Interview mit Elijah Witt und Devin Clark (CANE HILL)

17.11.2016
 

 

Ihr kommt ja aus New Orleans – ein Ort, der berühmt für seine Musikszene ist. Wie habt ihr zur Musik gefunden?

Devin: Ich denke für mich hat alles angefangen, als mein Vater Led Zeppelin IV gehört hat und ich es mitbekam. Da sprang der Funke über und ich wollte selbst in einer Band spielen. Später habe ich dann festgestellt, dass ich tatsächlich dazu in der Lage bin in einer Band Schlagzeug zu spielen. Also habe ich mich immer mehr darauf fokussiert.

Elijah: Bei mir fang es damit an, dass ich Rock gehört habe, so Sachen wie NICKELBACK, und Livevideos angeschaut habe. Dann war ich von der Idee in einer Band zu spielen ziemlich angetan. Da war ich vielleicht 11 Jahre alt oder sogar erst acht. Ich wollte auf Festivals spielen, weil ich gesehen habe, dass dort Toilettenpapierrollen durch das Publikum fliegen. Das hat mir sehr gut gefallen. Aber dann stellte ich fest, dass ich kein Rhythmusgefühl hatte und kein Instrument spielen konnte, also musste ich mir etwas Anderes überlegen.

Also musstest du notgedrungen Sänger werden?

Elijah: Genau!

 

Ihr seid ja noch nicht so wahnsinnig lange im professionellen Musikbusiness zu Hause. Wie ist das jetzt für euch? Habt ihr euch das alles anders vorgestellt? Seid ihr enttäuscht?

Devin: Für mein naives-Ich, ist es keine Enttäuschung. Für mein realistisches-Ich schon. Ich verstehe jetzt erst, was das alles bedeutet. Die Erkenntnis, dass es nicht so ist, wie alle immer behaupten, kommt erst mit der Zeit. Alle sagen immer: „Die Musik bringt uns hier und dort hin und wir können dieses und jenes machen“, aber in Wirklichkeit ist es gar nicht so.

Elijah: Es ist verdammt harte Arbeit. Ich bin davon nicht enttäuscht. Es ist aber nicht im Geringsten, wie man es sich vorstellt wenn man ein Kind ist. Aber das sollte einen auch nicht davon abhalten es nicht zu tun. Trotz all der Arbeit kann ich die Welt bereisen und vor tausenden von Leuten spielen, die keine Ahnung haben wer wir sind. Und ich muss keinen richtigen Job haben, was ziemlich gut ist.

 

Welchen Beruf hättet ihr denn, wenn ihr nicht in einer Band spielen würdet?

Devin: Ich würde Flugzeuge fliegen. Also ich wäre Pilot geworden. 

Elijah: Ich habe angefangen zu studieren und wollte Geschichts-Dozent werden.

 

Ihr habt im Juli eure erste LP Smile veröffentlicht. Auf dem Cover bist du, Elijah, zu sehen. Dein Mund ist voller Schmuck. Wieso habt ihr euch für dieses Motiv entschieden und was hat es mit dem Album zu tun?

Elijah: Es soll die Überflussgesellschaft darstellen. Ich kotze quasi materiellen Eigentum aus. Wenn man sich im Moment die Gesellschaft anschaut, dreht sich alles nur darum, was man hat, was man sich kaufen kann, was man in Vergleich zu anderen nicht hat. Ich kotze also alles aus, was man kaufen kann, weil es alles ist, worum sich die Menschen zur Zeit kümmern.

Würdet ihr auf eurer nächsten LP musikalisch gerne etwas Anderes machen oder mit einer bestimmten Person zusammenarbeiten?

