘ bietet all das, indem ich mich selber und auch die Musik sich nicht so bitterernst nimmt. Da ist Party angesagt, volle Pulle durch die Mitte! Obercoole Indie-Raritäten suchst Du hier genauso vergeblich wie Hardcore-Kloppereien. Wenn ich abends weggehe, will ich n Bier aufmachen und feiern, was das Zeug hält. Da will ich The Cure und The Clash genauso hören wie Samiam, Flogging Molly, die Hives, Bloc Party oder mal Sick Of It All und Atreyu. Und wenn dann bei ‚Kill All The White Men‘, ‚Don’t Drag Me Down‘ und Guns’n’Roses die Decke fast runterkommt, dann ist das gut so!

Ich fand das die ersten Male in Hannover und Hamburg schon komisch, dass alle meinten „Ja coole Musik, das spielt hier sonst keiner“, ich aber dachte, das seien ganz selbstverständliche Sachen. Es ist aber auch ein persönliches Highlight zu sehen, wenn bei Jawbreaker, Lifetime, Against Me und The Draft die Tanzfläche rockt. In Berlin sind die Leute zu cool dafür...

Allschools: Erzähl doch mal wie Du ans Auflegen kamst und ausgerechnet Punkrock-DJ geworden bist!

El Pogo: Das hat vor ca 10 Jahren angefangen, damals war ich noch in Brit-Indie- und Electronic-Kreisen unterwegs und sehr unzufrieden, da immer nur die selben Kamellen gespielt wurden. Deshalb organisierte ich mit einigen Leuten, mit denen ich auch ein kleines Print-Fanzine rausbrachte, erste kleine Parties in kleinen Clubs und Partykellern. Das ist halt das Coole bis heute an Berlin: es gibt 1000 Locations und Veranstaltunsgräume, hier geht immer was. Dann aber begeisterte mich der aufkommende Schweden-Boom um Millencolin, No Fun At All, Satanic Surfers und ‚Hoss‘ von Lagwagon so sehr, dass ich immer mehr Punkrock auflegte. Damit konnte man damals noch echt Leute erschrecken, haha!

Ich wollte immer Parties machen, die weder so dumm NuMetal sind, aber auch nicht so weinerlichen BritPop bringen. Ein Mittelding, bei dem alle Leute wild abrocken! Am Besten mit ganz viel Punkrock und Skatepunk. Dafür wurde ich oft ausgelacht, aber ich glaube, dass ich mittlerweile überall die „richtigen“ Party-Leute ziehe.
Nun lege ich fast jedes Wochenende fest auf. Letztes Jahr habe ich mit meinem Bruder Mirko, der für Titus Skateboards und ‚Sideone Dummy‘ arbeitet, für das Blink 182-Modelabel ‚Atticus‘ sogar ne kleine DJ-Tour durch Deutschland und Österreich gemacht. Bei all den Parties ist mir immer wichtig, dass ich MEINE Lieblingsmusik spiele oder zumindest selber zu den Songs tanzen würde! Metalcore, Evanescence oder System Of A Down wirst Du nicht bei mir hören. Aber ein paar poppigere Töne müssen auch immer für die Mädels dabei sein, ich habe nix gegen Dashboard Confessional, Artic Monkeys und Placebo, denn wenn die Frauen tanzen, dann trinken auch die Männer und sind gut drauf, und alle freuen sich.

Allschools: Du sprichst also ein sehr gemischtes Publikum an.

El Pogo: Yep, da kommen Punkrocker, Skater, auch ein paar Rockabillies, die sich aufgrund des Namens vorbeitrauen, zwar mehr Rock’n’Roll erwartet hätten, dann aber trotzdem ne Menge Spaß haben. Dann haben wir auch ganz viele Indie-Leute, die ja wegen des Trends eh in allen Clubs stark vertreten sind und die man einigermaßen in Grenzen halten muß, denn reine Indiepop-Abende gibt es schon genug. Und meine Freunde von der Emo/Screamo-Fraktion werden auch langsam lockerer, haha! Dazu lassen wir Skate- und Rock-Videos laufen, um auch optisch zu untermalen, um was es uns geht: zickezacke Hühnerkacke...!

Allschools: Nenn uns doch mal Deine Alltime-Favoriten!

El Pogo: Oh, das ist schwer, weil so viele... Bad Religion, Green Day, Rancid und NOFX finde ich immer großartig, schon aus Prinzip. Auch wenn meine Freundin darüber total abkotzt... Ich liebe Hot Water Music, Blink 182, Foo Fighters und Samiam! Sublime und Skapunk sorgen quasi in jeder Stadt für ne volle Tanzfläche, dazu guter Surf’n’Roll zum Auflockern, und obendrauf Social Distortion, die Ramones und Misfits. Es gibt einfach so viele gute kleine Bands, vor allem entdecke ich immer alte Bands aus den 80ern und 90ern, die mir am Besten gefallen. Das war einfach ne tolle Zeit! Down By Law, Adolescents, Agent Orange, Dead Kennedys, Dag Nasty, Operation Ivy... Aber keine Angst, in der Disco wird es kein Oldie-Programm eines alten Punkrockers geben, haha! Nur Hits Hits Hits!

Allschools: Was sind dann die nächsten Termine der ‚Rock’n’Roll Highschhool‘?

El Pogo: Am 24.02. im Bei Chez Heinz in Hannover! Und wer Zeit und Lust hat, checkt mal myspace.com/elpogo! Danke!