Interview mit Matula

20.02.2014
 

 



Lange war es ruhig um sie gewesen. Für meinen Geschmack etwas zu ruhig. Aber in Vergessenheit geraten? Nein, das sind sie nie. Als ich vor ein paar Wochen gefragt wurde, ob ich die Band MATULA über ihr neues Album “Auf Allen Festen“ interviewen möchte, war ich zugegebenermaßen etwas aufgeregt. Nicht nervös aufgeregt. Viel eher erfreut über das, was da vielleicht kommen mag. Also schnell die Gedanken ordnen. MATULA? Was fällt mir da eigentlich spontan noch zu ein? Und noch viel spannender: was denkt Sänger Thorben darüber?

Arbeitsgruppe voran in die Sonne
Dieses Gefühl immer, immer weiter zu machen und sich anzustrengen, damit am Ende doch noch alles gut wird. Bei all dem ganzem Frust, versucht man ja doch noch am Ende einen kleinen Lichtblick zu finden. Irgendwie muss es ja immer weitergehen.

Zeitstrafe
Wir haben auch an der neuen Platte wieder von Anfang an mit Renke (Anm. d. R.
Inhaber von Zeitstrafe) zusammen gearbeitet. Es stand dementsprechend auch nie zur Debatte das Album bei sonst irgendjemand rauszubringen.


Hamburg
Puh, 2007 kam die Kuddel raus und da haben wir schon ein oder zwei Jahre hier gewohnt. Sind ja jetzt schon bald 10 Jahre, oh Gott haha. Natürlich eine schöne, aber auch nicht immer einfache Zeit.

Punk / DIY
Ich habe schon früher mit meinen Dreadlocks in Neumünster zusammen mit Renke Konzerte veranstaltet. Daher war dieser DIY Gedanke schon lange vor MATULA da. Also kann man eigentlich schon sagen, dass sich die Band aus diesem Grundgedanken heraus entwickelt hat. Unsere erste EP haben wir ja auch komplett zusammen in Eigenregie mit einem Freund veröffentlicht.

Bier
Gerne, aber wir halten uns dann schon eher an grüne Flaschen, wie Becks und Jever oder so. Das Phänomen beim Bier ist ja auch dieses 0,3er / 0,5er Ding. Der letzte Schluck aus ’ner 0,5er Flasche ist einfach echt räudig.

Musikindustrie
Ich finde diese Spotify Verhältnisse sind halt wirklich frech. Für eine Band unserer Größe sind das vielleicht 30€/Jahr. Das illegale Herunterladen hingegen ist halt wieder eine ganz andere Baustelle. Wenn man sich mal anschaut wie viele Leute auf Last.fm unsere Musik hören und wie viele Alben wir verkaufen, fragt man sich natürlich woher diese Diskrepanz kommt. Aber am Ende vom Tag freut es mich natürlich, wenn unsere Musik gehört wird und als Band leben wir ja ohnehin von den Live-Sachen. Kohle verdient man damit ja nicht. Für Renke hingegen ist das schon eher scheiße.

Erfolgsdruck
Dieser Druck ein gutes Album rauszubringen ist ja eigentlich intrinsisch. Der kommt von ganz alleine, sonst kann man es auch ganz lassen. Ich würde aber Druck durch Bock austauschen. Wir hatten halt einfach nach der langen Zeit (Anm. d. R. Blinker erschien vor fast 4 Jahren) wieder alle voll Bock einen rauszuhauen. Und dann kam ja auch diese Welle 2012, wo die ganzen anderen deutschsprachigen Bands enorme Resonanz bekommen haben und das hat uns halt auch total angespornt. Wir machen das immerhin schon doppelt so lange, wie manch andere der Kandidaten und wollten denen dann halt auch mal zeigen wo es langgeht.