Elijah: Viele arbeiten gerade mit Saxophonen und Trompeten. Also ich glaube, das werden wir nicht machen. Aber weil Ryan und James viel LSD konsumieren, habe ich schon damit gescherzt eine Sitar miteinzubauen. Also quasi den Beatles zu folgen und eine Art Sgt. Pepper’s zu machen. Spaß beiseite. Wir würden gerne mit Brandon von ATREYU schreiben. Wir haben schon mal darüber geredet. Das wäre echt der Wahnsinn. Unser Hauptanliegen ist aber nicht die Zusammenarbeit mit anderen Leuten. Wir wollen eigentlich einfach nur Zeit, weil wir immer in Zeitdruck sind. Ich denke, wir könnten bessere Musik produzieren, wenn wir mehr Zeit hätten. Und außerdem wäre es wünschenswert, die Aufnahmen nicht inmitten einer Stadt  zu machen. Da passen wir einfach nicht hin. Wir sind keine Stadtkinder. Wir sind alle auf dem Land groß geworden.

Wo habt ihr Smile denn aufgenommen? LA?

Elijah: Genau. Die beschissenste Stadt der Welt.

Devin: Wir hassen LA.

Elijah: Die Stadt war die Hauptinspiration für das Albumcover. Alle sind aus Plastik gemacht. 16-jährige Mädchen lassen sich die Brüste vergrößern, die Männer verbringen 98% ihrer Zeit im Fitnessstudio, nur um die größtmöglichen Muskeln zu haben, alle geben zu viel Geld für Markensachen aus. Wegen all diesen Sachen mögen wir LA nicht. Wir kommen aus einer ganz einfachen Gegend in New Orleans.

 

Was sagt ihr denn dazu, dass Donald Trump der nächste Präsident der USA wird?

Elijah: Er hat sein Kabinett hauptsächlich mit antisemitischen Weißen besetzt. Er hat außerdem einen Kandidaten in seinem Kabinett, der denkt die Welt sei 6000 Jahre alt und der glaubt, dass Homosexualität von Dämonen hervorgerufen wird. Sein Vizepräsident denkt, dass man Homosexuelle einen Schock verpassen kann und sie dann wieder hetero sind. Ich scheiße auf das, an was Trump glaubt. Mir ist es scheißegal, was er macht. Er hat die eine weiße Mittelklasse für sich begeistert, die denken Menschen anderer Rassen, Ethnien oder Religionen hätten ihnen irgendetwas weggenommen. Angriffe gegenüber Muslimen haben sich in den letzten sechs Tagen verdoppelt. Frauen betreten die U-Bahn und müssen sich anhören, dass man ihnen einfach zwischen die Beine fassen kann, weil Trump sagte man könne das. Er ist ein schlechter Präsident. Was er getan hat verkörpert die ganze Engstirnigkeit und den Fanatismus, für die Mittelamerika so bekannt ist. Wir kommen aus dem Süden und erleben es sehr oft. Schwarze, die zum Beispiel in der Schule von weißen Mitschülern Schlingen um ihren Hals gelegt bekommen.

Devin: Trump hat den Leuten den Weg dafür frei gemacht Dinge, gegenüber welchen man Respekt haben sollte, mit den Füßen zu treten.

Elijah: Das Schlimmste daran ist, dass wir nur zuschauen und nichts dagegen unternehmen können. Wenn sich in den folgenden Monaten nicht irgendetwas massiv ändert, können wir uns auf sehr schlimme vier Jahre einstellen.

Devin: Oder vielleicht sogar acht.

 

Auf eurem Album findet sich ein ziemlich Amerika-kritischer Song. Er heißt „MGGDA“ (My Good-Goddamn America). Ward ihr also auch mit Obama nicht zufrieden oder worum geht es in dem Lied genau?

Elijah: Ich finde, Obama hat eine Menge toller Sachen gemacht. Er ist ein großer Befürworter der gleichgeschlechtlichen Ehe und hat sie im ganzen Land legal gemacht. Es erstaunt mich immer noch, dass es bis zu diesem Jahr gedauert hat es endlich durchzusetzen. Er ist ein Verfechter von Frauenrechten und dafür, dass alle gleich viel verdienen, egal welches Geschlecht oder welche Hautfarbe sie haben. Ich habe also kein Problem mit Obama. Der Song handelt von Leuten, die materielle Dinge und Prominente verehren, anstatt sich um echte Probleme zu kümmern. Der Hollywood-Lifestyle ist das Todesurteil für Amerika. Das gehört zu dem Thema „Ich hasse Los Angeles“.

