Interview mit My Enemies 12 Mistakes

01.06.2006
 

 

Interview mit Linc von My.Enemies.12.Mistakes

Q: Erzähl mir doch mal was wie ihr euch denn so zusammengefunden habt!

L: Im Sommer 2005 trafen Chris, Olli und ich uns auf der Party einer gemeinsamen Freundin. Ihre Metal-Band namens „Carpathian Dream“ hatte sich zu dem Zeitpunkt gerade aufgelöst und ich bin einer der Sänger von „Mueca“ (Crosscore, auch aus Nienburg), daher kannte man sich bereits mehr oder minder, durch gemeinsame Veranstaltungen und so kamen wir ins Gespräch. Sie fragten mich, ob ich nicht Lust hätte ein Nebenprojekt zu starten, am Bass auszuhelfen und gemeinsam mit Olli für den Background-Gesang zu helfen. Man wolle zeitgenössische Musik machen; Melodien, die auf hartes Riffing treffen. Ich sagte zu, zum Jammen vorbeizukommen und wir einigten uns gleich an dem Abend auf den Namen MyEnemies.12.Mistakes, unseren Gedanken entsprungen, als wir gerade über „Freund und Feind“ und dazugehörige Erfahrungen philosophierten und die ganz persönlichen Grenzen, die es zu überschreiten gilt, wenn man uns aus der Reserve locken möchte.
Ein paar Wochen später stand ich mit meinen Bässen bei ihnen im Proberaum...und damit hat alles begonnen.

Q: Northern State Emo Thrash Core – was versteht ihr unter eurer selbstkreierten Musikschublade?

L: Dreckigen, lauten, nordischen und harten, aber melodiösen Rock´n´Roll. Diese Bezeichnung ist aber eher eine Parodie auf all die verschiedenen Musikrichtungen und Kategorietitel, mit denen die Industrie, und leider auch viele Bands, im Moment um sich werfen und Emo ist ja zur Zeit eine äußerst kontrovers gesehene Musikrichtung. Von denen einen in den Himmel gelobt, von anderen verdammt und belächelt. Da es uns hauptsächlich um Musik geht und nicht um eine bestimmte Richtung (was einer gewissen musikalischen Homogenität allerdings nicht entbehren darf), nahmen wir diesen ganzen „meine Szene, deine Szene“ Quatsch auf die Schippe und der Zusatz „nothern state“ ist kein nationales oder rassistisches Statement, sondern eher ein regionales. Man liest immer wieder von NYC-HC, Massachussetts-Metal, Beatdown aus dem Pott oder HipHop aus Hamburg-City… Söhne Mannheims. Da es anscheinend wichtig für einige Menschen ist, nicht nur zu wissen, wie genau deine Musik stilistisch zu betiteln ist, sondern auch woher du kommst, aber Nienburg City Core, also NC-Core, zu sehr an NYC-HC erinnert hätte, wir aus dem Nordwesten Deutschlands kommen, entschieden wir uns für „nothern state“.

Q: Wo liegen eure musikalischen Wurzeln und Einflüsse und inwieweit fließt das alles in die Songs mit ein?

L: Unsere Wurzeln liegen ganz klar im Metalbereich, das ist die Basis, mit der wir alle angefangen haben. Natürlich sind unsere heutigen Einflüsse um einiges facettenreicher und jeder hat so seine eigene persönliche Musik und diese wiederum fließt natürlich auch in das Songwriting mit ein, jeder steuert seine individuelle Note zu den Songs bei und dann wird versucht, das alles auf einen Nenner zu bringen, was bedeutet, dass der eine oder andere auch schon mal musikalische „Opfer“ bringen muss.

Du wirst bei uns Jazz- und Blueseinflüsse finden, ne Menge Rock und Hardcore, sehr, sehr viel Bier und Osborne und eine große Vorliebe für Pantera und Südstaatenrock.
Melodie, wozu man heute „emo“ sagt, also „emo-lodie“, ist die größte und wichtigste Komponente in den me12m Songs, aber es muss immer noch ins Gesicht gehen. Wir scheuen uns jedoch auch nicht vor Balladen, denn hinter dem zartesten Ton, der erdrückensten Stille, kann stets ein „ten ton hammer“ hervorschnellen.