Was mir dann als Nächstes auffiel war, dass es (inkl. Free EP Kolumbus) ganze drei verschiedene Albumcover gibt. Eine Frau (LP), ein Mann (CD) und die Arme der Beiden zusammen (EP) zieren die unterschiedlichen Editionen. Es ist kein gezeichnetes Cover mehr (Kuddel) und auch keines mehr, was wie gezeichnet aussieht (Blinker).
Des Weiteren steht zum ersten Mal in der Bandgeschichte der Name MATULA groß und aufdringlich im Mittelpunkt der Platte. Kein wegschauen mehr, kein ignorieren. Polarisieren.


Das war alles von Anfang an so geplant. Es gab zwar auch mal die Idee, dass wir das auf einer Version untereinander mischen, aber das hätte zu einem viel zu großem (logistischem) Aufwand geführt. Daher haben wir uns dann dafür entschlossen die zwei unterschiedlichen Versionen zu machen. Jetzt so im Nachhinein finde ich das so auch viel konkreter. Die zwei Räume, einmal Herren- und einmal Damentoilette, werden durch das Medium noch viel deutlicher und man erkennt den Zusammenhang.

Auch bei den Motiven wollten wir von Anfang an, dass das voll auf die Mütze gehen soll. Früher war der Bandname auf Covern, Shirts, Postern, usw. immer das Kleinste – immer sehr zurückhaltend. Jetzt dachten wir uns “wir haben uns vier Jahre zurückgehalten - jetzt zeigen wir denen halt mal was. Das sind wir, das ist MATULA, das ist geil“ und nicht “da hinten steht MATULA, kannst du ja mal hören, wenn du willst..“



Als ich dann zum ersten Mal “Auf Allen Festen“ hören durfte fiel sofort der veränderte, sehr catchige Sound auf. Einfacher, kompakter aber vor allem eingängiger. Natürlich hört man immer noch MATULA heraus, es steht immer noch MATULA drauf und es steckt auch immer noch MATULA drin, aber vielleicht (ähnlich wie auf dem Cover) mehr denn je.

Wir haben halt sehr viel versucht zu variieren. Ruhige (Tapete), schnellere (Präsident Des Vereins) und Pop Songs (Kolumbus) haben alle ihren Weg auf Album/EP gefunden. Darüberhinaus haben wir uns zusätzlich auch instrumental mehr gewagt (Für Ein Leben). Da weiß man halt nie wie das ankommt, wenn’s jemand nicht gefällt, dann scheiß drauf.
Aber es freut mich sehr, dass es jemandem auffällt, dass die Songs eine andere Struktur aufweisen. Da haben wir uns echt sehr viel Mühe mit gegeben. Wir haben lieber drei sehr gute Parts anstatt fünf annehmbare in die Lieder gepackt - wir wollten den Leuten nämlich nicht zeigen, dass wir sie mit Ideen vollscheißen können, sondern lieber, dass wir gute, kompakte Lieder schreiben können.



Eine Woche vor Release erschien dann der Albumstream mit zugehörigen Fotos von Fotograf Tim Bruening (Copyright der folgenden Fotos). Ein paar Fotos machten für mich nicht wirklich Sinn, bzw. hat mich der Ursprung / Hintergrund des zugehörigen Songs / Bildes interessiert. Eine Auswahl:

Auf Allen Festen

Ja, du hast schon Recht, wenn du sagst, dass ich persönlich derzeit selbst auf vielen Festen tanze. Ich habe eine Freundin, ich bin dabei meine Master Arbeit zu schreiben, arbeite vier mal die Woche nebenher und jetzt das ganze Album ist schon mehr als stressig. Eine Woche nach der Tour die mündliche Prüfung und direkt danach ist dann die Abgabe der Masterarbeit. Das ist vor allem wirklich recht ironisch, denn eigentlich bin ich jemand, der viel lieber wenig gleichzeitig macht und lieber alles nacheinander abarbeitet. Das Lied handelt ja auch dementsprechend eher vom beobachten und analysieren.


