Interview mit Smoke Blow

03.02.2010
 

 

Die Kieler Raubeine sind zurück. "The Record" heißt die Pladde, Hardcore zwischen 1985 und 1995 hat sie maßgeblich beeinflusst, sagt Jack Letten. Aber lest selbst, was er und sein Kollege MC Straßenköter zum neuen Album und zu männlichen Vorbildern sagen haben.

Der Promozettel spricht von SMOKE BLOW`s bis jetzt härtestem Album. Seht Ihr das genauso und falls ja, woher kommt diese Entwicklung?



Jack Letten: Es ist auf jeden Fall das härteste Album. Definitiv. Was das Riffing angeht, was die Geschwindigkeit angeht. Das musste einfach sein. Wir haben vorher zwei relativ poppige Platten gemacht und das erfordert einfach viel Geduld, Zeit und Pulerei sowie die Suche nach Hooklines und den Melodien für den Gesang. Wir hatten da einfach keine Lust mehr drauf. Das artet immer in Arbeit aus. Wir hatten einfach auch wieder Lust was zu machen, was uns antreibt und Spaß bringt. Wir wollten eine harte Platte machen, die ihre Einflüsse aus den Jahren 1985 bis 1995 bezieht. Wir haben dann ungefähr ein halbes Jahr gejamt, uns auf den Stil so `n bisschen eingestellt.

Und? Seid Ihr zufrieden?

JL: Ja, absolut.
MC Straßenköter: Ja.
JL: Das coole ist, dass es sehr fett klingt, aber dennoch dreckig.

Mit dem Titel "The Record" kann ja zum einen die Platte gemeint sein, zum anderen aber auch eine "Aufzeichnung" oder ein "Protokoll". Was habt Ihr denn aufgezeichnet, abgesehen von Eurer Musik und den Texten?

MCS: So habe ich das bis jetzt eigentlich noch gar nicht gesehen. Aber klar, die Jetzt-Situation, in der sich die Band gerade befindet, diesen Zustand. Der Zustand, in dem wir uns natürlich auch wohl fühlen, klar.
JL: "The Record" ist natürlich auch ein Statement. Es ist einfach das erste Mal, dass wir eine richtige Platte gemacht haben, eine, die von vorne bis hinten durchläuft. Die auch stilistisch in einem Rahmen bleibt.

Ich finde der SMOKE BLOW typische "dunkle Faden" lässt sich auch auf "The Record" leicht erkennen. Inwiefern habt ihr Euch in diesem Rahmen Eurer Meinung nach weiterentwickelt?

JL: Eine gewisse düstere Note hatten wir ja schon immer, nur haben wir es diesmal einfach auf die Spitze getrieben. Wahrscheinlich liegt das auch daran, dass die letzte Platte schon so `nen surfigen Charakter hatte, so `nen Strandcharakter irgendwie...

...vielleicht ramonesk?

JL: Ja, das ist ein guter Ausdruck dafür. Das ist auch ein schöner Bereich, in dem wir uns aber auf Dauer dann doch nicht wohl fühlen. Wir wollten diesmal einfach was richtig hartes, düsteres. Und es musste auch wieder ein bisschen Metal rein, was auf der letzten Platte undenkbar gewesen wäre. Das musste einfach mal wieder passieren, denn irgendwo sind wir ja auch ein bisschen Metalianer.

Entgegen der früheren Prognosen gibt es jetzt doch keine deutschen Texte auf der Platte. Wie kommt das?

MCS: Das war zu damals aktuell, als es ein neues Experimentierfeld für uns war. Die Zeiten ändern sich aber und "The Record" ist maßgeblich von Ami-Hardcore beeinflusst, da hätten deutsche Texte für uns vom ästhetischen Empfinden auch nicht gepasst.
JL: Es sollte auch einfach nicht zu experimentell werden, das Ganze. Es sollte schon eine klare Linie beibehalten.

Also doch keine deutschen Texte mehr, auch nicht später irgendwann nochmal?

JL: Ist alles möglich, kann alles passieren.
MCS: Wenn wir da wieder richtig Bock drauf haben, kann das sicher wieder passieren. Klar.

"I Have Lived In The Monster" hat ein Reverse-Intro. Was wird da genau gesagt?