Q: Wie funktioniert das Songwriting bei euch und welche Aussagen stehen hinter euren Texten?

L: Entweder bringt einer einen fertig-arrangierten Song mit, wenn der dann jeden von den Socken schubst, ist er Teil des Repertoires, wenn nicht, wird er entweder verworfen oder überarbeitet. Oft hat auch einfach jemand ein Riff dabei und man bastelt gemeinsam einen Song drum herum. Wir denken allerdings schon genau darüber nach, welchen Teil wir wo einsetzen und entscheiden wenig aus dem Bauch, was sich zum einen aus Jens´ Musikstudium ergibt, zum anderen daraus, dass wir nicht sinnlos Parts an einander klatschen wollen, sondern sie bewusst einsetzen, an der psychologisch richtigen Stelle sozusagen, um die Emo-Tionen des einzelnen Liedes noch zu verstärken.

Die Texte beruhen auf persönlichen Erlebnissen und Sichtweisen. Chris, Olli und ich schreiben die Texte für me12m und jeder hat seinen eigenen lyrischen Stil und eine individuelle Arbeits- und Herangehensweise. Olli ist eher der melancholische Texter, dass heißt nicht zwingend: Liebeskummer, sondern es geht eher um den persönlichen Verlust des Einzelnen, dass kann ein geliebter Mensch sein, aber auch ein verloren gegangenes Radiergummi. Chris´ Texte werfen den Menschen ein großes Fragezeichen entgegen: Warum sind die Dinge, wie sie sind? Wie kann ich das ändern und dich zerbrechen? Die beiden arbeiten auch das eine oder andere Mal gemeinsam an Texten, was allerdings nicht meinem Naturell entspricht, da ich lieber alleine mit meinen Gedanken bin. Ich halte meine Lyrics am liebsten aggressiv, sozialkritisch und oft zweideutig, denn ich mag es, wenn sich die Menschen mit meinen Zeilen auseinandersetzen müssen, um zu einem eigenen Schluss zu kommen. Ich denke, dass alles unsere Texte im Grunde pessimistisch sind, sich in ihnen viel Wut und Enttäuschung wiederspiegelt, was für mich aber auch gar nicht anders funktionieren würde, denn wenn ich Texte über Partys und Samstagnachmittag-Shoppingtouren schreiben wolle, dann müsste ich Porno-Pop-Musik machen. Musik und Texte sind für mich Ablassventile, die dafür sorgen, dass ich abends nicht auf die Strasse muss, um irgendjemandem das Gesicht zu brechen.

Q: Nienburg – ja schon viel gehört über dieses gefährliche Pflaster. Wie ist da euer Einfluß auf euch?

L: Es stimmt, dass Nienburg einer der kriminellsten Kleinstädte Deutschlands ist und Frankfurt und Berlin Kreuzberg auf den Fersen folgt, aber das ist wahrlich kein Grund stolz darauf zu sein. Jeder betrachtet unsere Heimatstadt mit anderen Augen und hat seine eigene Meinung, ich kann nun also nur für mich sprechen. Wir haben einen sehr großen Ausländeranteil, hohe Arbeitslosigkeit, zu viele Drogen, Videokameras an der Schule und ein paar Kilometer weiter den Heisenhof (Jürgen Rieger und seine Nazi-Freunde wollten sich da einnisten). Wie du siehst, beste Vorraussetzungen für ein stressiges Umfeld. Außerdem leben hier viele Leute, die von Natur aus eine niedrige Frustrationstoleranz und eine noch niedrigere Hemmschwelle, was Gewalt angeht, haben, damit meine ich keine bestimmte der hier ansässigen Nationalitäten. In Nienburg leben viele nach dem Motto: Jeder gegen Jeden. Alle sind schön in Kategorien aufgeteilt und machen Dampf gegen jeden, der nicht zu ihnen gehört. Das macht das Leben nicht wirklich einfacher. Entweder kennst du die richtigen Leute oder hast schnelle Beine. Allerdings muss ich sagen, dass man sich daran gewöhnt und man irgendwann weiß, welche Orte und Veranstaltungen man zu meiden hat, wenn man die Gesundheit nicht riskieren will. Ein Pluspunkt ist, dass hier viel Jugendarbeit geleistet wird und unser Kulturzentrum häufig Bands die Gelegenheit hier aufzutreten, damit die Leute im Pit ihre Aggressionen loswerden können. Sogar Six Reasons To Kill haben sich schon mal hierher verirrt.

