Interview mit Escapado

18.05.2008
 

 

Schon Monate vorher fieberte ich dem Tourstart von Escapado am 15. Mai entgegen, sollte dieser doch im Dortmunder Bakuda Klub und somit quasi direkt vor meiner Haustür stattfinden. Natürlich lag es da nahe die Jungs für ein Interview vor das Aufnahmegerät zu zerren. Da der Veranstaltungsort zudem über keinen wirklichen Backstageraum verfügte und die Vorband kurz vor ihrem Soundcheck stand, kämpfte ich mich mit Helge (Gesang), Christoph (Schlagzeug) und Gunnar (Bass) durch den strömenden Regen wieder zurück zu meiner Bude, wo wir es uns in der Küche gemütlich machten. Auch nicht schlecht…

Ich hab im Blog auf eurer Seite gelesen das bereits 1/3 der neuen Platte stehen.
Könnt ihr uns schon einen Eindruck geben oder ist das alles noch top secret?


HELGE: Also, dass hat Sebastian geschrieben, der schreibt auch alle Songs und ich sag mal vier Songgerüste sind jetzt schon fertig.
CHRISTOPH: Am fünften sind wir grade dran.
HELGE: Aber ist natürlich etwas übertrieben, wir haben neue Ideen und neue Songstrukturen. Nur was ich jetzt mit dem Gesang drüber mache, das steht noch gar nicht. Texte habe ich zwar geschrieben, aber die müssen dann jauch wieder zur Musik passen. Mal gucken was da überhaupt draus wird, wahrscheinlich war Seb da selbst gerade motiviert und euphorisch. Natürlich haben wir alle Bock wieder ’ne neue Platte zu machen, aber das schon 1/3 der neuen Platte fertig sind, ist ein bisschen übertrieben.

Du hast meine zweite Frage schon vorweg genommen. Ich wollte nämlich wissen, ob ihr vorhabt demnächst noch mehr Klargesang einzusetzen. Bei 'Solang du weißt' habt ihr ja einen ganzen Song über mit melodischen Vocals gearbeitet.

HELGE: Ich denke nicht, dass es öfter wird, als es auf der letzten Platte war. Kann ich mir jetzt gerade nicht vorstellen, aber wie gesagt, es dauert noch und wir probieren ein bisschen rum und sehen was sich ergibt. Ich hab mir jetzt nicht fest vorgenommen bei der nächsten Platte drei Songs klar zu singen oder so.

Bei der "Initiale" sind mir vor allem die Postrock-Reminiszenzen, wie z.B. am Ende von '7:58', beim Instrumental 'Stillleben' und dem Abschlusstrack 'Ausgeblendet', aufgefallen. Haben euch Bands aus dieser Stilrichtung beeinflusst?

HELGE: Auf jeden Fall. Wir mögen instrumentale Postrock-Sachen oder auch Isis und Envy. Ich war letztes Jahr ja auch auf einem Konzert…ich hab’ grad vergessen wie die hießen…es waren Schweden…ich glaub’ es waren Cult Of Luna. Wir mögen auf jeden Fall auch solche Sachen und ich denke, dass hört man schon raus.

Welche Bands hört ihr denn generell so privat?

HELGE: Das ist ganz, ganz unterschiedlich.
GUNNAR: Von Klassik bis Grindcore.
HELGE: Tatsächlich. Von Folk-/Songwriter-Musik über Melody-Punk…also das klingt jetzt so blöde, aber wir hören wirklich querbeet.
CHRISTOPH: Wir sind jetzt nicht auf eine Sache stur fixiert, sondern wirklich sehr offen.

In einem Live-Bericht über euch (ich glaub es war im FUZE) stand mal, ihr wäret nur ein unnötiger Aufguss von deutschen Neunziger-Hardcore-Bands wie Yage oder Loxiran? Was meint ihr dazu?

