Interview mit Mikrokosmos 23

28.06.2013
 

 

Wer sind MIKROKOSMOS23?

Peter: Wir haben uns vor etwa acht oder neun Jahren gegründet und drei Alben rausgebracht. Unser Bassist Steffen, der jetzt nicht da ist, ist letztes Jahr erst eingestiegen, weil unser vorheriger Bassist uns verlassen hat. Das sind wir.

Warum macht ihr Musik?

Tom: Ich glaube das ist so ein grundsätzliches Ding, dass man irgendwann auf ein Konzert von irgendeiner Band rutscht und man denkt: „Ach krass ist das abgefahren.“ Dann hat man so eine fixe Idee und es läuft erstmal ein, zwei Jahre ganzganz schrecklich und dann irgendwann fängt es sich und dann ist man eine Band. Und so war es bei uns auch.

Peter: Wir sind damals erst in unserer Heimatkleinstadt auf Konzerte gegangen, die sicher nicht so gut waren. Dann hat man aber irgendwann rausgefunden, dass es auch so Bands wie SCHROTTGRENZE und TAGTRAUM gibt und dann ist man dahin gegangen und dachte: „Wohow! Lass uns das doch mal versuchen.“

Tom: Ich glaube man spürt das irgendwann, dass man das will und das man das muss und dann bleibt man jahrelang dran bis sich das eines Tages gut anfühlt. Es geht darum mit den besten Freunden wegzufahren und Musik zu machen - es lässt sich wirklich auf dieses banale Ding runterbrechen. Weil es sich gut anfühlt.

Als ihr angefangen habt, rollte gerade diese neue deutsche Emopunkwelle mit CAPTAIN PLANET, MATULA und ESCAPADO los. Wie hat sich das für euch angefühlt da mitzumachen, denn ihr klingt ja schon ziemlich wie die?

Mathias: Wir hatten eigentlich relativ wenig Berührungspunkte mit denen. Ich glaube CAPTAIN PLANET habe ich zum ersten Mal 2009 gesehen. 

Tom: Wir sind mit anderer Musik reingekommen und wurden so langsam konditioniert mit Unterm Durchschnitt Bands. Und dann kamen so Bands die einem auf einmal so richtig wichtig wurden.

Peter: Ich glaube der Grund zur Gründung der Band waren jetzt nicht MATULA oder CAPTAIN PLANET. Aber es hat uns später beeinflusst, wie so ziemlich jede Band beeinflusst wird von der Musik, die jeder Einzelne gerne hört.

Die Welle flaut ja jetzt schon ein bisschen ab. Wie ist das für euch, da trotzdem noch so ein Ding wie „Alles lebt, alles bleibt“ rauszuhauen?

Mathias: Ich glaube musikalisch ist das nicht mehr so ganz das Ding, wie es früher war.

Tom: Ich glaube mit der neuen Platte haben wir viel mehr Mut gehabt, andere Sachen zu machen. Das hat sich so ergeben. Unabhängig ob man nun davon beeinflusst wurde. Irgendwann kommt man an den Punkt an dem man sich fragt, was will man und wo soll das hin? Wir sind jetzt auf jeden Fall selbstsicherer und mutiger geworden und auf der richtigen Spur.

Was bedeutet in dem Zusammenhang die neue Platte für euch?

Tom: Für mich ist das auf jeden Fall die beste Platte die wir jemals gemacht haben. Die neue Platte hat halt mehr zugelassen. Ich fürchte davon sind viele enttäuscht.

Peter: Wir würden auch nicht so klingen, wenn wir den Einfluss der vorangegangenen Platten und dem was wir gehört haben, nicht gehabt hätten. Das ist ja das Gute daran, dass alles auf einer Basis von Emo, Punkrock oder wie immer man das nennen will, stattfindet.

Der Song „Reisegäste“ ist ja im Vergleich eher ein langsamerer Song, sehr poppig. Wie konnte es dazu kommen? Zu solch einem Bruch?

