Interview mit Los Campesinos!

29.03.2010
 

 

Interview mit Ollie von Los Campesinos!

Fangen wir doch gleich mit der gewöhnlichsten aller Fragen an: Könntest du Dich und deine Band kurz vorstellen?

Hi, mein Name ist Ollie von LOS CAMPESINOS!, einer achtköpfigen Band aus Cardiff in Wales.

Okay, das ging schnell. Ihr habt vor kurzem mit „Romance Is Boring“ euer drittes Album, oder wie ihr es zu sagen pflegt euer zweieinhalbtes Album innerhalb von nicht einmal zwei Jahren veröffentlicht. Woher nehmt ihr all diese Kreativität für einen solch schnellen Arbeitsablauf?

Tom (Gitarrist von LOS CAMPESINOS!) ist im Grunde ständig mit Songwriting beschäftigt. Man muss dazu sagen, dass wir zwar drei Releases innerhalb der letzten 18 Monate oder so veröffentlicht haben, die Songs auf „Hold On Now, Youngster“ jedoch schon einige Zeit vor der Veröffentlichung des Albums entstanden und aufgenommen waren. Einige dieser Songs entstanden noch, während sich die Band zu unserer Zeit an der Universität zusammen fand. Ich denke, dass wir einfach so viel Musik wie möglich herausbringen möchten und so brachten wir die EP (gemeint ist „We Are Beautiful, We Are Doomed“) oder, wie andere zu sagen pflegen: unser zweites Album, heraus und verbrachten viel Zeit damit, unser aktuelles Album zu machen.

Euer zweites Album ist ein gutes Stichwort. Was steckt hinter der Geschichte von „We Are Beautiful, We Are Doomed“? Ihr selbst bezeichnet es ja ausdrücklich nicht als euer zweites Album, obwohl es von der Songmenge und der Länge her definitiv Albumformat hat.

Von der rechtlichen Seite her ist es nicht unser zweites Album, da wir kein Geld vom Label dafür gekriegt haben. Allerdings wollten wir zwischen dem ersten und dem zweiten Album eine EP veröffentlichen, da wir unbedingt live neues Material spielen wollten. Wir haben die Songs von „Hold On Now, Youngster“ über zweieinhalb Jahre hinweg gespielt. Viele Bands spielen die selben Songs des selben Albums über zwei Jahre hinweg live und man sieht diese Bands in dieser Zeit zwei oder drei mal und sie spielen immer noch das Selbe, was mit der Zeit einfach langweilig wird. Also gingen wir in Seattle ins Studio, als wir eine unserer Touren abgeschlossen hatten und kamen mit zehn Songs wieder heraus. Wir dachten nur: „Wow. Und was machen wir jetzt damit?“ Unser Label meinte dann, dass wir diese Songs doch herausbringen sollen. So ist es also ein Album geworden, das keines ist, um die Verwirrung perfekt zu machen. Wir wissen selber nicht genau, wie wir es betiteln sollen.

Alles klar. Ich bin verwirrt. Wie kann ich mir denn die Entstehung eines LOS CAMPESINOS!-Songs vorstellen? Du hast ja eben schon erwähnt, dass euer Gitarrist Tom den Großteil der Songwriting-Arbeit übernimmt. Seid ihr dann überhaupt in diesen Prozess involviert?

Tom schreibt im Grunde die komplette Musik in unserer Band. Wenn er also eine Idee hat, die dann in einem Song endet, sendet er diese an unseren Sänger Gareth, der dann seine Texte darüber legt. Daraufhin treffen wir uns dann entweder im Proberaum, um die Songs auszuprobieren oder lernen die Stücke, wie im Falle unseres aktuellen Albums teilweise geschehen, direkt im Studio. Ich kann mir vorstellen, dass es einigen Bands komisch vorkommen dürfte, ins Studio zu gehen ohne die Songs tatsächlich auswendig zu können, aber für uns ist es eine recht gute Arbeitsweise, da sich einige Lieder im Laufe der Aufnahmephase dann doch noch einmal anders entwickeln.

Eure Studiozeiten dürften damit allerdings überdurchschnittlich hoch ausfallen...

In der Tat. Wir haben für „Romance Is Boring“ mehr Zeit im Studio verbracht als für unsere ersten beiden Alben zusammen. Wir haben hierbei verschiedene Stadien durchlaufen. Wir hörten uns zunächst Toms Versionen der Songs an und haben dann entschieden, ob wir noch etwas verändern möchten. Wir wussten zwar, dass wir ein Album aufnehmen würden, hatten allerdings nicht wirklich eine Idee, wie es schlußendlich klingen würde.

