Diskussionsmüde VeganerInnen! (?)

13.12.2012
 

 

Bei all dem zunehmenden Bekanntheitsgrad und der offen transportierten Sympathien gegenüber vegetarischer und veganer Lebensweise, kommt es von Zeit zu Zeit vor, dass man sich mit seiner Lebensweise fühlt, wie beim Spießrutenlauf zwischen Nichtdenkenden. Der Veganer an sich ist ein rar vertretenes Wesen und man trifft ihn eher selten. Es gibt diverse Situationen, in welcher man als Veganer hineinsteuern kann und dann sitzt man oftmals in der Tinte.

Als kleines Beispiel eine Situation beim Essen mit meinen Kollegen. Es gibt eine deftige Brotzeit. Eigentlich wissen alle meine Kollegen, was ich nicht oder eben doch esse. Ausnahmen bestätigen die Regel:
Kollegin A steht am Buffet: „Soll ich dir ein Stück Käse abschneiden?“
Ich: „Nein, esse ich doch nicht, da ist doch Milch drin.“ (Und noch mehr noch nichtmal vegetarischer Quatsch, aber das sage ich jetzt nicht)
Kollegin A meint es wirklich gut mit mir: „Achso, Laktoseintoleranz. Dann ein Stück Salami? Die ist wirklich lecker.“, sprachs und schwenkte mit der Hartwurst vor meiner Nase herum. UÄÄÄÄÄHHHHH!
Ich antworte noch ruhig: „Nein danke, das ist nicht vegan.“, und packe meinen vorbereiteten Gemüseburger mit frischen Sprossen, Senf und Tomatenmark aus.
Kollege B ist noch relativ neu und sein Interesse ist geweckt: „Vegan? Keine Milch, Eier, Fleisch? Was isst du denn dann?“
Ich blicke mitleidig auf meinen fetten Gemüseburger und denke: „ Offensichtlich Dreck und Wurzeln.“

Es ist immer wieder faszinierend, welche Reaktionen man mit seinem „Veganouting“ erntet. Hochgezogene Augenbrauen: „So siehst du gar nicht aus!“. Hierbei frage ich gerne nach, wie denn ein Veganer bitte auszusehen hätte. Meistens zeichnet mein Gegenüber dann ein Bild von einem blassen, abgemagerten, kränkelden Menschen in wallenden Antroposophenklamotten.

Ist man der nette Veganer, steuert man auf Partys gerne Kuchen, Muffins oder andere Leckereien bei. Bekommen die anderen Gäste dann dahinter, dass sie gerade vegan genießen, kommt bestimmt innerhalb der nächsten Happen der Kommentar: “Das ist echt vegan? Schmeckt aber lecker.” Aber wer hat denn zuvor behauptet, dass veganes Essen nicht schmecken darf? Schmeckt super! Weitere sieben Jahre und ich mache den Club der dicken Veganer auf.

Auch wenn man sich eigentlich nicht in allzu vorurteilsbelasteten, nichtdenkenden Kreisen bewegt. Homosexualität, verschiedene Religionen, Weltansichten, Staatszugehörigkeiten, Behinderungen, Berufe und Berufungen ganz unterschiedlichster Couleur finden Akzeptanz, werden integriert und inkludiert und erregen kein Aufsehen. Man könnte von Aufgeklärtheit und Toleranz sprechen. Doch Veganismus ist der Exot. Nach wie vor. Egal wo man auftaucht. Und eigentlich tun gesellschaftliche Kreise in denen man sich bewegt doch eigentlich auch nichts dazu bei. Es gibt sie doch überall, diese Veganer. Vielleicht wird man oft in Gespräche darüber verwickelt, weil es eine freie Entscheidung ist, welche man zum Wohle von Tier, Umwelt und Gesellschaft getroffen hat. Selbstgerecht möchte dabei eigentlich keiner von uns klingen, aber oftmals fällt das schwer. Denn zu oft liegt vielleicht der salzige Finger in der offenen, eiternden Wunde. Dass sich jemand diese Mühe macht. Vegan!