JL: (empört) Nein, also das verraten wir nicht! Da entzaubern wir die Geschichte ja, da musst du schon ein bisschen ausprobieren.

Mein Mitbewohner ist Toningenieur, der kriegt das schnell erledigt.

MCS: Ruf uns an und sag uns das, wir wissen das auch nicht mehr, ha ha!
JL: Genau, ha ha!

Ich habe gelesen, dass Ihr alle noch Jobs neben der Band habt. Wobei es wahrscheinlich treffender ist zu sagen, dass Ihr eine Band neben Euren Jobs habt. Warum gab es nie den Schritt zu sagen: So, jetzt mal alles auf eine Karte? Von Außen sieht es schon länger so aus, als seien die Möglichkeiten vorhanden.

JL: Man muss da einfach mal in den Spiegel schauen. Wir sind nicht die Typen, die man dauerhaft vermarkten kann. Wenn wir uns verkaufen, damit kannste einfach kein Geld verdienen, das wollen wir auch gar nicht. Wir wollen weiter in den Spiegel gucken können und das machen, was uns Spaß bringt. Wenn wir von der Musik leben müssten, hätten wir diese Platte nicht aufnehmen können. Das wäre einfach nicht möglich gewesen.

Es gibt also schon zu viele Sprünge im Kontinuum SMOKE BLOW für ein einheitliches Profil?

JL: Genau, genau! Wir pumpen uns immer wieder frisches Blut rein und das wäre so sonst nicht möglich. Du müsstest dann marktstrategisch denken und das ist doch gruselig, da machst du die Kunst mit kaputt.
MCS: Bands, die das machen, verdienen ja auch nur wirklich Geld mit ihrer Livepräsenz und das wiederum bedeutet, dass du unentwegt auf Tour bist. Dann wird das ganze auch wieder zu so `nem Job. Und so weit wollen wir es gar nicht kommen lassen, dass es irgendwann einfach nur noch ein Job ist. Dann verlierst du vielleicht die Lust, dann steigen Leute aus und dann hast du Umbesetzungen und dann geht die ganze Scheiße nämlich los, wenn du keine homogene Band mehr bist. Und dann wird`s schwierig sich das ganze zu erhalten.

In diesem Kontext finde ich ganz interessant, dass SMOKE BLOW nicht genug Geld abwirft um Euch richtig gut zu tragen, das Label aber hingegen genug Geld hatte das "Collossus"-Cover eigentlich überall in Anzeigen unterzubringen. Ich erinnere mich an eine Zeit, in der ich Musikzeitschriften durchgeblättert habe und überall der Ghettoblaster-Pimmel zu finden war.

MCS: Echt, das ist mir gar nicht so aufgefallen.
JL: Ha ha...

Ich fand`s schon krass.

MCS: Ich habe das gar nicht so wahrgenommen, ganz ehrlich.
JL: Ich auch nicht, keine Ahnung. Wir verkaufen im Verhältnis glaube ich ganz gut, aber bei weitem nicht riesig. Es ist für ein Label immer ganz nett, die können immer ein bisschen damit verdienen, aber das war es dann auch schon. Da wird keiner reich mit. Die nicht, und wir schon gar nicht. Aber es war halt gute Arbeit von den Leuten, die da im Hintergrund arbeiten. gute Arbeit in dem Sinne, dass das einfach wichtig ist, dass eine Band wie wir auch ein Forum hat. Ich glaube auch, dass das für die deutsche Szene sehr, sehr wichtig ist. Dass wir für die gesamte deutsche Musikszene sehr wichtig sind. Ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber es ist schon wichtig, dass es so Heinis wie uns gibt.



Was wolltet Ihr damit zeigen?

JL: Dass es auch anders gehen kann! Dass du machen kannst was du willst, dass man nicht immer nur nett sein muss, dass man auch mal kacke aussehen kann, dass man irgendwie auch mal Sachen machen kann die komplett daneben liegen was Verkaufserwartungen der Fans angeht.

Und neben aktuellen Trends?

