Interview mit Feine Sahne Fischfilet

13.02.2015
 

 

Wer sind FEINE SAHNE FISCHFILET?

Feine Sahne? Das sind 6 chaotische Musiker, die seit mittlerweile 8 Jahren zusammen unterwegs sind und überall wo es geht die Chance ergreifen Konzerte zu spielen.

In den letzten Jahren ging es für euch steil bergauf. Wie konnte das passieren?

Da kommen ganz unterschiedliche Faktoren zusammen. Zum einen die Tatsache, dass wir musikalisch einen konsequenten Weg gegangen sind, regelmäßig an neuen Sachen arbeiten, ein neues Album raushauen, ständig auf Tour sind und uns von unserem Label Audiolith der Rücken freigehalten bekommen. Dazu kommt natürlich noch die unfreiwillige Promo vom VS in MV (Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern, Anm. d. Redakteurin), die für eine überregionale Bekanntheit sorgte.

Was ist das für euch für ein Gefühl vom platten Land in Meck- Pomm auf die großen Bühnen des Hurricanes und anderen Festivals?

Es ist schon eigenartig, weil das Dinge sind mit denen du nicht planen kannst, von denen du nicht ausgegangen bist. Insofern war es für uns in erster Linie überraschend auch auf großen Festivalbühnen zu zocken. Da ist bei den ersten Malen vor allem die Ungewissheit groß. Auf Festivals hast du, anders als bei Clubshows, nie die Gewissheit, ob die Leute dich jetzt unbedingt sehen wollen, oder ob sie nicht einfach nur zufällig grade vor der Bühne stehen. Die Aufregung war also mehr als groß. Aber wir haben gut abgeliefert und hatten eine Menge Spaß, danach haben wir einige Korken knallen lassen!

Wie erklärt ihr euch, dass solche rotzige, nicht unbedingt massentaugliche Musik doch so großen Erfolg hat?

Prinizipiell gönne ich erstmal jedem Künstler, der nicht grade auf den Kopf gefallen ist, dass das was er macht auch bei den Leuten ankommt. Egal was er für Mucke macht. Letztendlich macht man es ja genau deshalb. Das ist ja nicht nur ein Selbstzweck. Was uns angeht beobachte ich schon einen gewissen Trend bei den Rezipienten, dass sie halt nicht nur durchproduzierte, glattgeschliffene Musik hören wollen. Ich meine, davon wirst du im Radio den ganzen Tag vollgedudelt. In der Rezipientenforschung würde man dann auch sehr schnell feststellen, dass Menschen ihre Identität über die Musik ausdrücken wollen und dabei wollen sie sich natürlich so individuell wie möglich darstellen, sprich eine Musik hören, die sonst keiner hört. Bloß doof, dass es scheinbar abfärbt und sich an einem gewissen Punkt umkehrt. Auf einmal hören es viele und du bist schon wieder uncool, weil Mainstream und so.

Der Song "Bleiben oder gehen" lässt auf den Zwiespalt zwischen Landflucht und Verbundenheit zu den Wurzeln schließen. Wie haltet ihr das konkret?

So heißt unser Album! In einer Region wie MV gibt es tatsächlich für junge Erwachsene wenig Perspektiven. Nach der Ausbildung verlassen 80% der Leute, auch unseres Freundeskreises, die Region und erhoffen sich mehr. Die restlichen 20% haben sich zumindest heimlich schonmal diese Frage gestellt und überlegen wie es weitergeht. Das begrenzt sich aber nicht nur auf unsere Region. Das passt zu so unterschiedlichen Lebenslagen und soll natürlich auch ermutigen sich überhaupt diese Frage zu stellen, um am Ende eine Entscheidung darüber zu fällen und nicht ewig in diesem Zwiespalt zu leben.

Im Vergleich zu eurem Vorgängeralbum schlagt ihr auf der aktuellen Platte auch öfter nachdenkliche Töne an. "Warten auf das Meer" wäre so eine Sache. Ist man erwachsen, wenn man sich neben Hass auf Staatsgewalt und Faschos auch mit den ernsten Themen des Lebens beschäftigt? Was hat euch da beeinflusst?

Ach, ob das nun erwachsen ist... ich glaube die ernsten Themen des Lebens kommen ganz von alleine zu einem, dazu braucht man nicht erwachsen sein. Vielleicht erwächst man daran ein wenig mehr. Das ist letztendlich auch eine Definitionsfrage. „Besorgte Bürger“, die Asylbewerheime anzünden sind mit Sicherheit auch eine ernste Angelegenheit. Eine andere ist das Bangen um eine nahestehende Person und die Hilflosigkeit die damit verbunden ist. Du kannst nichts machen, nur hoffen.

Was sind die klassischen Prüfungsfächer im Straßenabitur, wie ihr es in "Lass uns gehen" besingt?

Das ist natürlich mit einem ironischen Augenzwinkern formuliert. Wenn man viel auf Tour ist gehen oftmals vor allem die Gehirnzellen drauf. Wenig geistiger Input und immer kühles Bier im Schrank. Daraus könnte sich sogar eine Aufnahmeprüfung zum Straßenabitur ergeben: Backstagebier-wegsaufen. Ansonsten gehört ein bisschen Streetcredibility dazu: rumprollen, sich auf die Seite der Schwächeren stellen, trinkfest sein.