Mathias: Die Entstehungsgeschichte ist so ähnlich wie „Irland“ auf Memorandum. Das Lied ist eigentlich entstanden, weil Peter Solo etwas gespielt hat. Wir hätten „Irland“ fast noch weiter ausgebaut, haben uns dann aber für so ein Singer-/Songwriterding entschieden. Bei „Reisegäste“ haben wir dann eben doch die Bandsache daraus gemacht. Das ist nichts Unnatürliches, weil Peter schon immer diese Solosachen gemacht hat.
 Und das haben wir dann eben übertragen auf die Band.
Tom: Peter hat tief in sich drin dieses Gespür für Popmusik. Manchmal kommts raus! Er macht eben auch viele Sachen allein und das hat uns alle bewegt und darum haben wir das zusammen gemacht. Die Visions hat mal in einem Artikel über Ausreißersongs geschrieben, da war der eben auch dabei. Es wäre furchtbar langweilig, wenn sich alles immer wiederholt und wiederholt und wiederholt.
..
Peter: Das war natürlich im Studio auch die Diskussion, ob wir das jetzt machen, aber dann haben wir das einfach getan.
Mathias: Ich finde es auch wichtig, wenn man auf Alben so eine gewisse Bandbreite zeigt und nicht jedes Lied gleich klingt.


Ihr habt ganz viele emotionale Songs, aber ist das so, dass in ganz vielen Songs auch politische oder gesellschaftskritische Inhalte mitschwingen?

Peter: Das ist so in grundsätzliches Ding, das man früher mitgetragen hat. Ich glaube schon, dass immer irgendwelche politischen Ansätze drin sind. Als Beispiel vom neuen Album „Dürfen, Müssen, Können & Sollen“. So Themen wie Alltagstrott. Dinge die das Privatleben einschränken, wie Arbeit und sonstige Verpflichtungen im Alltag. Ich würde nicht sagen, dass es politische Lieder sind, aber ein Grundgedanke ist es auf jeden Fall, eher ein soziales Thema. Dass man die eigentliche Intention, dass man das machen kann, was man möchte, zum Beispiel auf Tour zu fahren, einschränken muss. Das geht halt nicht, wenn man ständig irgendwelche Verpflichtungen hat.

Ihr werdet teilweise von Mitteln der Initiative Musik gGmbH gefördert, die von Geldern der Bundesregierung gefördert wird. Stellt das für euch irgendeinen Widerspruch zu euren vorangegangenen Äußerungen dar?

Peter: Eigentlich gar nicht. Da könnte man genauso gut anzweifeln, dass man als Student Bafög bezieht. Das ist vielleicht eher mal was unsagbar Positives. Es ist erstmal ein unfassbarer Papierkrieg, ganz schlimm. Das hat Tom hinter sich. Aber was sollen wir machen? Wir gehen alle arbeiten. Unser Bassist ist Pizzalieferant und Student, Matze hat im Baumarkt gearbeitet als wir das Album aufgenommen haben, Tom arbeitet bei Ikea, ich war damals noch Azubi. Woher sollen wir denn die Kohle sonst nehmen?

Tom: Wenn man einfach nicht von vornherein auf der Erfolgswelle surft, ist das eben alles echt schwer. Da weiß man einfach nicht, woher man die Kohle nehmen soll. Da sind solche Unterstützungen super. Wenn man die mitnehmen kann, dann nimmt man die halt mit. Ich sehe da nichts Schlechtes drin. Wir verkaufen uns ja nicht. Wir nutzen einfach die Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen.

Mathias: Wir werden an einigen Ecken entlastet. Es ist ja auch keine Bereicherung, sondern eher eine Minimierung der eigenen Kosten. Außerdem ist es auch nett, das mal ein paar Kulturgelder an die coolen Leute gehen.
Tom: Abschließend ist es auch einfach toll, dass eine Herzensangelegenheit mal ein bisschen Unterfütterung bekommt.

Was war das Unglaublichste, was euch mit dieser Band mal passiert ist?

Mathias: Wir haben ein Konzert mit SAMIAM gespielt. [allgemeines Lachen]

Tom: Folgendes können wir seelisch einfach nicht mehr abstreifen: Das war unser allererstes Wienkonzert. Es war wirklich beängstigend. Wir kamen da an und es war keine Sau da, riesengroßer Theatersaal, ganz schön. Wir haben unser Zeug aufgebaut, haben händeringend nach einem Techniker gesucht, aber es war niemand da und es hat sich auch niemand gefunden. Deswegen sind wir dann in die Innenstadt gegangen und sind irgendwann abends zurückgekommen. Da stellte sich dann raus, dass nicht nur wir und Support spielen, sondern neun Bands. Naja Bands? Neun Künstler. Dann gings halt los mit zwei Leuten mit einem Fahrrad, der eine hat das Rad angeschoben und einen Stock in die Speichen gehalten. So ratatatata. Der andere hat dazu spanisch gesprochen. Das war ziemlich künstlerisch. Danach kamen drei Menschen auf die Bühne. Ein alter Hippie, ein junger Hippie und ein Mädchen und die haben sich nach und nach komplett ausgezogen und zum Finale hat dieser ältere Hippie auf die Bühne geschissen.

