Interview mit Have Heart

14.07.2009
 

 

Wieso macht ihr als Have Heart bald keine Musik mehr?

JD: Wir hassen uns. (alle lachen) Nee nee, ich mache nur Spa߅
Patrick: Wir wollen es einfach nicht mehr weiter machen. Manchmal macht man Dinge lang genug und man will es dann nicht übertreiben.

Ist es der ganze Fame?

JD: Ich denke nicht, dass es der Fame ist. Es geht mehr um das Touren. Wenn man die ganze Zeit auf Tour ist, wird es irgendwann ziemlich anstrengend.

Patrick: Wir haben uns einfach ausgebrannt. Mit dieser Band gab es niemals den Plan, außerhalb von Massachusetts zu spielen. Das heißt dann auch, dass wir niemals den Anspruch hatten, eine Band zu sein, die Vollzeit auf Tour ist. Wir haben es dann trotzdem gemacht. Und das passiert einfach, wenn man Dinge tut die man nicht vorhatte. Irgendwann mag man sie nicht mehr. Man tut es dann für eine Weile und dann ist es aber auch gut. Wir sind glücklich mit dem was wir gemacht haben und hatten eine gute Zeit. Vielleicht macht das Ende unserer Band Platz für tolle neue Bands.

Wie ihr schon meintet, seid ihr die ganze Welt abgetourt. Und natürlich gibt es nicht DIE Szene…Aber was würdet ihr sagen, sind die größten bzw. sichtbarsten Unterschieden zwischen den Szenen der Kontinente?

P: Eben. Ich finde es immer schwierig, diese Frage zu beantworten. Ich meine, ich kenne nicht mal meine eigene Szene zuhause. Jede Szene ist anders und jeder hat andere Herangehensweisen. Aber um die Frage trotzdem zu beantworten: Ich hatte immer das Gefühl, dass in Europa mehr Leute unterwegs sind in der Szene als jetzt zum Beispiel in den USA. In Asien sind die Kids aus meiner Erfahrung viel gemeinschaftlicher eingestellt. So hat beispielsweise eine Gruppe von 10-20 Kids zusammengelegt, um uns in ihre Stadt zu bekommen, weil wir das nicht finanzieren konnten.

Und laufen die Shows gleich ab? Ich dachte nur, wie wohl die Leute in Asien oder Südamerika abgehen?

P: Du meinst ausrastende Kids? Ja, das war auch in Asien so…
JD: Das haben alle Szenen gemeinsam, die Reaktionen der Kids. In Südamerika hatten die Menschen in der Szene eine unglaublich starke Bindung. Es war keine große Szene, aber die Kids haben zusammengehalten. Wir haben uns da sehr wohl gefühlt. Das gleiche gilt natürlich auch für Europa.

Hört ihr neben Hardcore noch andere Musikrichtungen, geht ihr zu anderen Konzerten?

P: Er hier (zeigt auf JD) ist verrückt nach Prodigy, er liebt das neue Album. (Alle lachen). Das war natürlich ein Scherz. Mir fällt es schwer zu anderen Live Veranstaltungen zu gehen, weil Hardcore so einzigartig ist, mit der Beteiligung von allen und so. Mir fällt es dann sogar bei Folk oder Rock Sachen schwer, einfach nur da zu stehen. Aber natürlich mag ich auch andere Musikstile.
JD: Wenn du mit uns im Van fahren würdest, würdest du kein Hardcore hören. Da hören wir alles, aber keine laute Musik…

Was haltet ihr von der Entwicklung Richtung Web 2.0, also Myspace und so? Findet ihr das gut, oder wärt ihr lieber eine Hardcore Band vor 10, 20, 30 Jahren?

P: Es hat gute Seiten, so macht es zum Beispiel das Touren wesentlich einfacher. Dadurch touren aber natürlich viele viele Bands und konzentrieren sich nur auf diese schöne spaßbringende Seite des Band-seins. So toll Touren und Leute kennen lernen auch ist, die Menschen konzentrieren sich dadurch weniger auf die Musik. Außerdem wurde Musik allzeit verfügbar und Kids schätzen gar nicht mehr den Wert und die harte Arbeit hinter der Musik. Man kann sie nicht mehr anfassen und liest keine Lyrics mehr, sondern drückt nur noch auf einen Knopf. Das hat die Hardcore Szene drastisch verändert. Und da liegt es dann an der neuen Generation von Hardcore Kids, wie sie damit umgeht. Als ich mit Hardcore angefangen habe, ging es um mehr als einfache Sing-a-longs oder catchige Songs.

JD: Als ich in die Szene gekommen bin, musste ich lange suchen, um Bands zu finden, die mir aus der Seele sprechen. Das wurde mit der Zeit immer einfacher. Jetzt sieht es so aus, dass Kids nur noch auf Myspace gehen müssen. Ich glaube das führt dazu, dass die Musik einem nicht so wichtig ist, wenn man nicht wirklich danach suchen muss.

Euch nervt also der Konsumaspekt? Man konsumiert für kurze Zeit und lässt die Sache dann wieder los?

P: Jedes Hardcore Kid was ich heutzutage treffe, ist der „most collected son of a bitch“, den ich je getroffen habe. Niemand hat einen Stil von Hardcore den sie mögen. Man muss alle Stile mögen und jede Band kennen. Das kann ja ganz schön sein, aber nicht wenn alle alles wissen und kennen. Ich hätte lieber einzelne Personen die für ihre Sache einstehen und das dann beitragen.