Das was ihr macht, ist für die meisten Hobby, ein Freizeitspaß. Ist es das für euch auch noch? Und wenn nicht: Welche Hobbys habt ihr noch?

Die Band nimmt in der Tat sehr viel Zeit in Anspruch. So viel Zeit verbringen viele Leute nicht in ihrem Hobby. Damit ist es natürlich nicht nur schön, sondern auch anstrengend. Aber ein gutes Hobby sollte einen ja auch fordern. Wenn wir nicht grade auf Tour oder im Studio sind, haben wir ganz unterschiedliche Hobbys: politische Bildung, Engagement in alternativen Hausprojekte, Feste feiern, Kampfsport, Besuch von Kunstausstellungen usw.

Wie geht es euch mit eurem Label Audiolith? Eigentlich ist da ja eher ein anderes Genre vertreten und trotzdem scheint ihr euch da ganz wohl zu fühlen. Wie kam es dazu?

Audiolith sind und waren von jeher in ihrer Attitüde Punkrockers. Wir passen da schon ganz gut rein wenn man das Zwischenmenschliche bedenkt. Außerdem wandelt sich Egotronic ja auch grade vom Elektro- zum Punkrockact. Super spannendes Projekt was genial funktioniert. Sollte man sich definitiv reinziehen.

Kurzes Gehirnausleeren zu folgenden Themen:

Punk:
„eine in Selbstmitleid ertränkte Rebellion“ (KaputKrauts)
Behindertenfeindlichkeit: „geht ja gaaaar niiiich“ (Heinz Strunk)
Möwen: „Sonne und Meer – wie lange ist das her?
Wirst du sie je wieder seh'n?
Möwen im Wind, die immer frei sind
wie viel Zeit wird noch vergeh'n“ (Dritte Wahl)
Käsefüße: „deine Turnschuhe von Converse – auch Chucks genannt
sind vom Fußschweiß getränkt
und sie glitzern in der Sonne
wie ein Geburtstagsgeschenk“ (Olli Schulz)

Man hat das Gefühl dass auf eurer Platte ziemlich oft das Thema Heimat als Fluch und Segen gestriffen wird. Was bedeutet Heimat für euch?

Das haben wir in einem Songtext schonmal formuliert, das braucht man an dieser Stelle nicht neu zu erfinden: „Mit Heimat meine ich keine Nation, mit Heimat meine ich keinen Staat – mit Heimat meine ich Familie, Freunde, wo man Zukunft sieht, wo man sich wohlfühlt, wo man lebt und wo man liebt“

Als auf dem Dockville Festival im letzten Sommer antifaschistische Parolen vom Publikum gegröhlt wurden, habt ihr freundlich darauf hingewiesen, dass das an diesem Ort nicht gerade angebracht ist und habt die Leute aufgefordert mit diesen Parolen lieber in Gegenden zu gehen, wo sie gebraucht werden. Das war ziemlich schlau. Wo seht ihr euren Anteil in der antifaschistischen Bewegung?

Wir wollen Leute dazu ermutigen zu ihrer antifaschistischen Stellung zu stehen. Das ist nichts womit man sich in dieser Gesellschaft verstecken braucht, auch wenn es von staatlicher Seite oftmals verteufelt wird, aber das hat traditionelle Gründe. Aktivbürgerliche Teilhabe genossen schon in der Weimarer Republik keine große Wertschätzung. Die deutsche Beamtenschaft entwickelte eine loyale Haltung zum Staat, nicht jedoch zur Weimarer Republik. Der NS-Staat konnte dies auch durch die Einführung des Berufsbeamtengesetzes 1933 nutzen. Zwar half die loyale Einstellung auch beim Wiederaufbau nach dem 2.WK, die ideologische Grundausrichtung ist jedoch bis heute zu beobachten. Antifaschismus ist und bleibt notwendig, jedoch soll er keine Selbstbeweihräucherung auf unseren Konzerten sein, sondern er sollte sich auch effektiv gestalten.

Zu welchem Thema jenseits der klassischen Punkerparolen oder Themen des Erwachsenwerdens würdet ihr gerne mal einen Song schreiben, habt es aber einfach noch nicht geschafft? Gibt es so etwas überhaupt?

Es gibt noch 1000 Dinge zu denen man etwas schreiben kann. Vor allem ein richtiger Gute-Laune-Song, den man länger als 2 Monate hören kann, wäre doch mal was. Aber das ist schwieriger, als es sich im ersten Moment anhört.

Was passiert, wenn eure Tour vorbei und der Festivalsommer gespielt ist?

Urlaub. Ganz klar Urlaub. Winter- oder Sommer-, Hauptsache Urlaub. Aber nicht zu lange, wir wollen ja irgendwann auch wieder ins Studio!

Welche Frage fehlte euch, zu welchem Thema würdet ihr gerne noch etwas loswerden?

Wie wäre es mit der Frage nach der Entstehung unseren Namens? Kleiner Scherz, das ist die einzige Frage die wir nicht beantworten.

Herzlichen Dank für eure Zeit und die Beantwortung der Fragen! Ich wünsche euch eine gute Releaseparty und eine gute Tour.

Dankeschön.