Mathias: Nein, der hat nicht auf die Bühne gekackt, sondern in seine Hose und ist dann mit der Hand in seine Hose gefahren und hat sich dann eine Kriegsbemalung gemalt.

Tom: Der hatte dann auch noch gut was in der Hose und hat sich dann auf meinen Hocker gesetzt und das breit gedrückt. Und dann habe ich ihm zugerufen: „Setz dich bitte nicht an mein Schlagzeug.“ und dann meinte er: „Fuck you!“, wollte mich noch zusammenschlagen und hat geschrien „I kill you, I kill you!“, um dann durch den Saal nach draußen zu rennen. Mit Scheiße im Gesicht. Wir haben dann so um vier Uhr gespielt und das war unglaublich gut. Die Leute waren so dankbar, dass mal jemand Musik macht.

Wo wollt ihr hin mit eurer Musik, was wollt ihr noch erreichen?

Peter: Ich möchte mal nach England.

Tom: Es wäre so gut, dass zu machen, was sich für einen gut anfühlt und damit rumzukommen. So dass man sich voll und ganz auf das konzentrieren kann. Aber das ist ein Luxus, den man so schwer erreicht. Entweder verbiegt man sich, um irgendwas in die Richtung hinzukriegen oder man macht das weiter was man möchte, aber dann ist das immer schwierig damit über die Runden zu kommen.
Peter: Wir wollen was anderes machen, als das was Jugendliche machen. Abi, dann Zivi, dann Ausbildung, dann Studium und im Endeffekt ändert sich aber nichts. Ich kenne das gar nicht, weil wir immer diese Band hatten und immer irgendwelchen Quatsch dazwischen gemacht haben. Es ist interessant so ein Musikvideo zu drehen. Es ist interessant Fragen von jemandem gestellt zu bekommen, es ist interessant unfassbar viele Städte zu sehen. Es ist das Ziel, dass man so viel erlebt wie möglich. Mein Vater rief neulich an und fragte, was ich denn so mache und ich meinte, ich sei gerade in Aurich an der der Nordsee und er meinte: „Krass, an der Nordsee war ich noch nie.“ Das ist geil. Einfach Sachen zu erleben, die man ohne Musik nicht erleben würde. Und das könnte gerne so weiter gehen.

Wen wollt ihr mit eurer Musik ansprechen?

Tom: Wir machen ja nicht Musik, um irgendwelche Leute anzusprechen. Wir wollen niemandem gefallen. Wir wären froh, wenn viele das mitkriegen, denen das gefallen könnte.
Was wollt ihr bei den Menschen erreichen, die euch mögen und euch es ermöglichen all diese Dinge zu erreichen?
Mathias: Die sollen das gut finden und sollen immer wieder zu den Konzerten kommen und Merchandise kaufen und uns ein Bier ausgeben.

Tom: Ach nee, das ist so platt. Man will natürlich irgendjemanden bewegen. Man kennt das ja selbst von Platten, die einen so geprägt haben für eine gewisse Zeit, mit denen einen etwas so ganz ganz tief verbindet. Man hofft so ein bisschen, dieses Gefühl bei igendjemandem wecken zu können. Aber das ist schon sehr schwierig, denn solche Platten die einem viel bedeuten, entstehen halt sehr sehr selten. Das ist aber auf jeden Fall so ein Antrieb, dass man dieses Gefühl transportieren will.

Wollt ihr noch was erzählen?

Tom: Es ist auf jeden Fall sehr lieb, dass du Interesse daran hast uns zu fragen wer wir sind und was wir machen.

Peter: Ich möchte gerne noch fix meine Geschichte zu SAMIAM erzählen. Als die heute Nachmittag ankamen, saßen wir genau hier und dann fuhr der Bus vor und die stiegen aus. Und ich dachte nur so: „Ach du scheiße, das sind die wirklich!“ Ich habe mich unfassbar scheiße gefühlt, ich hatte Angst, dass da irgendwas schief geht. Die Geschichte wie ich zu SAMIAM gekommen bin: Meine Schwester war in ihrer NIRVANA- Phase damals und ihre Freundin hat ihr CDs gebrannt und diese eine CD war nicht beschriftet und ich habe halt immer diese CD gehört. Meine Schwester fand das gar nicht so cool, weil das uncool ist, wenn der kleine Bruder die selbe Musik hört. Erst später, als ich selber in diesen Kreisen war, habe ich gemerkt, dass das SAMIAM war. So habe ich SAMIAM kennengelernt. Und heute spiele ich mit dieser großartigen Band gemeinsam ein Konzert. Wow!

Danke für das Gespräch.