Plattenkritik

Nothington vs. Matt Pryor - Borrowed Time / May Day (Doppelreview)

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Release Date: 30.03.2012
Datum Review: 15.03.2012

Nothington vs. Matt Pryor - Borrowed Time / May Day (Doppelreview)

 

 

„Ihr Saufbolde!“ „Du Gefühlsköttel!“ Das dauerhaft rotierende Stehaufmännchen aus Kansas City und die kalifornischen Tourbullen treffen weder beruflich noch privat allzu oft direkt aufeinander, dafür sind sie grundlegend gar nicht so verschieden. Und glücklicherweise waren weder NOTHINGTON noch MATT PRYOR in der Lage, ihre neuesten Werke länger in Schacht zu halten – wenn auch bei Pryor gereifter und unholpriger, bei den Bay Area Punkrockern überheblicher und kompakter (und ursprünglich auch bereits im September 2011) veröffentlicht wird oder wurde. Nur auf „Amsterdam“ als Schlagwort, da können sich beide Parteien kompromisslos einigen.


„Dein Opener ist mutig gewählt, aber lässt an sich nicht zuviel durchscheinen. Macht Bock auf den zweiten Track. Und die Duseleien halten sich ja im Rahmen, Matt“ grinsen Jay und Co. dem THE GET UP KIDS-Frontmann nach ersten Hörversuchen entgegen. „Ja, der Pegel von „Captive Audience“ greift im Gegensatz zu „Don´t Let The Bastards Get You Down“ natürlich direkt an - so hat es „A Mistake“ beim letzten Mal bereits brilliant vorgemacht. Aber etwas reservierter und manchmal „nachzüglerisch“ klingt „Borrowed Time“ bis circa „Far To Go“ schon. Erst hier wird das Album warm und runder...“ spitzt MATT PRYOR die Situation an. „Allerdings höre ich sofort, dass es sich um präsente NOTHINGTON und keine experimentellen Selbstfindungsphasen oder anderweitigen Ausflüchte handelt. Meint Ihr, dass das gut oder schlecht ist?“
Die Jungs überlegen kurz, aber sind sich einig: „Guck Dir den Titel an. Die Songs unseres dritten Albums sind bloß auf der Grundlage quasi entliehener Zeit entstanden, da machen wir lieber Nägel mit Köpfen. „Don´t Have To Wait For It“ oder „ Where I Can´t Be Found “ sind gute Beispiele dafür. Bei Dir fallen die Songs Deines zweiten Soloalbums aber ebenso unterschiedlich ins Gewicht. „As If I Could Fall In Love Again“ zum Beispiel empfinde ich als nahtlos und mit dem trockenen Banjo und der Mundharmonika irgendwie typisch für Dich. Genauso erinnert mich „Where Do We Go From Here“ positiv an die NEW AMSTERDAMS – was als reines Kompliment aufzufassen ist.“


Matt bedankt sich artig und vergräbt sein schütteres Haupt erneut unter dem Kopfhörer. „Der Druck, für den Eure Songs gepaart mit Emotionen und Melodie mittlerweile berüchtigt sind, zieht sich zweifelsohne auch von Anfang bis Ende durch „Borrowed Time“. Aber die grübelnde und zurückgezogene Art von „End Of The Day“ und auch die melancholische Wahrheit in „The Escapist“ stechen für mich heraus.
Bei „May Day“ schwimmt das Hauptaugenmerk in der Form vielleicht beim klimpernden „Polish The Broken Glass“ oder dem klammen „As Lies Go... This One Is Beatiful“, dem als Ablöse dann das junge und unschuldige „Your New Favorite“ folgt. Apropros: Habt Ihr einen Lieblingssong auf Eurem neuen Album?“
Die Jungs von NOTHINGTON erwidern aufmerksam: „Manche Songs gehen natürlich in eine weitaus persönlichere Richtung – gerade was das textliche anbetrifft, aber einen wahren Lieblingssong würde ich nicht ausmachen können...“ erklärt die jüngste Heimat von Ryan, der zuvor noch bei SPANSISH GAMBLE den Bass bediente. „Aber wo Du gerade von „jung und unschuldig“ sprichst – hast Du nicht auch mal Kinderlieder veröffentlicht? Das finde ich interessant!“ „Du meinst sicher THE TERRIBLE TWOS. Ja, ich hoffe, dass ich dafür in Bälde ein zweites Release fertigstellen kann. Für „May Day“ habe ich ja schon per Kickstarter auf meine treuen Fans zurückgegriffen, die sich der Finanzierung des (tatsächlich) im Monat Mai abgeschlossenen Albums angenommen haben. Dafür kann ich ihnen gar nicht genug danken! So konnte ich die Songs in Ruhe zu Hause produzieren... Kennt ihr so was überhaupt noch - ein „festes zu Hause“?“ wundert sich Pryor und schmunzelt.
„Wir sind scheinbar zum Touren geboren. Auch „Borrowed Time“ wurde ja irgendwo zwischen Tür und Angel eingehackt, nun sind wir praktisch direkt wieder unterwegs, was nicht immer leicht – aber die Sache unbedingt wert ist. Dass „Borrowed Time“ da etwas „mitgenommen“ bis „aufgeschürft“ klingt, war unumgänglich. Letztlich ist das auch genau die Entwicklung, die wir als NOTHINGTON in der letzten Zeit durchgemacht haben. Ebenso wie in deinem Falle ist unser Album aber ein für uns typisches und sinniges Produkt geworden, möchte ich behaupten.“