Wie kann ich mir eigentlich euren Proberaum vorstellen? Da müssen ja Unmengen an Instrumenten herumstehen...

Da Tom die meisten Songs in seinem Schlafzimmer schreibt, stehen dort auch viele der Instrumente. Im Proberaum befinden sich im Grunde vor allem die Instrumente, die heute auch auf der Bühne stehen (Anm. d. Verfassers: also eine ziemliche Menge) und einiges an „Spielzeug“, mit dem wir herumexperimentieren.

Herumexperimentieren ist ein gutes Stichwort. Gibt es denn noch irgendwelche Instrumente, die du unbedingt einmal in einem LOS CAMPESINOS!-Song einbauen möchtest?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass es noch einige Instrumente gibt, die wir gerne einmal unterbringen würden, bei denen ich aber nicht weiß, ob das dann tatsächlich jemals der Fall sein wird. Dudelsäcke wären ein Beispiel hierfür. Auf dem neuen Album konnten wir erstmals eine Bläsersektion einbauen, womit wir schon mehr als glücklich sind.

Schön, dass du das neue Album ansprichst. Das klingt nämlich in meinen Ohren weitaus düsterer, verzweifelter und zuweilen auch fieser als speziell die Songs auf „Hold On Now, Youngster“. War dies von Anfang so geplant oder kam es auch für euch eher überraschend?

Ich denke es hat, wie ich schon sagte, damit zu tun, dass wir „Hold On Now Youngster“ vor recht langer Zeit geschrieben haben und nicht unbedingt eine Band waren, die davon überzeugt ist, dass das was wir machen richtig ist. Gareth wusste z.B. auch nicht genau, worüber er schreiben sollte und „durfte“. Als dann die Leute nach den Auftritten zu ihm kamen und ihm gesagt haben, dass sie sich damit identifizieren können, was er in den Songs von sich preisgibt, wurde er auch selbstbewusster bei der Wahl seiner Themen. Ich denke schon, dass das Album düsterer ausgefallen ist, es hat allerdings immer noch eine poppige Schlagseite.

Mir ist zudem aufgefallen, dass das Album deutlich noisiger ist als eure bisherigen Werke. Ein Beispiel hierfür ist auch eure Kooperation mit Jamie Stewart von XIU XIU, einer Band die ich sehr schätze. Wie kam die Zusammenarbeit denn zustande?

Hier muss ich abermals Gareth erwähnen, der ein riesiger XIU XIU-Fan ist. Im Februar 2009 sah er eine Show von ihnen in North Carolina und fragte danach Jamie, ob er auf einem Song des neuen Albums mitarbeiten würde. Glücklicherweise sagte er ja und nahm einige Zeilen für einen der Songs auf, was wirklich toll war.

Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass ihr über „Romance Is Boring“ sagen würdet, dass es euer bislang bestes Album ist. Jetzt würde mich natürlich interessieren, ob es etwas gibt, was ihr nachträglich als nicht so gelungen einstufen würdet oder was ihr gerne anders gemacht hättet?

Ja, das stimmt schon. Ich würde sagen, dass wir mit dem neuen Album einen weiteren Schritt in die Richtung gemacht haben, wie wir klingen möchten. Wir haben das Album im Juli und August des letzten Jahres fertig gestellt und ich höre es mir immer noch gerne an, was mir bei den älteren Alben nicht so gegangen ist. Es gibt allerdings auch immer Dinge, die man gerne auf einem Album machen würde, kleine Hintergrundgeräusche zum Beispiel, bei denen dann einfach die Zeit gefehlt hat. Manchmal würde man ohne Zeitnot gerne noch dies und das machen, aber letztlich ist das alles nichts weltbewegendes.

Vermutlich spreche ich dafür jetzt mit der falschen Person, aber Gareth Lyrics sind meiner Meinung nach sehr scharfsinnig und intelligent. Kannst du etwas über seine Einflüsse und Inspirationen erzählen?