CHRISTOPH: Das stimmt (lacht). Wenn so viele Leute zu unseren Konzerten kommen, wünschen sie sich ja scheinbar die Neunziger zurück, also kann das ja nicht sooo verkehrt sein, was wir machen.
HELGE: Das stört mich jetzt eigentlich nicht, dass Escapado mit diesen Bands verglichen wird. Wir mögen die Bands ja auch. Nur als wir angefangen haben Musik zu machen, kannten wir Yage und Loxiran gar nicht. Also von der Intention her, genau das wollen wir jetzt machen, war das eigentlich nie.
CHRISTOPH: Was uns damals ziemlich beeinflusst hat war das Angstzustand-Ding.
HELGE: Ja genau. Sebastian hat die sehr viel gehört, als wir angefangen haben.
CHRISTOPH: Die hatten ja auch live so ’ne krasse Präsenz, dass war echt arg und hat uns nur geblufft. Da hat man dann gedacht, dass will man auch machen, weil es den Leuten und der Band so viel Spaß gemacht hat und dann hat sich das so ergeben.

Wieso habt ihr euch, als ihr die Band gegründet habt, für deutsche Texte entschieden?

CHRISTOPH: Ich hab’ mit Sebastian schon ganz zu Anfang in verschiedenen Konstellationen Musik gemacht, das war mehr oder weniger Hamburger Schule, so Tocotronic-Style, also wirklich unterste Schiene, ganz schlecht…
HELGE: Nicht das Tocotronic jetzt schlecht wären…
CHRISTOPH: …aber wir waren es (lacht). Aber dann haben wir irgendwann die Kurve gekriegt und einen glatten Schnitt gemacht, dass war auch die Angstzustand-Zeit…
HELGE: Ja da haben wir dann vermehrt Hardcore gehört und wollten etwas härteres machen. Und das mit den deutschen Texten kommt daher, dass der Seb vorher gesungen hatte und er auch schon deutsche Texte verwendete, dann hab’ ich die einfach übernommen, bevor ich angefangen habe selber zu schreiben. Ich hab’ das einfach so weiter geführt wie er das angefangen hatte.

Könntet ihr euch denn trotz der deutschen Texte vorstellen auch mal im Ausland zu spielen?

HELGE: Na klar, wir würden natürlich gerne im Ausland spielen.
CHRISTOPH: Es gibt immer über MySpace irgendwelche Anfragen, dass man irgendwo spielen soll. Scheinbar funktioniert Musik doch als eine Weltsprache. Die Leute kriegen schon mit was vermittelt werden soll, auch wenn sie die Wörter vielleicht nicht verstehen.
HELGE: Wir spielen auf dieser Tour ja auch in Österreich (grinst). Immerhin.
CHRISTOPH: In Dänemark waren wir auch schon.
HELGE: Es waren bisher ja auch immer so ein paar organisatorische Sachen, die im Wege standen. Wir studieren halt alle und es ist natürlich etwas zeitaufwändiger so was zu organisieren und da ’ne
einigermaßen gute, nette Tour draus zu machen, sei es jetzt in Amerika oder keine Ahnung…
CHRISTOPH: Ja Japan oder China, das würd’ mich jetzt noch mal reizen, um diesen Kulturclash mal selber zu erleben.

Bei euren Shows ist immer ein sehr gemischtes Publikum am Start, also nicht unbedingt die typischen HC-Leute, sondern auch viele Menschen, die sonst eher softere Musik hören. Wieso zieht ihr Leute an, die sich sonst, allein schon aufgrund der geschrienen Vocals, nicht mit dieser Art von Musik beschäftigen würden?

HELGE: Ich denke da wir jetzt auf Grand Hotel Van Cleef sind, denken einige wahrscheinlich, „Joa Gran Hotel Van Cleef, guck ich mir mal an“. Würde ich einfach mal sagen.
CHRISTOPH: Obwohl Helge, das war vorher auch schon so, wir hatten schon immer ein sehr heterogenes Publikum.
HELGE: Ja stimmt eigentlich schon.

Bei euren Shows hauen sich die Leute ja auch nicht gegenseitig auf die Fresse.

CHRISTOPH: Das wollen wir auch gar nicht, da intervenieren wir auch, von wegen Wall Of Death und so. Mmh…was wollt’ ich jetzt noch mal sagen zu den verschiedenen Leuten…
GUNNAR: Vielleicht hat unser Publikum auch Angst zu echten Hardcore-Shows zu gehen.
CHRISTOPH: Da hätt’ ich aber auch Angst vor. Ich würd’ mich auch nicht in die Mitte von ’nem Circle-Pit stellen mit fliegenden Fäusten und so…ne lass mal.

Fühlt ihr euch denn irgendeiner Szene zugehörig?