Das alles fließt natürlich auch in unsere Musik mit ein, hauptsächlich in die Lyrics. Wenn dein Umfeld von Gewalt geprägt ist, gehst du entweder in die andere Richtung und versuchst es zu kompensieren oder wirst Teil dieser Gewalt. Wir haben ersteren Weg gewählt. Diese Stadt prägt immens deine Weltanschauung und trägt das Risiko mit sich, dass du mitunter zur Voreingenommenheit neigst. Ich zum Beispiel brauche in fremden (Groß-)Städten eine ganze Zeit, bis ich mich wirklich entspannen kann, weil man bei uns daheim einfach „nervöser“ und vorsichtiger durch die Gegend läuft.

Q: Was sind die Pläne für 2006? Und was die Pläne für die Zukunft?

L: Wir wollen natürlich so viele Gigs wie möglich, in so vielen Städten wie möglich spielen, um den Menschen ein Stück Nienburg näher zu bringen, haha! Wir legen unser Hauptaugenmerk zur Zeit einfach nur darauf Auftritte zu spielen und neue Songs zu schreiben, da wir alle große Perfektionisten sind, dauert der kreative Prozess manchmal etwas länger, aber dann sind auch die meisten mit dem Endprodukt zufrieden. In Planung steht auch, Anfang nächsten Jahres ein Album rauszubringen und bis dahin weiter Songs zu Promozwecken zu produzieren und auf unserer Homepage zum Download zur Verfügung zu stellen.

Wir planen immer nur für die relativ greifbare Zukunft, weil wir nur die, verhältnismäßig beeinflussen können. Aber natürlich, wollen wir schon ganz gerne, alle, irgendwann acht Meter lange Limousinen fahren…

Q: Was ist euch lieber: im Studio ne Platte aufnehmen oder live abgehn?

L: Es sind prinzipiell zwei verschiedene Welten. Im Studio hast du die Möglichkeit dich selbst zu verwirklichen und es ist immer sehr motivierend, wenn du etwas in den Händen hälst, dass du erschaffen hast. Hier kannst du deinen Gedanken, deinen Emotionen freien Lauf lassen. Du öffnest dich und gibst ein Stück von dir den anderen preis. Machst dich seelisch blank.

Die Bühne ist der Ort, wo du dieses Gefühl mit dem Publikum teilst, die Musik zu etwas fast materiellem wird und du in ihr und den anderen Menschen aufgehen kannst. Für mich ist es der Ort, an dem ich mich am wohlsten fühle, denn, ob du nun ein Konzert anschaust oder selber eins gibst, meine Erfahrung ist es immer wieder, dass Musik alle Anwesenden vereinen kann, ungeachtet der Herkunft, Styles oder Intelligenz. Du kannst alles rauslassen und es ist wie eine erholsame Saunakur, denn du schwitzt alles negative heraus und auf dem Heimweg bleibt nichts zurück, als wohlige Neutralität, sich und der Welt gegenüber.

Q: Wie würde das Line Up eures perfekte Konzertes aussehen?

L: Ich bin schon ganz zufrieden mit dem Lineup, wie es jetzt istJ Aber wenn ich einen Wunsch diesbezüglich frei hätte, dann würde ich zu gerne einmal ein Konzert bei Pantera am Gesang geben. Das wäre herrlich! Ansonsten würde ich mir wohl ein Lineup für eine Super-Big-Band zusammenbasteln, mit Phil H. Anselmo, Scott Ian, Jonny Cash, Sid Wilson, Jesse Leach, Mike Muir, Mike Patton und vielen anderen…da würde bestimmt etwas lustiges bei entstehen.

Janina