Eine beliebte Feststellung ist auch immer wieder: „Das ist doch unheimlich anstrengend!“ Nein! Wir wissen, dass dem nicht so ist. Zumindest was das kulianrische, kosmetische und modische Leben angeht ist es (mittlerweile) ein Leichtes. Anstrengend sind diese ewigen Diskussionen in welche man verwickelt wird. Ich gehöre nicht zu den offen missionierenden Veganern. Ehrlich gesagt habe ich diese Sorte auch selten getroffen. Die meisten Veganer machen doch einfach ihr Ding (natürlich wird die ein oder andere Pelzfreidemo o.ä. mitgenommen oder hier und da ein Button oder Aufnäher getragen, welcher auf die Lebensweise hinweist, aber das tut ja nichts zu Sache) und die meisten müssen nicht stundenlang dafür argumentieren.

Es könnte so einfach sein. Es würde reichen zu sagen: „Ich lebe vegan[Punkt].“ Ende, aus. Fakt aufgestellt. Es ist ja nicht gerade so, dass man soeben gesagt hätte, dass man Sonntags gerne Kinder verhauen geht. Doch die nächste Stufe folgt: „Warum?“ Macht man den Fehler, darauf wahrheitsgemäß zu antworten, sitzt man schnell in einer Diskussion, in welcher Fleischesser primär damit beschäftigt sind, sich selbst verzweifelt zu rechtfertigen.

Ich entgehe solcherlei Diskussionen gerne. Zeitweise, weil ich wirklich ernsthaft diskussionsmüde bin, aber auch weil ich meine, der betreffende Mensch solle selber denken und zu eigenen Schlüssen kommen. Darum antworte ich gerne: „Weil ich Tier hasse und ihnen ein langes qualvolles Leben wünsche.“, und verlasse das Schlachtfeld des hoffentlich einsetzenden Denkprozesses. Polemik war schon immer meine Stärke und niedrigschwellig angesetzte Botschaften. Je nach dem wer mir gegenüber steht kann ich aber auch fragen: “Warum tust du es nicht?”. Und dann will ich keine pro Fleischessergründe mehr hören.

Aber so schlimm ist es bekanntermaßen ja nicht immer. Und ich möchte auch keine Jammertante sein. Beim Einkaufen fühlt man sich immer wieder in der Rolle des Jägers und Sammlers wieder und freut sich über die ein oder andere schmackhafte oder kleidsame Neuentdeckung. Ungefähr so wie sich unsere Vorfahren gefreut haben müssen, als sie ein noch nicht ganz so stark verwestes Stück Aas in der steinzeitlichen Landschaft fanden. Denn ja: sie waren Aasfresser und das Bild vom jagenden Steinzeitmenschen lässt sich zunehmend schwer als Begründung der tierischer Ernährungsweise des Menschen aufrecht erhalten.

Vor einigen Wochen hatte ich doch auch mal wieder eine Begegnung der netteren und ermunternden Art: Ich stand in der Warteschlange an der Ausgabe meiner Lieblings-"Coffee-To-Go"-Tankstelle und wartete.
“Ein kleiner Café Latte mit Vanillesojamilch!”, blökte der Barista.
Ich erhob Einspruch: “Ich hatte aber einen großen!”
“Na, dann ist das wohl meiner!” sprach eine Frauenstimme hinter mir und nahm den Pappbecher. Mein großer Kaffee folgte.
An der Zucker-/Umrührstäbchentheke traf ich meine Vanillesojamilchkollegin wieder.
“Warum Sojamilch? Laktoseintoleranz?”, fragte sie mich.
“Nein, seit sieben Jahren vegan.”, gab ich zurück und wartete, was da jetzt wohl käme.
“Ach, ist ja lustig, ich auch.”, strahlte mich an und verließ vor mir den Laden. So einfach kann es eben doch auch sein und unverhofft kommt oft. Man muss es eben nur EINFACH machen [Punkt].