Interview mit Manuel Andrack

19.12.2005
 

 

Herr Andrack, ich wollte mich ein bisschen mit Ihnen über Punk und Punkrock unterhalten.

Ja! Sehr gut!

Ich hatte gelesen, dass Sie sich als alter Punkrocker bezeichnen und auch der „Zeit“ gegenüber erwähnt haben, dass Sie Ihre Kollegen mit lauter Punkmusik nerven. Wie sind Sie denn zum Punkrocker geworden oder sind Sie es heute immer noch?

Naja, weiß ich nicht…ich höre immer noch gerne lauter, schneller, härter, ne, bin Freund der schnellen Gitarrenmusik. Der Anreiz war eben, wie das so bei vielen ist, so ein bisschen Kontrastprogramm zu der Hippiescheiße. Ich bin ja eigentlich auch im richtigen Alter. Also mich hat es so mit 14 erreicht, 1979, da gibt es super Platten von Clash und so. Der hipste bei uns in der Klasse, sag ich mal, der hatte einen Bruder und der hatte das alles aus England besorgt. Das hat man sich dann halt angehört und das war irgendwie die Erweckung, ne. Hab dann so alles mitgemacht über New Wave, Neue Deutsche Welle, aber wenn ich jetzt so das Buch geschrieben hab, zum Beispiel, also „Du Musst Wandern“, liefen eigentlich immer Ramones dazu, ne.

Das wäre dann ja auch gleich eine Frage: Was hat man denn falsch oder richtig gemacht, wenn man als Punkrocker auf einmal ein Buch über Wandern schreibt. Ich weiß ja nicht ob Wandern jetzt so der „Punkrocksport“ ist…, oder?

Doch, doch, doch! Gerade! Weil man das eben nicht erwartet, weil das na ja, man denkt so spießig und weiß ich nicht was und das ist es nämlich gerade nicht! Es ist nämlich der Punkrock der 0er Jahre Wandern zu gehen!
Also ich mein, diese ganze Verkleidungsgeschichte habe ich eh nie mitgemacht. Also, ich bin weder mit Irokese, noch Sicherheitsnadel, noch Stachelhaaren, noch weiß ich nicht was durch die Gegend gelaufen, das war eher klassisch… Ich sag mal frühe Ramones, frühe Clash, die hatten halt auch irgendwie enge Jeans, Turnschuhe und ne Lederjacke an, ne, und ein paar Badges, das war’s.

Und so war es bei Ihnen auch?

So war es bei mir auch und die Frisur halt normal. Aber nicht weil Mutti es nicht erlaubt hätte, das wäre jetzt nicht der Fall gewesen, sondern das war einfach nicht mein Ding. Im Vordergrund stand schon die Musik.

Und haben sie neben den englischen Bands und eben den Ramones auch noch andere amerikanische Bands gehört. So Hardcoresachen wie Black Flag. Sagt Ihnen das was?

Wenig. Black Flag sagt mir natürlich was, und das haben auch viele meiner Kumpels gehört, aber da hatte ich irgendwie nie so den Bezug zu. Am ehesten noch Bad Religion. Das hat mir schon sehr gut gefallen. Also ich war da jetzt nicht Hammer Fan von, aber… Ich war dann auch schon zu der Zeit bei jedem erreichbaren Toten Hosen Konzert von Anfang bis Mitte der Achtziger. Man kannte auch noch Fabsi und die Mimmis und dann hab ich noch das Konzert von den Ärzten im Luxor mitgenommen 1983. Also, das ging dann auch alles schon irgendwie in die Richtung. Ich hab dann spät in den Neunzigern noch mal die verfetteten Stranglers gesehen, obwohl das ja jetzt auch nie Hammerpunk war. Das wurde immer so ein bisschen mit dazugerechnet. Also, die original englischen Gruppen – und ich hab leider auch die Ramones nie live gesehen – die sind, zwar nicht musikalisch, aber live alle so ein bisschen an mir vorbeigegangen.

Und was ist das letzte Punkrockkonzert wo Sie waren, können Sie sich daran noch erinnern?

Was ist Punkrock?

Das ist auch eine gute Frage, das würde ich vielleicht als nächstes fragen…

Also, von Charlotte Roche bin ich beschimpft worden, dass ich Offspring gut finde.

Ah, die finden Sie gut?

Ja, die find ich leider gut. Da geht’s halt schon gut ab finde ich. Und das war auch eins meiner geilsten Konzerte in den letzten Jahren. Und Bloodhound Gang…ist Bloodhound Gang Punkrock? Teilweise schon finde ich…

Ja, das war schon eine gute Frage, was ist überhaupt Punk?

Ja, was ist heute Punk? Das sind ganz bestimmt keine Ramones Revivalgruppen, und ehhm…Franz Ferdinand…ist das Punk?

Ich würde es jetzt nicht unbedingt verneinen, aber…

Ja, ich würde es aber auch nicht unbedingt bejahen. Es kann mir doch kein Mensch sagen, das sind Punks die da rumlaufen. Punk ist…ich weiß nicht was. Also ich war ja auf einem Franz Ferdinand Konzert, die haben ja zu meinem Geburtstag hier gespielt, im Studio. Weltexklusiv, Weltpremiere mit ihrem Song…
Ja, wo war ich denn noch… Also, was ich auch ganz groß finde, was halt so zwischen Punk und Kitsch changiert ist Ash, ne. Und Weezer. Ist auch kein Punk richtig, aber das sind so die Konzerte, die ich mir reingetan hab.

Sie haben ja schon gesagt, dass es schwer zu definieren ist, aber würden Sie sagen es gibt im Jahr 2005 überhaupt noch irgend so etwas wie eine relevante Punkbewegung? Wenn man das so vergleicht mit der Zeit wo Sie herkommen?

