Plattenkritik

Korn - "The Paradigm Shift"

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 04.10.2013
Datum Review: 20.10.2013

Korn - "The Paradigm Shift"

 

 

KORN – diese Band ist vollkommen zurecht in die Annalen der Rock- und Metalgeschichte eingegangen und verdient neben Künstlern wie PANTERA, METALLICA oder MACHINE HEAD besondere Anerkennung und Respekt. Man kann sie mögen oder nicht, aber zugegebenermaßen haben sie einen eigenen, äußerst innovativen Sound erfunden und unzählige weitere Bands geprägt. Sie waren DIE Speerspitze der damaligen New Metal Welle und waren stets mutig Dinge auszuprobieren, von denen sie nicht ausgehen konnten, dass diese gut bei Kritikern und Fans ankommen würden.

Aber eben dieses kreativ über den eigenen Tellerrand hinaus blicken und handwerkliches Geschick, sorgte dafür, dass sie neben SLIPKNOT zu den ganz wenigen gehören, die den Niedergang dieser Szene angeschlagen, aber nicht gänzlich zerstört, überstanden hat (und sie haben auch mal einen ganzen arschvoll Hits, die immer noch drücken: 'Blind', 'Got The Life',....hier kann wohl jeder mehr als zwei Dutzend Lieder nennen). Dabei hätte sie, bekanntermaßen, beinahe sich selbst nicht überlebt.
Nachdem Drummer David ausstieg, ging ein wesentlicher Bestandteil der Band, der glücklicherweise 2007 derart adäquat ersetzt werden konnte, dass man fast sagen kann, wir haben hier die Joker-Patt-Situation. David = Ausnahmedrummer, Ray = Ausnahmedrummer (danke an dieser Stelle an Mr. und Mrs Luzier, dass sie sich eines Nachts gesagt haben „ach, lass man laufen“!!). Was ich damit sagen will: Beide waren gut, beide hatten einen eigenen Stil und beide brachten / bringen die Band mit ihrem Spiel (wieder) ganz nach vorne. Dann las man nur noch von Depressionen, Alkohol, Drogen und die Band schien sich im Kreis zu drehen.
Nach „Take a Look in the Mirror“ entschwand die Band vollständig aus dem Fokus meines Interesse. Dann die Nachricht: KORN sind nur noch ein Trio. David weg, Head weg: Wo sollte das hinführen? Zu schwachem Sound und merkwürdigen Disco - Tracks. Das war nicht mehr Korn, das war so geschmack- und gehaltvoll wie ein Coors Light (was die ja literweise wegzogen) im Vergleich zu einem Köstritzer oder Astra Rotlicht. Also gar nicht. KORN erschien mir tot, nur wussten die Bandmitglieder selbst noch nichts davon. Aber wie ich irrte: Waren doch die merkwürdigen Songs nur der Weg zu dem großartigen „The Path of Totality“, welches WIEDER einen Sound kreierte und eine weitere Szene in das kollektive Bewusstsein des Mainstream katapultierte: Dubstep mit ihrem König Skrillex. Nach etwas mehr als fünfzehn Jahren wiederholt sich die Geschichte (im positiven Sinne).
Doch dass Head zurückkehren würde, das war (für mich) nicht so offensichtlich wie in anderen Fällen. Aber nun haben die Musiker alle zu Gott und sich selbst gefunden, und dass das Glück nicht auf dem Grund einer Prosac oder Bierflasche liegt, sondern auf dem einer dampfenden Tasse heißen Brennessel-Tee.

Geschadet hat die Wurmkur nicht, denn „The Paradigm Shift“ ist ein kraftvolles Album. Es ist zwar geprägt von der neuen positiven Lebenseinstellung und das spiegelt sich akustisch nachvollziehbar auch in der Musik wieder, doch haben Songs wie 'Lullaby for a Sadist' trotz der ergreifenden Melodien und ihrem teils eingängigen, rockigen Charme nicht weniger Intensität als 'Daddy' (nur wirkt 'Lullaby...' eben auf einer anderen Ebene). 'Victimized' geht dann wieder in die Richtung „The Path...“, überhaupt kann man sagen, dass Synthies und Dubstep-Elemente immer noch zum Soundgewand gehören – hervorstechend, aber wirkungsvoll.
Mit Stücken wie 'Wish I Wasn´t Born Today' oder 'Love & Meth' schaffen die Kalifornier eine Brücke zwischen den alten (wohl eher jungen) KORN und den neuen (alten, sagen wir gesetzten) aktuellen – aggressiv und melodiös. Hits zu prognostizieren erlaube ich mir an dieser Stelle nicht. Das wird die Zeit zeigen. Aber 'Prey For Me' bläst mit einfach unfassbar viel Wucht aus der heimischen Stereoanlage.

Soundtechnisch erinnert mich „The Paradigm...“ an „Issues“. Mir fehlt hier der Bass-Sound von „Korn“ oder „Follow the Leader“. Ist nicht so, dass man Fieldy nicht hören würde, aber es ist eine Frage des „wie“. Insgesamt wirkt der Sound stark komprimiert und dadurch künstlich, um nicht zu sagen klinisch. Muss aber wohl so sein, bei all den vielen Elementen die gehört werden wollen. Mir persönlich zu sauber, zu schön und streckenweise überladen. Dann lieber „Take a Look...“ oder „Korn“ - reduziert auf das Wesentliche. Dennoch: Don Gilmore war die richtige Wahl!

Insgesamt eine hervorragende Scheibe, die im KORN-Universum definitiv einen Meilenstein darstellt. Ob sie nun aber damit das Rad auch außerhalb ihres Kosmos neu erfunden haben? Das würde ich eher negieren wollen, aber auch (noch) nicht ausschließen wollen. Es ist auf jeden Fall ein Album, dass ich gerne höre, wenn ich auch hin und wieder etwas zu viel Eingängigkeit feststellen muss.

Da ich knochentrocken und ehrlich bin, hätte ich eine Platt wie „See You...“ unabhängig von Labelpolitik und Namensbewusstsein schlichtweg verrissen. „The Paradigm...“ jedoch bekommt vollkommen zurecht

9 Punkte

Linc


Tracklist

1. Prey for Me - 3:37
2. Love & Meth - 4:03
3. What We Do - 4:06
4. Spike in My Veins - 4:24
5. Mass Hysteria - 4:04
6. Paranoid and Aroused - 3:34
7. Never Never - 3:41
8. Punishment Time - 4:00
9. Lullaby for a Sadist - 4:18
10. Victimized - 4:00
11. It's All Wrong - 3:31

Autor

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Linc

Autoren Bio

Singer-Songwriter (LINC VAN JOHNSON & The Dusters) Singer (SUPERCHARGER) [DK] Vocal Coach seit 2011. Berufssänger/-musiker seit 2008. Studium Musik/Anglistik Bei ALLSCHOOLS seit 2006.