Interview mit Architects

26.01.2011
 

 

Man braucht keine fünf Minuten, um zu merken: Da wirkt jemand bedacht darauf nur das Richtige zu sagen, perfekte Antworten zu geben, die aber wie lahme Standardantworten wirken. Langweilig und eher belanglos. Bloß nicht zu viel verraten. Auf der Bühne dagegen schreit Architects Sänger Sam Carter lust- und kraftvoll Zeilen ins Mikro, die viel preisgeben von sich. Vom Bandleben, von den innersten Gedanken, von dem Punkt, an dem man sich müde und ausgebrannt, einfach nur leer fühlte und die Band begraben wollte. Und das schon mit 22.

Doch dieser Seelenstriptease ist nur für die Bühne bestimmt, wo er sich hinter Geschrei und Gesang verstecken kann, wo alles nicht zu nah an ihn herangelassen wird, weil er es weit in den Raum hineinschreit. Das Ganze dann Abend für Abend in oft ausverkauften Hallen. Mit dem aktuellen Album aber dann so, dass man sich nicht genervt fühlt, nicht müde wird es ständig zu spielen. „Du musst dein Album ja so schreiben, dass du immer noch glücklich damit bist, wenn du es jeden Abend auf deiner Tour spielst. Und das haben wir jetzt bei «The Here And Now» gemacht“, erklärt Carter. Allerdings weiß er, dass nach einer langen Tour auch irgendwann etwas nicht mehr ganz so perfekt klingt: „In dem Moment, in dem du das fertige Album in den Händen hältst, findest du alles gut daran. Das liegt daran, dass du so viel Mühe, Arbeit und Leidenschaft reingesteckt hast. Früher oder später ist es aber oft so, dass du dieses und jenes verbessern willst. Aber jetzt gerade eben noch nicht.“ Es scheint, als wäre die Band noch zu nah dran am Ganzen, um Selbstkritik auszuüben. Noch sehen sie ihr neues Album nur im Hier und Jetzt.

"Ein Album schreiben, ist ein bisschen, wie ein eigenes Restaurant zu führen"

Aber für Kritik gibt es ja die Journalisten. Von den einen wird es zerrissen, weil es zu sehr in Richtung poppige, eingängige und simple Sounds geht, von anderen wird es abgefeiert durch die verstärkten melodischen Parts und den gereiften Clean-Gesang. Über die Komplimente für seine Stimme freut sich Sam Carter, doch auch ein Verriss würde ihm nichts ausmachen. Dafür lässt er das alles nicht nah genug an sich heran, regt sich lieber auf: „Verletzen könnte mich ein Review nicht, egal wie schlecht wir dabei wegkommen. Ich rege mich nur ständig darüber auf, dass uns und anderen Bands aus dem Genre ständig Sell-out vorgeworfen wird. Wir schreiben Musik doch nicht nur, um den Leuten zu gefallen. Wir sind glücklich mit dem, was wir machen. Auch wenn ein Album zu schreiben, die stressigste Arbeit auf der Welt ist. Du musst alles aus dir rausholen, was geht und noch mehr. Es ist ein bisschen, wie ein eigenes Restaurant zu führen und dafür das Essen zu kochen. Du musst ausprobieren, was gut ist und welche Zutaten zusammenpassen.“ Aber das fertig gemischte Hardcoresüppchen muss ja schließlich auch den Gästen schmecken. Ist das der Grund, warum immer öfter zu einer Prise Pop gegriffen wird? „Hardcore wird immer poppiger, weil die Bands gelangweilt davon sind, nur reinen Hardcore zu spielen. Sie wollen gucken, wie weit man gehen kann. Sie probieren aus, wie es klingt, wenn sie noch verschiedene Musikeinflüsse reinbringen“, glaubt Carter. Zu den hörbaren Architects-Veränderungen sagt er: „Wir haben unseren Sound nicht verändert, um bekannter und erfolgreicher zu werden. Er ist nur das Ergebnis, von dem, was wir gerade sein und machen wollen.“

Dass so eine Denkweise vielleicht sogar irgendwann das Aus für eine Band sein kann, weil der Erfolg fehlt, sieht Carter aus einem realistischen Blickwinkel. „Es kann gut sein, dass es uns dann in einigen Jahren nicht mehr geben wird, nicht mehr so als Band.“ Weit entfernt waren Architects vor dem aktuellen Album «The Here and Now» nicht von diesem Trennungsszenario. „Es war in Amerika, als wir an diesen Punkt angelangten. Wir waren schon dreieinhalb Monate auf Tour. Immer in demselben Bus schaust du jeden Morgen in dieselben Gesichter, wenn du aufwachst. Da fingen wir an uns zu fragen, ob es nicht besser wäre, wenn wir einfach nach Hause gehen und aufhören“, erinnert sich Carter. Es ist ihm anzumerken, dass er nicht gerne über diese Zeit redet. Die Zeit, in der er sich leer und ausgebrannt fühlte, in der alles auf der Kippe stand. Es war Gitarrist Tom, der die Band irgendwann Backstage daran erinnerte, dass sie im "Hier und Jetzt" leben und das Glück, das sie haben nutzen und genießen sollten. „Wir haben vergessen, dass wir mit der Band und dem Musikmachen unsere Träume leben. Tom hat uns an diesem Tag mit seinen Worten wieder daran erinnert und deshalb haben wir weiter gemacht“, erklärt er. Mittlerweile machen ihm auch 12 Interviews am Tag nichts mehr aus, er sieht sie nicht mehr als nervig an. Eher im Gegenteil: Er freut sich darüber, dass Leute Interesse an ihrer Musik zeigen. Besonders wichtig ist ihm das Interesse seiner Familie: „Sie stehen hundert Prozent hinter dem, was ich mache und sind stolz auf mich. Das neue Album haben sie rauf und runter gehört. Meine Mum, mein Dad und meine Schwester kommen auch oft zu unseren Shows.“

Die Charts der Zukunft: Metal- und Hardcoremusik ganz weit oben?!

Sollte es die Architects irgendwann wirklich nicht mehr geben, will er auf jeden Fall in der Musikbranche bleiben, sich vielleicht ein Studio kaufen und Bands aufnehmen. Doch so schlecht sieht es gar nicht aus für die Band, falls Carters Rumspinnerei irgendwann mal Realität werden sollte: „Wer weiß, wie die Charts der Zukunft aussehen. Vielleicht ist dann Metal- und Hardcoremusik ganz weit oben in den Charts und die normale Popmusik, wie wir sie kennen, überhaupt nicht mehr.“ Nach einer kurzen Pause fügt er noch hinzu: „Aber hoffentlich werden Bands, die ich nicht mag, nicht berühmter. Wie zum Beispiel Asking Alexandria. Ich hasse diese Band. Ihre Musik ist so langweilig und unoriginell. Es gibt so viele amerikanische Bands, da klingt eine wie die andere. Total uninspiriert.“ Architects scheinen nach Sam Carters Aussagen ihre Inspiration wiedergefunden zu haben und zwar an dem Punkt, an dem sie beschlossen haben, weiterzumachen. Im Hier und Jetzt.