Nein, nein. Fände ich auch albern, fände ich auch irgendwie ein bisschen sehr retro. Ich find mich ja schon immer schrecklich, dass ich dann, wie gesagt, Ramones „It’s Alive“ auflege und wirklich mit one, two, three, four, eins nach dem anderen total glücklich zu machen bin.
Und je mehr ich dann da so von diesem Altvertrauten höre, also das ist meiner Meinung nach auch der Fall bei Franz Ferdinand, wo man dann Sachen aus der guten Jugendzeit wieder erkennt und dann sogar noch ne Mischung aus Disko und harter Gitarrenmusik hat, so was find ich natürlich großartig.
Im Gegenentwurf kann ich halt wirklich nicht House leiden und alles was dann so… Ich mein zig Punkpropheten sind dann ja auch so ins House- und Technolager gewechselt, ne, aber das war halt nie mein Ding. Und da muss ich auch richtig kotzen.
Also, es kann für mich eigentlich nichts primitiv genug sein.

Das hört sich doch gut an.
Wie ist denn das, wenn man davon ausgeht, dass Punk auch etwas mit einer Gegenkultur zu tun hat? Was würden Sie sagen, ist Ihr Chef ein Punk?

Ja, aber er weiß nichts davon. Er ist auch übrigens da, also es gibt ja dieses tolle Buch von…Jürgen Teipel heißt der glaube ich…

„Verschwende deine Jugend“?

Ja, genau. Da wird ja auch irgendwie quasi Harald Schmidt mit einbezogen in diese, na ja, fast schon anarchischen Systeme, ne. Also da könnt ich mich sehr identifizieren: einfach losrotzen, einfach machen, also das ist glaub ich auch was, was wir in der Show die letzten Jahre gemacht haben, vor Allem die letzten Jahre in Sat.1. Nicht irgendwie sauber geschriebene Sketche und geklöppelte Pointen, sondern einfach rausgehen und gucken was läuft. Punkrock, ne. Vielleicht auch mal, dass ne Aktion misslingt und völlig unlustig wird und scheitert. Aber wenn’s gut wird, dann wird’s eben richtig gut. Das ist halt wie Stagediving, ne. Nicht wissen ob einer einen auffängt, sonder einfach rein, also dieses Rohe, also das gefällt mir immer noch. Also nicht, kommt ja auch immer wieder, tolle gedrechselte Harmonien und weiß ich nicht was, Konzeptalbum hier und da. Nein, one, two, three, four, raus und springen und Aggression rauslassen und egal ob man da irgendwie ne Schramme abkriegt oder nicht…

Also waren Sie bei The Offspring auch in der ersten Reihe und nicht hinten an der Bar?

Ja, aber Hallo!!! Da hab ich’s den jungen Hüpfern mal gezeigt. Die haben Teilweise die Hände auf ihre Oberschenkel gestützt, weil es war wirklich grauenhaft und das Kondenswasser ist von der Decke getropft und es war hammerschwül und heiß und die haben dann da teilweise wirklich schlapp gemacht und mussten raus gehen und ich hab aber weiter Pogo…na ja erste Reihe ist schon sehr asozial, aber schon so „in the crowd“, ne. Also, da im Auge des Orkans, da bin ich gerne. Auch mal bei Ärzte Konzerten. Das letzte war echt lustig, in Köln im Palladium, da bin ich dann oben in der VIP Area aber auch unter an der Seite und in der Mitte gewesen. Und dann Pogotanzen mit so Kindern, die noch nicht geboren waren, als ich auf dem ersten Ärztekonzert war.

Also würden Sie schon auch sagen, dass Punk auf Ihren Lebensstil so ein bisschen Einfluss genommen hat. Ich mein, Sie haben jetzt einen Schreibtischjob, aber immerhin dürfen Sie eine Jeansjacke dabei anhaben…

Eben, eben. Genau. Ja wenn ich jetzt, ich meine, dann wäre ich jetzt Freizeit oder Abendpunk. Dann müsst ich mich mit vierzig auch nicht für schämen, wenn ich irgendwie einen anderen Job hätte, wo ich Anzug tragen muss, aber zu Hause noch ne gepflegte Sex Pistols auflege – obwohl die hab ich schon lang nicht mehr aufgelegt. Dann lieber Undertones. Die werden auch nie weggeschmissen, dass wird auch übrigens alles auf Vinyl gehört, ne.

Sie hören auch noch viel Vinyl?

Ja, ich bin auch wieder dazu übergegangen neue Sachen auf Vinyl zu kaufen, weil ich auch ein ganz großer CD-Hasser bin. Meine Platten laufen immer noch aber ich hab schon CDs irgendwie, die kaputt sind, ne.

Und runterladen?

Um Gottes Willen!
Nein, ich hab auch in der FAZ einen Artikel gelesen, das würde das Musikverhalten revolutionieren, und wie toll das wäre und dann hätte sich da dieser FAZ Redakteur von seinen Lieblingsplatten und Lieblings CDs immer jeweils die Lieblingssongs auf den iPod geladen und hat dann irgendwie die CDs und die Platten weggeschmissen. Also, das geht ja gar nicht, ne! So Platten sind ja auch Gesamtkunstwerke und oft entdeckt man nach zwanzig Jahren noch irgendeinen Song den man immer übersprungen hat. Also bei CDs ist das ja ne große Gefahr. Erstes Hören, und was direkt ins Ohr geht wird immer wieder angehört und die anderen gehen unter. Aber die entwickeln ja vielleicht ihre Schönheit irgendwie später. Also iPod ist gar nichts für mich, das sollen meine Kinder hören.

Vielen Dank, dass Sie sich für das Interview Zeit genommen haben!

Ja bitte schön. Tschüß.


Das Interview führte Konstantin Butz.