Plattenkritik

Children (D) - Leaving Home

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Release Date: 05.09.2014
Datum Review: 23.08.2014

Children (D) - Leaving Home

 

 

Alle hören in der Bahn Musik, aber keiner tanzt. Warum eigentlich nicht? Vielleicht hören sie alle keine gute Musik? Stöpsel im Ohr aber kein Gefühl? Vermutlich sollte man mal eine Runde CHILDREN "Leaving Home" an den Haltestellen verteilen. An einem Herbstmorgen, wo die Luft noch frisch, klar und hell ist vom nächtlichen Regen ist. Mit ein bisschen Spucke, versucht die Sonne ihr Glück. Wennn sie dann zuhören würden, würde es vermutlich mit einem Lächeln bei "Cut" beginnen, dann erst bei "Grace" sanft den Fuß zum Wippen bringen. Hier gibt es noch die ruhige Momente in denen man schauen könnte, ob es die Anderen einem gleichtun. Der milde Takt würde sich seinen Weg bahnen, hinauf zu den Knien, bis in die Hüften. Sanft würden die Bläser von "Back" die Arme heben und schon ist es passiert. Gleitend an den Umsteigestationen, getragen vom wohlig warmen Gesang. Alles wäre gut, ab dem Moment, wo die Klänge von CHILDREN ankommen. Wärme im Kopf.

Manchmal muss man die vermeintliche Komfortzone verlassen, um anzukommen. Denken wir kurz mal an Neustrelitz. Diese kleine Stadt in Mecklenburg- Vorpommern, dort wo im Sommer auf dem Immergut Festival und der Fusion mehr als ein Tanzbein geschwungen wird. Von dort kommen CHILDREN eigentlich, dort sind sie groß geworden. Doch so schön Neustrelitz auch sein mag, irgendwann muss man aufbrechen. Im Falle von CHILDREN war das Naheliegenste Berlin und genau darum kann man ihnen auf keinen Fall unterstellen, auf dieser Elektropophypewelle der Großstadt mitzusurfen. Dafür klingen sie viel zu entspannt. Viel zu sehr nach Lindenalleen zwischen Feldern, Schwalbengezwitscher und der aufgehenden Sonne über dem See. Sie haben viel von dort migebracht, wo sie aufgebrochen sind. Vielleicht sind sie darum für Berliner Verhältnisse viel zu unaufgeregt und haben ihr aktuelles Album per Crowdfunding finanziert. Unaufgeregt soll an dieser Stelle keineswegs langweilig heißen, unaufgeregt heißt in diesem Falle mild, wohl durchdacht, schlau, detailverliebt, mit eben dem sanften Rhythmus, der sich langsam durch den Körper schiebt. Dazu perfekt gesetzte, eingängige Melodien von Gitarre, Klavier und Bläsern zwischen den Synthies. Nichts und niemand quietscht und eiert, im Vordergrund steht die Musik und kein Selbstdarstellungsgehabe. Disharmonien scheinen die beiden Damen und der Herr nicht zu kennen. Hektisches Beatgeballer wird man vergeblich suchen, Rhythmus heißt nicht zwangsläufig immer draufschlagen. Hier wird niemand zum Tanzen geprügelt, sondern vielmehr auf die Tanzfläche- wo auch immer diese sein kann- geführt. Ehrlich gesagt erscheint es schwer vorstellbar, dass CHILDREN in dunklen, muffigen Cubs funktionieren, dafür klingt ihre Musik viel zu weit, offen und raumgreifend.

Man darf auch morgens im nasskalten Herbst nicht vergessen, wozu man im Sommer die Füße gebraucht hat: Zum Tanzen auf dem Festival, in der Sonne, zwischen Bäumen und Feldern, wenn man auf den richtigen Festivals war. Zum Treiben lassen. Nicht gehen, sondern tanzen. Sollte man auch mal auf dem Weg zur Arbeit tun. Warum nicht ein bisschen von dem Schönen mitnehmen, von dort wo man sich am wohlsten fühlt? So haben es CHILDREN getan. Und wer sich das Tanzen nicht traut, dem geben CHILDREN mindestens ein Lächeln mit auf den Weg. Sie werden helfen, das Ende des Sommers zu überstehen.

Tracklist:
1. Cut
2. Grace
3. Back
4. No Future
5. Rivers
6. Leaving Home
7. Quiet Voices
8. Close Strangers

Autor

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Jule

Autoren Bio

wäre gern teil einer postfeministischen emopunkband/ verbalprimatin/ kuchenveganerin/ ich kann mir keine songtitel merken, selbst die meiner lieblingssongs vergesse ich.../ ich bin nicht betrunken, ich bin immer so/ fraujule.blogspot.de