JD: „falsely opinionated douchebag“ (alle lachen)

P: Ja die Kids heutzutage denken, sie müssen alle Bands kennen und über alles Bescheid wissen. Das führt dazu, dass sie alles runterladen, ein paar Mal hören und es nie richtig mögen.

JD: Und sie können bei all dieser Musik nicht mehr einen kleinen Teil nehmen und lieben.

Ihr unterstreicht öfter, dass ihr harte Arbeit gut findet und auch danach strebt. Ich denke beim Begriff „harte Arbeit“ irgendwie immer an kapitalistische Ausbeutung. Ich will euch das jetzt nicht vorwerfen. Könnt ihr trotzdem kurz sagen, was ihr damit genau meint.

P: Das kommt nicht aus einer kapitalistischen Mentalität. Denn ich denke in einer sozialistischen Gesellschaft wäre harte Arbeit umso wichtiger, weil du es für die Gemeinschaft und aus Eigenmotivation machst. Darüber hinaus heißt harte Arbeit für mich auch nicht faul zu sein, alles zu geben für etwas was man liebt. Wenn du etwas hast was du liebst, musst du auch alles was du hast reinwerfen. Tut man das nicht, wird alles nur durchschnittlich. Und Durchschnittlichkeit ist wie eine Seuche. Es scheint mir, als ist es heutzutage zu einfach, mit Faulheit in der Hardcore Szene durchzukommen. Es ist immer ok, seine Meinung zu sagen, aber die ist für mich einfach nur faul, wenn man sich nicht voll reinhängt in seine Sache.

Würdest du sagen ihr seid eine politische Band?

P: Mmh, nein, aber meinst du eine Band mit sozialem Bewusstsein?

Naja, einfach politisch. Was immer das für euch bedeutet.

P: Ich hab den Begriff politisch immer gehasst, weil er so mehrdeutig ist. Ich denke dabei an Diplomatie und so was. Sozial bewusst („socially conscious“) dann schon eher. Das bedeutet für mich, sich dafür zu interessieren, was in der Welt abgeht.

Gut, dann sozial bewusst.

P: Sorry, aber der Begriff politisch ist einfach so mainstream. Und Bands kommen einfach viel zu einfach damit davon, wenn sie sagen, sie sind eine politische Band.

Ich meinte jetzt auch nicht unbedingt, am Wahltag wählen zu gehen. Dann schon eher die Gesellschaft zu verändern.

P: Das bedeutet für mich dann eine Veränderung des Selbst („self-revolution“). Klar interessiert mich auch was in der Welt passiert, es hätte sich mit der Band aber nicht richtig angehört darüber zu singen. Das heißt auch nicht, dass wir nicht nach etwas Besserem streben würden. Unsere Message war einfach immer das an sich selbst arbeiten.

Kommt daher auch dein Weg des straight edge?

P: Mit der Veränderung des Selbst? Ja.

Willst du kurz sagen, was straight edge für dich bedeutet?

P: Ich glaube ich hab oft genug gesagt, was es mir bedeutet. Menschen die es interessiert, sollten das mittlerweile wissen…

In einem Satz vielleicht?

P: War jetzt auch nicht so gemeint und ich wollte auch nicht wie ein Arsch klingen. Ich habe die Frage nur schon 400mal beantwortet. Es ist für mich einfach nur eine persönliche Richtlinie für Sachen die ich nicht machen will. Es hilft mir, mich auf andere Sachen zu konzentrieren. Es ist mir auch egal, ob Menschen straight edge sind oder nicht.

Jetzt mal ne andere Frage: Was macht dieses Foto mit den Hooters Girls auf eurer Myspace Seite?

(alle lachen)
P: Ein Freund war in einer Band und hatte ein Have Heart Shirt an. Er hat sich mit den Hooters Girls fotografieren lassen. Wir fanden es witzig, dass er das Have Heart Shirt anhatte. Denken Leute wir unterstützen damit eine sexistische Institution?

Naja, ich dachte schon so, was geht ab? Ich dachte mir dann aber auch, dass es nur irgendein Witz sein kann.

P: Da denke ich müssen Leute einfach mal einen Schritt zurückgehen und das alles nicht so ernst nehmen. Wir wollten zu keinem Zeitpunkt Hooters bewerben oder unterstützen. Wir fanden das nur witzig. Wir sind keine „spring break bro dudes“…

Welche Band würdest du auf deinen Mp3 Player machen, wenn nur eine Band raufpassen würde?

P: Eine Band zu der ich irgendwie immer zurück komme ist Unbroken. Oder Fugazi.

Wenn ihr die Orte in denen ihr gespielt habt, nach dem Essen bewerten solltet, was wäre der beste Ort zum Essen?

P: Definitiv nicht Großbritannien. (alle lachen)(lange Pause) Wir hatten gutes indisches Essen.
Ryan B: Süd Korea!
P: Das war ekelig!
JD: Lima, Peru!
P: Uhh yea!
Ryan B: Und Süd Korea! Koreanisches BBQ hat meine Sicht auf Essen verändert!

Letzte Frage: Kommt eine Live DVD?

P: Ja, wir planen das schon. Wir hatten immer das Gefühl, dass ein großer Teil von Have Heart die Live Auftritte waren. Die Shows sprechen irgendwie für die Band. Außerdem bin ich mit der Aufnahme des ersten Albums nicht zufrieden.

Was gefällt dir an der ersten LP nicht?

P: Erst hat es mir schon gefallen, aber jetzt finde ich den Backup Gesang zu laut. Er wirkt dadurch so künstlich. Mit der zweiten Platte hab ich kein Problem.