Monstrum

Dreck. Das ist das Erste was mir zu dem Bild einfällt. Ich kann dir zwar nicht genau sagen, wieso gerade das Bild zu diesem Lied ausgesucht wurde, da hatte Tim alleinige Hoheit drüber, aber ich denke mal, es geht da um Kids, die auf einem Konzert sind und der Punkszene zugehörig sind. Bei Monstrum geht es ja auch so bisschen darum, dass viele Kids Bock haben was zu machen (Modeln, Musik, was auch immer) aber landen dann halt doch so bisschen nicht im Wunschjob, sondern sonst wo und fühlen sich dann nicht der breiten Masse angehörig. Was natürlich auch gut so ist.


Für Ein Leben

Also die Frage ob die Band den ganzen Stress und Trubel wert ist, stellt man sich eigentlich gar nicht. Uns ist nämlich wirklich egal, ob da fünf oder hundert Leute stehen. Wir haben Bock und brauchen dieses Ventil. Du hast zwar schon Recht, wenn wir vier und Renke die gleiche Zeit, mit dem gleichen Engagement in wirtschaftliche Sachen investieren würden, dann hätte man wahrscheinlich auch so ein Auto. Aber man muss Prioritäten im Leben setzen. Ich find’s halt auch nicht geil, einmal im Jahr auf einem Bierfest bei uns zuhause zu spielen, wo dann alle unsere Freunde kommen. Wir wollen halt dementsprechend schon, dass das dann Leute von außen hören und wir zumindest in diesem DIY Kreis einen Namen haben. Das ist auch gar nicht abgehoben gemeint, aber wenn wir dann schon diese Zeit investieren, will man halt schon, dass da zumindest irgendwas bei rumkommt und wenn es dann so ist wie gerade, wo vielleicht noch etwas mehr geht, ist das halt geil. Und genau deswegen kommt dann halt so ein Song wie Kolumbus mit auf die Platte, wo es ja genau darum geht. Freunde fahren nach Timbuktu oder ins Himalaya Gebirge und erzählen wie geil das alles ist und ich sitze hier und denke “krass, das mach ich jetzt nicht, weil ich die Band habe“. Außerdem kommt ja derzeit auch noch jeder an, der mir erzählt, dass man die Lebensweisheit leider nur im Vietnam finden kann. Das kann doch alles nicht wahr sein. “Geh raus entdecken, weil wir nicht deine Freunde sind.“

Die Härtesten Türen der Stadt

Ich wohne direkt an der Grenze von dem Gefahrengebiet. Wenn ich zur S-Bahn wollte musste ich jedes Mal dadurch. Die ganzen Polizisten haben dann auch immer dumm geguckt und gewartet auf eine weitere “Gefahr“. Das war schon echt krass und richtig für den Arsch. Vor allem diese Stimmung die dann hier überall geherrscht hat. Wasserwerfer, Polizisten in 10er Trupps und das alles über mehrere Wochen.
Das hat mich schon richtig wütend gemacht. Vor allem das mit der Flora. Wenn die wegkommen sollte, dann gibt’s hier nur noch Latte Macchiato. Fehlt wirklich nur noch, dass hier ein Deichmann oder so aufgemacht wird.



Drei Minuten

Das ist dein Lieblingslied? Krass, geil! Das finden echt so viele, das hätte ich nicht gedacht. Und ja, du hast den Sinn davon schon verstanden. Es geht schon darum, dass man weg ist. Von Freundin/Freund/wem auch immer.
Dazu kommt aber auch der Anspruch, den unsere Generation derzeit hat: Hauptsache weg. Es ist total cool unterwegs zu sein, durch die halbe Welt zu reisen und das alles am Besten auch noch komplett alleine. Gerade Mitte 20 geworden und das Verlangen haben sich unbedingt selbst finden zu wollen, alleine. Denn dieser Gedanke, dass man jemand zuhause vermissen könnte ist ja derzeit total unschick und wirkt sehr altmodisch. Daher versuche ich durch den Song anzuregen “wieso muss man denn alleine reisen? Jetzt stehe ich hier, mache Fotos, aber da ist ja kein Mensch drauf. Ist doch viel geiler, wenn man das in 10 Jahren mit jemand teilen kann.“



Matula - Auf Allen Festen erscheint am 21.02.2014 via Zeitstrafe auf CD/LP/Digital.