Plattenkritik

Blacklisted - No One Deserves To Be Here More Than Me

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Info

Release Date: 30.11.2009
Datum Review: 05.12.2009

Blacklisted - No One Deserves To Be Here More Than Me

 

 

Wie man komplett verschwindet…War ja irgendwie klar: Wenn irgendwas an BLACKLISTEDs völlig unvermittelt veröffentlichtem neuen Album Hardcore (und damit korrekt zurückgedacht: Punk) ist, dann ja wohl die konsequente Verweigerungshaltung. Eine Spurensuche:

BLACKLISTED wurden vor gar nicht allzu langer Zeit einmal als durchschlagender, konsequent introspektiver Hybrid aus TERROR und AMERICAN NIGHTMARE bezeichnet. Zu Zeiten ihrer ersten EPs und vor allem ihres Debüts war das auch nichts als die Wahrheit. Von den alten TERROR hatten sie die Konsequenz von AMERICAN NIGHTMARE (und wohl vor allem Wesley Eisold) das Gefühl nirgends richtig reinzupassen. Da hilft auch dieses Konstrukt namens Szene nicht viel als Trostspender oder wärmendes Deckchen. And I confess, a house is not a home…

Die Geschichte BLACKLISTEDs ist somit nicht ausschließlich die Geschichte einer Band, sondern vor allem die eines aus dem Leben gefallenen Protagonisten. Ganz gleich wie „brutal“ ihre ersten Veröffentlichungen waren, wie nah am zeitgenössischen Hardcore-Kanon, George Hirsch hat stets dafür gesorgt, dass die Ideologie seiner Band nicht um Machismo und Pitmoves kreist, sondern eben darum, was das Leben mit einem macht, wenn man nichts hat außer seiner Depression, seiner Band und diesen wenigen Liedern und Platten. Hirsch scheint ohnehin nicht der klassische Hardcore-only Hörer zu sein. Da tummeln sich viele Chan Marshalls ('Wish' vom Vorgänger, die mehr als eindeutige Referenz), NEUTRAL MILK HOTELs und schrammeliger Indie-Rock in seinen Gehörgängen. Dass jene Einflüsse irgendwann durch den Hirsch’schen Teilchenbeschleuniger gejagt, auch im BLACKLISTED Kosmos vorstellig würden, war antizipierbar. Was jetzt keinesfalls bedeuten soll, die Band spiele „Indie“. Allein: was sie spielt, ist nicht mehr so genau auf den Punkt zu bringen.

'Our Apartment Is Always Empty' ist da mit seinem rollenden Groove und einem monologisierenden George Hirsch noch eher als „klassisch“ einzustufen. Irgendwann schälen sich dräuende Geigen heraus, die man nicht unbedingt erwartet hätte, die allerdings passen in einen Song, der mal locker länger ist als vier Songs des Vorgängers zusammen. Man könnte jetzt mutmaßen und unterstellen, BLACKLISTED wollten auf Teufel komm raus anders sein, die Hörer bewusst vor den rauchenden Kopf stoßen. Geschwindigkeit? Fehlanzeige! Wie auch immer geartetes Gebrüll?! Vergiss es! Hirsch hat seinen Vortragsstil weiter ins Extrem verfeinert. Er erzählt mehr, als dass er singt und croont die letzten Wörter jeder Zeile, was dann zu so etwas wie Melodien führt. Recht überflüssig sind die schepprigen Interludes, in die sich auch mal eine versprengte Trompete traut. Mehr als mutig hingegen die zwei minütige mit Spukgeräuschen unterlegte „Akustik-Ballade“ 'The P.I.G. (The Problem Is G.)', die einmal mehr symptomatisch ist für die Ich-Bezogenheit des Autors, der scheinbar nicht anders kann als Erwartungshaltungen konsequent zu ignorieren. "No One Deserves To Be Here More Than Me" soll je bekanntermaßen ausschließlich auf Vinyl erscheinen, Tracklist und Artwork tauchten kurz vor Veröffentlichung völlig unvermittelt auf. BLACKLISTED geben zu dieser Veröffentlichung keine Interviews. Cover und Artwork sehen aus wie ein Bollwerk der schlichtweg hässlichsten Kindheitserinnerungen, die man eigentlich nur mit Insassen der Geschlossenen teilen möchte. Bastelt da eine Band etwa an ihrem eigenen Mythos? Oder legt hier jemand einfach die ersten Spuren in eine völlig neue Welt? Stücke wie 'I’m Trying To Disappear' leben von einer entrückten Atmosphäre, die sich nicht umgehend entfaltet, ein Meer aus verwaschenen Tönen, das vor sich hinplätschert wie auch das Leben eben manchmal dröge vor sich hinplätschert. 'I Am Extraordinary' packt Gitarren erst in Watte, lässt George Hirsch neben der Spur leiern und gibt sich dann einem Duett mit Frauenstimme hin. Das Mantra „I am extraordinary“ wieder und wieder vor sich her tragend. „I am only scared because I myself am scary…“. Mit einer enggefassten Definition von Hardcore hat das Gehörte wie gesagt wenig bis gar nichts zu tun.

Es wächst. Es ist anders. Es bleibt spannend. Es hat allerdings (und wer hätte das schon gedacht nach dieser spontanen Eruption, die "Heavier Than Heaven Lonelier Than God" war) seine unbestreitbaren Längen, weil BLACKLISTED Intensität durch gemäßigte Verspultheit substituieren. Wie dem auch sei. Mal schauen, wo die verspleente Reise noch so hingeht.7,5

Tracklist:

01: Our Apartment Is Always Empty
02: Everything In My Life Is For Sale
03: J.M.N. (Interlude)
04: No One Deserves To Be Here More Than Me
05: G.E.H. (Interlude)
06: The P.I.G. (Problem Is G.)
07: I’m Trying To Disappear
08: Palisade
09: Skeletons
10: I Am Extraordinary
11: S.M.F. (Interlude)

Autor

Bild Autor

René

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