Gareth sind bestimmte Themen mittlerweile deutlich bewusster geworden, zum Beispiel der Tod. Inspiration holt er sich vor allem von Schriftstellern wie B. S. Johnson, der viel über den Tod geschrieben hat und sich selbst durch Ertrinken umgebracht hat, was Gareth auf eine gewisse Weise fasziniert, weshalb es viele Anspielungen auf Wasser in seinen Texten gibt. Auf musikalischer Seite sind es Aidan Moffat von ARAB STRAP, der in seinen Texten gerne Geschichten erzählt. Zudem beeinflusst ihn natürlich vor allem, was um ihn herum passiert. Zum Beispiel war er schon immer ein großer Fußball-Fan. Früher hat er sich nicht wirklich getraut, darüber zu schreiben, aber mittlerweile ist er an dem Punkt angelangt, an dem er sich sagt: „Wenn ich über Fußball singen möchte, dann singe ich über Fußball.“ Er ist in der Hinsicht einfach selbstbewusster geworden.

Kommen wir mal zu einem anderen Thema. Ihr seid eine Band, die sehr häufig tourt. Sind euch hierbei schon großartige Unterschiede zwischen dem Publikum im vereinigten Königreich und dem europäischen Festland aufgefallen?

Das hängt natürlich von dem Ort ab, an dem wir spielen. Wenn wir hier in München spielen, dann sind die Leute sehr lebhaft, während wir in Brüssel zum Beispiel vor einem Publikum gespielt haben, das größtenteils mit verschränkten Armen da stand. Sie mochten die Show aber scheinbar trotzdem und haben auch eine Zugabe verlangt. Es ist wirklich von Ort zu Ort unterschiedlich, auch wenn wir im vereinigten Königreich spielen. Wir können in Glasgow eine Show spielen, bei der die Leute komplett ausrasten und sich verrückt benehmen und dann am nächsten Tag in London vor einem Publikum auftreten, das einfach nur rumsteht.

Ich nehme an, dass ihr dieses Jahr auch einige Festivals spielen werdet. Wie sieht es generell aus? Sind euch kleine Clubs wie dieser lieber oder doch eher die großen Bühnen wie auf dem Melt-Festival?

Das Melt war auf jeden Fall richtig gut. Allerdings werden wir dieses Jahr vor allem auf Festivals in England spielen. Was deine andere Frage angeht, so hängt es auch hier ganz stark vom Ort ab. Das Atomic Cafe, wo wir heute schon zum dritten Mal spielen ist zum Beispiel großartig. Was große Bühnen so toll macht, das ist die Bewegungsfreiheit, speziell mit acht Leuten in der Band.

Das kann ich mir vorstellen. Nun noch zu einem Thema, das wohl mittlerweile jede Band beschäftigt. Was haltet ihr vom Internet und der Downloadproblematik?

Zunächst mal müssen wir einfach einsehen, dass wir jetzt nicht hier miteinander sprechen würden, wenn es das Internet nicht geben würde. Wir sind eine Myspace-Band. Dann gibt es natürlich den Aspekt mit den illegalen Downloads. Ich denke, dass wir alle vor der Zeit in dieser Band Musik heruntergeladen haben. Wenn man jedoch anfängt, in einer Band wie dieser zu spielen, dann merkt man, dass es irgendwie doch weh tut, wenn sich Leute deine Musik herunterladen. Versteh mich nicht falsch: wir möchten, dass unsere Musik gehört wird. Es ist eher das WIE. Wenn man ein Album mit einem Klick herunterladen kann, verschwindet das Bewusstsein dafür, wie viel Zeit, Aufwand und Emotionen hineingesteckt wurden. Den Leuten fällt es schlichtweg nicht mehr auf, was traurig ist. Wenn ihnen gefällt, was sie hören, dann wäre es schön, wenn sie die Band auch unterstützen würden, indem sie zu einer Show kommen oder ein T-Shirt kaufen.

Was ist denn deiner Ansicht nach die beste Art, eure Musik anzuhören? Bevorzugst du eher das CD-Format, Vinyl oder doch MP3s?

Man darf nicht vergessen, dass die Realität so aussieht, dass die allermeisten Menschen heute Musik über ihren MP3-Player oder Laptop-Boxen hören. Wir achten allerdings jedes Mal sehr stark darauf, dass sich unsere Musik auf Vinyl sehr gut anhört und versuchen, hier immer die beste Qualität zu erreichen, die möglich ist. Besonders schön ist es, wenn Leute unsere Musik mit Kopfhörern hören, da es schlichtweg Details gibt, die hier weitaus besser zur Geltung kommen.

Damit wären wir dann auch schon am Ende des Interviews. Vielen Dank für das Gespräch und viel Spaß heute Abend.

Danke. Dir auch.