HELGE: Wir haben hier und da nette Kollegen, nette Bands, aber das ist jetzt auch nicht so im Hardcore-/Screamo-Bereich oder wie man das nennt. Also Szene würd’ ich das nicht nennen, das sind einfach nette Bekanntschaften, nette Freundschaften, die sich so entwickelt haben.

Ich habe daran gedacht, weil es ja auch noch andere auf Deutsch singende Punk- und Hardcore-Bands gibt, wie Turbostaat, Antitainment oder Captain Planet.

HELGE: Ja klar, mit denen, die du aufgezählt hast, haben wir auch schon gespielt. Man kennt sich dadurch und das ist nett, aber Szene würd’ ich das nicht unbedingt nennen.
CHRISTOPH: Stellt sich natürlich auch die Frage, wie man Szene definieren will. Anhand von vier Bands ist das jetzt natürlich etwas schwierig abzugrenzen oder anhand des Haarschnitts…

Ich habe das Gefühl ihr fühlt euch auf der Bühne immer ein bisschen unsicher und steht nicht gerne im Mittelpunkt. Wie ist es für euch live zu spielen? Versinkt ihr ganz in den Songs und betrachtet den Performance-Aspekt als lästiges Übel?

HELGE: Übel würd’ ich nicht sagen, aber es stimmt schon, das wir eher in den Songs versinken, als die großen Show-Animateure raushängen zu lassen. Mein Ding ist das auf jeden Fall nicht, das könnt’ ich auch gar nicht. Es macht auf jeden Fall super viel Spaß die Songs live zu spielen, man ist dann da irgendwie so drinne und wenn man merkt es kommt was vom Publikum zurück, schockt das natürlich auch…nur jetzt irgendwie so, „Jetzt alle!“ und so…das ist nicht so meins.

Worauf sind denn eure niedrigen CD- und Merchandise-Preise zurückzuführen? Generell wird ja gesagt, dass im Musikbusiness jetzt vielmehr über den Livsektor läuft und die Künstler ihre Kohle hauptsächlich durch Tickets und Merch reinholen wollen, umso die sinkenden Plattenverkäufe zu kompensieren. Eure Preise sind aber immer noch mehr als fair.

HELGE: Über die Masse, wir verkaufen halt soviel…(lacht)
CHRISTOPH: Und du darfst nicht die kleinen Kinder im Ausland vergessen, die die Sachen für uns produzieren, die kriegen ja nichts, die kriegen ja gar nichts…Nein…ähh…wir wissen das ja selber, alle haben wenig Geld und wir machen das ja auch nicht hauptberuflich und freuen uns halt wenn am Ende der Tour was übrig bleibt. Ich find’s geiler wenn mehrere Leute mit dem T-Shirt rumlaufen, als wenn jetzt ein Shirt 50 Euro kostet…oder…oder?
HELGE und GUNNAR: Ja!

Renke Ehmcke von Zeitstrafe ist ja ein sehr, sehr guter Kumpel von euch. Hat es euch nicht leid getan, als ihr sein Label verlassen und dafür bei Grand Hotel Vand Cleef unterschreiben habt. War er sauer auf euch?

HELGE: Er ist ja noch mit dabei, er macht ja noch die Vinylscheibe von der „Initiale“.
CHRISTOPH: Er ist ja auch heute und die ganze Tour mit dabei, da hat sich nichts getan. Ist alles noch Friede, Freude, cooler Typ. Man trifft sich ja auch so. Gunnar und er sind sogar Nachbarn. Ist alles beim alten geblieben, Freunde halt…

Ihr seid ja noch alle Studenten. Wisst ihr wie es nach dem Studium mit der Band weitergehen soll? Soll die Musik für euch einmal werden als nur ein Hobby?

HELGE: Mmh…teils, teils…
CHRISTOPH: Gerne. Es ist ja schon mehr als ein Hobby…
HELGE: Also wir machen jetzt auf jeden Fall dieses Jahr Band, nächstes Jahr wohl auch größtenteils…was dann passiert und was wir dann entscheiden, wissen wir jetzt noch nicht. Also 2008 und 2009 wollten wir auf jeden Fall noch Shows spielen und ’ne neue Platte machen…was dann ist, mal gucken…kann ich jetzt nicht sagen.