Matt nickt munter und ergänzt: „Voll und ganz. Euer logischer Nachfolger zu „Roads, Bridges And Ruins“. Keine Gefangenen, keine Vermissten: „Gib ihm“-Riffs und Mitgröhlrefrains mit Einserabitur – wie z.B. „St. Andrews Hall“ und diese lebendige Wut – genau das will ich auf einer neuen NOTHINGTON-Scheibe hören!“
Die Jungs aus San Francisco heben die Hand zum Abklatschen: „Danke, Matt. Damit bringst Du andererseits die Tracks von „May Day“ auf den Punkt: Mit deiner Kaminfeuer-Stimme und dem perfekten Gespür für verträumte Ruhepole kannst du praktisch eh schon wenig falsch machen, aber wenn dann noch ein Spektrum von Höhen, Tiefen und diese Prise folkigerPop dazukommen – funktioniert „I Was A Witness“ genauso wie „The Lies Are Keeping Me Here“. Laut genauso wie leise. Schön genauso wie bitter. Und wir sind eh Verfechter der ganz großen Gefühlsschiene!“ „Moment!“ fällt der Songwriter aus dem mittleren Westen ins Wort. „Jetzt willst Du mich veräppeln, oder?“ „Niemals! Wir formen unser Innerstes bloß zu anderen Klängen um als Du. Aber zusammen werden wir die Emo-Fahne hochhalten, Matt!“ Lautes Gelächter auf beiden Seiten.


Da haben wir es. So oder so ähnlich könnte die Konversation also aussehen. Einer spült es mit Schnaps, der nächste mit seinem Workaholic-Alltag als 360-Grad-Musiker runter. Was in der Kunst unterm Strich rauskommt kann sich jedoch bei beiden Parteien sehen lassen und behaupten. Die Feinausrichtungen in den Bereichen „schön“, „erhaben“ oder „korpulent“ sind nun mal verschieden. Genauso natürlich weiterhin die Stilistiken im Falle NOTHINGTON und MATT PRYOR. Schön, dass man sich neben „Amsterdam“ auch ganz erwachsen auf „May Day“ und „Borrowed Time“ einigen kann.

Trackliste „Borrowed Time“:

01. Captive Audience
02. Where I Can’t Be Found
03. Far To Go
04. End Of The Day
05. To Hold On
06. The Escapist
07. St. Andrews Hall
08. Hopeless
09. Don’t Have To Wait
10. Ordinary Lives
11. I Should Say

Release Date: 30. März 2012 Uncle M Records


Trackliste „May Day“:

01. Don’t Let The Bastards Get You Down
02. The Lies Are Keeping Me Here
03. Where Do We Go From Here
04. Like A Professional
05. As If I Could Fall In Love Again
06. Polish The Broken Glass
07. Unhappy Is The Only Happy That You’ll Ever Be
08. As Lies Go … This One Is Beautiful
09. Your New Favorite
10. You Won’t Get Any Blood From Me
11. I Was A Witness
12. What My Tired Eyes Would View

Release Date: 27. Januar 2012 Arctic Rodeo Recordings Records

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Moppi

Autoren Bio

Alt, langweilig, tierlieb.