JL: Trends! "Collossus"! Das geht gar nicht! Die Platte ist wirklich so neben dem Trend von vor zwei Jahren, also Punk, bzw. Poppunk, ramonesk, buzzcockesk was auch immer, zum damaligen Zeitpunkt als SMOKE BLOW zu machen - das geht gar nicht! Trotzdem hat sich die Platte verkauft. Nicht riesig, aber sie hat sich verkauft. Es gibt Leute, die finden die Platte richtig geil und glauben an die Platte und haben sie in ihrem Freundeskreis zwei Jahre lang zum Feten machen gehört. Aber es ist in diesem Sinn keine coole, keine trendige Platte.

Wenn man die Interviews mit Euch liest kriegt man manchmal den Eindruck, dass Ihr immer darauf bedacht seid, dass alles möglichst praktisch ist. Zum Beispiel "Dark Angel" als Titel, habt Ihr selber gesagt, ist eigentlich kein bombiger Titel, aber schön platt und leicht zu merken. Ähnliches ließe sich auch vom neuen Albumtitel behaupten. Ist das eine Konstante, die sich so durchzieht?

MCS: Ja. Wobei... Ich meine, letztendlich musst Du Dir `nen Namen überlegen. Ist einfach die Frage wie du drauf kommst. Auch die einfachsten Titel können, wenn Du überlegst, einfach Tage kosten. Es kommt ja nicht auf die Länge des Titels an, überlegen musst Du auf jeden Fall. Ob das jetzt abgehoben klingt und der Titel `nen ganzen Satz beinhaltet oder nicht, ist, finde ich, völlig unwichtig. Wichtig ist einfach, dass der Titel zur Platte plasst...plasst. He he, plaast! Past natürlich! Und dass er irgendwie griffig ist. Sonst merkt man ihn sich ja nicht.
JL: Das macht ja heutzutage kaum noch wer, das muss ja immer gleich so aufgeplustert sein, so künstlich und progressiv. So ein abgefahrenes Gemälde und so ein abgefahrener Titel, auch die Songtitel und die Songtexte, und wir halten das alles schön einfach und irendwo auch partykompatibel. Der Partyfaktor ist immer auch irgendwo da. Man soll `ne gute Zeit haben, wenn man unsere Platten hört und darum geht`s. Es soll Spaß bringen und nicht so viel... Man soll durchaus auch mal sein Hirn ausschalten dürfen, wenn man auf SMOKE BLOW-Konzerte geht.

Interessant. Ich finde nämlich, dass die Betonung auf allem, was um die Musik rum ist, auf dem liegt, was Männern so an Blödsinn einfallen kann, so in Richtung Spaß und Party. Allein so ein Spruch wie "die Hackfressen von MANDO DIAO" ist da ein gutes Beispiel.

MCS: He he...

Gibt es da was an männlichen Vorbildern wo Ihr sagt, scheiße, der war Rock `N Roll? Im Sinne von "So wäre ich auch gerne!"


MCS: Wer eindeutig Rock `N Roll ist, ist natürlich Lemmy, klar. Man kann von dem, was er in den letzten Jahren rausgebracht hat halten was man will, aber der Typ steht für sich, der ist die Reinkarnation des Ganzen!
JL: Die Projektionsfläche... Und Bon Scott auf jeden Fall! Finde ich mit der größte Rock `N Roll-Performer aller Zeiten. Mit seiner eng anliegenden Hose, wo dem die Eier rausquillen, dem gebührt schon gehöriger Respekt. Bon Scott und Lemmy, auf jeden Fall...

Sind die Herren auch Teil Eurer musikalischen Sozialisierung?

MCS: Bei mir nicht, auch wenn ich sie jetzt wichtig finde. Man musste sich ja früher immer entscheiden, entweder KISS oder AC/DC, ha ha. Ich habe mich damals für KISS entschieden.
JL: Für KISS habe ich mich auch entschieden. Ich habe mich für alle entschieden. Ich find` die alle gut. GG ALLIN, Bon Scott, Lemmy... Es gibt viele großartige Rock `N Roll-Performer. Und es gibt viele schlechte, langweilige Faker.

Die aber auch lustig sein können.


JL: Klar, das können sie. Wo wir grade von KISS geredet haben... ha ha!
MCS: Ich fand die geil... Mich haben die beeindruckt.
JL: Ich erinnere mich, dass Paul Stanley, als er in der Ostseehalle mit der Seilbahn über`s Publikum gefahren ist, eine Bierdusche bekommen hat. Der hat sich auf der Bühne tierisch aufgeregt. (in weinerlichem Tonfall:) "Don`t do this again!"