 

Eure Lyrics sind ziemlich ernst, was ja für Metal ziemlich normal ist. Aber stellt euch doch mal bitte vor, was passieren müsste, damit ihr einen glücklichen, unbeschwerten Song schreibt.

Elijah: Ich müsste glücklich sein.

Bist du denn nie glücklich?

Elijah: Mh...es gibt schon Dinge, die mich glücklich machen. Ich liebe Hunde. Aber der Zustand, in welchem sich die Welt zur Zeit befindet, ist sehr unbefriedigend. Wenn farbige Menschen und Frauen die selben Rechte wie alle Menschen haben, wenn die Leute aufhören den amerikanischen Ureinwohnern Ländereien wegzunehmen, wenn die Vorstellung von weißen Menschen von ihrem vorherbestimmten Schicksal und ihrer Bürde nicht mehr existiert, wenn Antisemitismus, Homophobie, Transphobie und alle diese Dinge verschwinden – dann gibt es vielleicht nichts mehr, das mich verärgern würde. Dann wäre ich vielleicht glücklich.

 

Wie gefällt euch denn Deutschland?

Elijah: Ich liebe Deutschland. Deutschland ist toll.

Devin: Deutsche schätzen Musik sehr.

Elijah: Das Catering in Deutschland ist großartig. Deutschland behandelt Musiker sehr gut. In Amerika geben sie dir vielleicht fünf Dollar und damit kannst du machen was du willst. Ich bin schon seit 15 Jahren von Deutschland fasziniert. Es ist cool hier zu sein und alles in echt zu sehen. Als wir bei Rock im Park in Nürnberg spielten, habe ich das Podest, auf dem Hitler am Reichsparteitag stand, gesehen. Ich wusste wegen meines Geschichtsstudiums darüber Bescheid. Hinauf durfte ich aber nicht.

 

Es existiert noch keine deutsche Wikipedia Seite von euch. Was würdet ihr gerne auf einer über euch lesen?

Devin: Eigentlich das, worüber Elijah die ganze Zeit geredet hat. Wofür wir als Band stehen. Wir sind nicht hier um Leute glücklich zu machen, sondern wir wollen Leute aufwecken und sie darauf aufmerksam machen, was in der Welt vor sich geht. Es ist lohnt sich darüber verärgert zu sein. Man darf nicht einfach darüber hinweg sehen. 

Wisst ihr schon wann ihr zurück nach Deutschland kommt, um weitere Shows zu spielen?

Devin: Es wäre toll nächstes Jahr wieder herzukommen.

Elijah: Es kommt drauf an, wie wir jetzt auf der Tour ankommen. Bis jetzt war es ziemlich gut. Vielleicht nicht nächstes Jahr, sondern das darauffolgende.

  

Jetzt habe ich noch ein paar Fragen, die aus einigen Songtiteln von Smile bestehen:

Was ist „True Love“?

Elijah: Eine verdammte Fantasie. Die guten Erinnerungen an eine Beziehung, die man immer im Gedächtnis behält. So wie ich es sehe, folgen auf die Höhen einer Beziehung immer Tiefen. Also besteht wahre Liebe daraus, sich an den guten Erinnerungen festzuhalten. Wenn es dann vorbei ist, kannst du dich zumindest an Dinge zurück erinnern, die du genossen hast.

Devin: Hunde sind für mich eine wahre Liebe. Schlagzeug spielen auch. Nicht Beziehungen. Definitiv nicht Beziehungen, weil die mies sind.

Was ist eure „Fountain of Youth“?

Elijah: Gras.

Devin: Viel Marihuana.

Was ist euer Lieblings-„Cream Pie“ Dessert?

Elijah & Devin: Moon Pie.

Welches „Strange Candy“ habt ihr mal gegessen?

Devin: Eine SweeTart umhüllt von LSD.

Elijah: Reese’s Cups, die anstatt mit Erdnussbutter mit Vanillecreme gefüllt sind. Lollies in Penisform.