Plattenkritik

Killing Joke - MMXII

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Release Date: 30.03.2012
Datum Review: 10.04.2012

Killing Joke - MMXII

 

 

In 225 Tagen geht die Welt unter. Zumindest wenn es nach dem damaligen Wissen der Maya, den Theorien von Nostradamus und den Hirngespinsten zahlreicher Mittvierziger in der Midlife-Crisis geht. Versuche, eben jenes Prime-Time-Event zu vertonen, gab es viele. Im 33. Jahr nach ihrer Gründung gesellen sich auch die Post-Punk-Opis von KILLING JOKE um Verschwörungstheoretiker Nummer Eins Jaz Coleman in die illustre Gesellschaft ein. Mit dem kleinen Unterschied, dass "MMMXII" dies überaus stimmunsgvoll und zu keiner Zeit aufdringlich tut.

Um für Klarheit zu sorgen, Jaz Coleman glaubt nicht an den Weltuntergang. Zumindest noch nicht dieses Jahr, laut Coleman wird es aber einige einschneidende Veränderungen für die Menschheit geben. So weit, so gut. Die seit vier Jahren wieder in Originalbesetzung tätige Institution befand zuletzt in bestechender Form. Egal, ob man das selbstbetitelte Comeback von 2003 zu Rate zieht, den sperrigen Koloss "Hosannas From The Basement Of Hell" oder das schlicht geniale, erst zwei Jahre alte "Absolute Dissent". Umso beeindruckender ist der Fakt, dass "MMXII" die bisherige Krönung der "modernen" Schaffens von Killing Joke darstellt.

Und dabei wirkt der Weltuntergangslongplayer während der ersten Durchläufe noch merkwürdig zurückhaltend, vor allem wenn man die direkten Vorgänger kennt. Jaz Coleman vertraut inzwischen deutlich mehr seiner melancholischen klaren Stimme, das fauchende Gebrüll wird dezenter aber auch deutlich zielgerichteter eingesetzt. Das macht sich im, sich nur langsam aufbauenden, Opener "Pole Shift" noch gar nicht so schwerwiegend bemerkbar, fällt bei Nummern wie dem wunderbar harmonischen "In Cythera" gleich doppelt auf. Die erste Single glänzt nämlich auch durch fast schon DEPECHE MODE artige Melodiebögen. Doch keine Angst, das sind immer noch KILLING JOKE, das sind immer noch die selben alten Post-Punk-Götter. Wer's nicht glaubt, dem lege ich "Corporate Elect" ans Herz. Allein schon das sägende Mainriff hat genug Aussagekraft.

Ein große Stärke von Album Nummer Zwölf (ein weiter Bezug zum Albumtitel?) ist das hohe Maß an Abwechslung. Egal ob aus den abgründigen Tiefen der Seele ("Fema Camp"), aus den Agressionen der Magengegend ("Glitch") oder aus den tiefsten New-Wave-verseuchten Achtzigern ("Trance") - KILLING JOKE treffen immer den richtigen Ton. Es fällt schwer aus dieser komplett homogenen Einheit ein Highlight herauszuheben. Am ehesten wäre dies wohl das seinem Namen alle Ehre machende "Trance". Ein Streitpunkt wird wohl die Produktion bleiben. Die berstet mal wieder vor Hall und klingt dabei immer mal wieder blechern. Für manche klingt das nach Schrottplatz, ich find's eigentlich ziemlich passend. Egal, nach "On A Hallow's Eve" und über 50 Minuten Hoffnung, Schmerz und Nachdenklichkeit, muss man einfach spontan applaudieren.

Da werden die Sitznachbarn in der Straßenbahn zwar blöd kucken, aber wer auch auf der Zielgeraden seiner Karriere immer noch mit der (wesentlich jüngeren) Konkurrenz den Boden wischt, hat diese Ovationen einfach verdient. Hoffen wir also alle gemeinsam das die Welt nicht untergeht und, ach egal, sie wird es sowieso nicht tun. Es sei denn ein riesiger Supermeteorit trifft uns. Aber selbst dann würde Jaz Coleman wohl noch großartigen Post-Punk spielen.

Tracklist:

1. Pole SHift
2. Feme Camp
3. Rapture
4. Colony Collapse
5. Corporate Elect
6. In Cythera
7. Primobile
8. Glitch
9. Trance
10. On A Hallow's Eve

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Enrico

Autoren Bio

Je ne sais pas. Ein Hoch auf meine Standardantwort im Französischunterricht in der Schule.