Wir haben ja grade schon mal das Thema Provokation angeschnitten. Haben sich die Pöbeleien im Nachhinein bezahlt gemacht? Mal abgesehen vom Spaß, den man damit hat? So in Richtung Medienecho?


MCS: Ich habe keinen Schimmer. Ist auch schwer zu rekonstruieren. Keine Ahnung.
JL: Gibt halt manchmal doch viele Leute, die recht böse waren und es gar nicht fassen konnten.
MCS: Wir verschrecken auch viele...

Zum Beispiel?


JL: Oh... massenhaft!
MCS: Mir fällt immer die MISFITS-Tour, die wir gefahren sind, ein. Als wir in München waren...
JL: Oh ja...
MCS: Das Publikum, bzw. der Bayer an sich musste da ein bisschen leiden. Die ham` da so anhaltend mit ihren Bierbechern geschmissen, dass die MISFITS, als die danach auf der Bühne standen, immer noch und auch mit Bechern beschmissen worden sind.
JL: HA HA HA!

Ach so, das MISFITS-Dreiergespann mit Dez Cadena, Jerry Only und Marky Ramone?


MCS: Ja genau.
JL: Komischerweise kamen danach massenhaft Beschwerden und die Leute haben über uns abgehasst und eineinhalb Jahre später haben wir dann wieder in München gespielt, und es war voller als vorher und alle kamen an und meinten "Ey, das war so geil wie ihr uns damals angepöbelt habt ey!"
MCS: Die mussten das erst mal interpretieren... und nicht persönlich nehmen.

Also könnte man schon sagen, es hat was gebracht?


MCS: Das weiß ich nicht...
JL: Naja, darum geht`s ja nicht und das ist ja auch immer tagesformabhängig. Wir sind halt so wie wir sind und dann liegen wir halt manchmal danaben, manchmal aber auch goldrichtig. Keine Ahnung. Das ist halt so wie es ist. Wir denken manchmal auch: "komm, lass mal sein jetzt"
MCS: "Sag`s nicht, sag`s nicht... oh nein, er hat`s gesagt."
JL: Ja, so steht er dann manchmal neben mir und sagt: "Nein, jetzt fängt er mit der Scheiße schon wieder an..."
MCS: Ha ha!
JL: Ich kann aber einfach nicht anders, und ich kann`s dir auch beim besten Willen nicht erklären. Hat auch gar nichts mit den Leuten zu tun, sondern damit, dass mir dann einfach `ne Kackwurst quer liegt im Darm und ein bisschen juckt. Aber das macht auch Spaß ey, irgendwie juckt mich das dann so.

Kann ich verstehen.


JL: Viele Leute finden das auch einfach lustig und können sich darüber auch echt beömmeln so. Und andere nehmen das dann aber auch viel, viel, viel zu ernst. Ich glaube das ist dann auch ein deutsches Problem irgendwo.
MCS: Letztendlich bist du ja auch immer... Also wenn es um Authentizität geht, dann kann mir auch keiner erzählen, dass `ne Band, die jeden Abend auf der Bühne nett ist, sich auch so fühlt. Ich transportier auch das Gefühl, was wir in dem Moment haben. Bands die jeden Tag grinsen und nett sind? Das nehme ich denen einfach nicht ab.
JL: Da ist auch viel Business dabei.
MCS: So ist man einfach nicht jeden Tag. Wir können einfach nicht dieses Lächeln aufsetzen, wenn uns grade nicht danach ist.
JL: Eins ist aber bei uns immer sicher, nämlich dass die Leute bei uns auf jeden Fall abgehen. In welcher Art und Weise auch immer. Es ist ganz selten, dass ein Konzert läuft und es passiert nichts. Es passiert immer irgendwas. Entweder `ne super lustige, produktive Partystimmung oder dass die Leute und bewerfen und uns bepöbeln und wir zurück...
MCS: Aber das ist doch auch wieder ein Erlebnis da dabei gewesen zu sein, das gibt`s doch heutzutage kaum noch!

"The Record" erscheint am 05.02.2010 auf PIAS Records. Checkt das aus, es lohnt sich.