Plattenkritik

The Psyke Project - Dead Storm

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 21.08.2009
Datum Review: 19.12.2009

The Psyke Project - Dead Storm

 

 

Es ist Nacht. Die Autobahn ist leer. Es regnet, nicht stark, aber mehr als genug, um es nur einen kleinen Schauer zu nennen. Die kleine Gruppe von Freunden, fünf an der Zahl, sitzen im Auto, ihr Ziel unbekannt. Viel geredet wird nicht, die Stimmung wirkt ruhig, aber angespannt. In einer Regelmäßigkeit ziehen die Fahrbahnbegrenzungsstreifen am Auto vorbei, die Scheinwerfer, alleine auf weiter Fahrt beleuchten den Asphalt, grau in grau. Aus dem Radio tönen leise Gitarrensounds. Zwei der Beifahrer versinken in einen leichten Schlaf, dämmern hinab in die Traumwelt. Der Fahrer bleibt konzentriert, aber auch er ist müde. Bisher verläuft die Fahrt gut und ohne besondere Zwischenfälle, es hätte alles so einfach sein können, so einfach.....
Wären da nicht diese Scheinwerfer, die im nächsten Moment alles in grelles Licht tauchen. Diese Scheinwerfer, die immer näher kommen, bedrohlich nah. Mit einem lauten Knall werden die Gitarrentöne lauter, im Player läuft „Dead Storm“, das neue Album von THE PSYKE PROJECT. Es erfolgt der Ausbruch, es wird lauter, immer lauter und vor allem aggressiver .Wie aufeinander abgestimmt, erfolgt mit dem Ausbruch der Musik, der Aufprall. Ein lautes Krachen, Metall reibt sich an Metall, verbiegt sich, bricht. Scheiben bersten, der vordere Beifahrer wird in hohem Bogen aus dem Wagen geschleudert, bleibt einige Meter weiter reglos liegen. Der Fahrer wird eingequetscht, die hinteren Personen bekommen von alldem nichts mit. Sie haben geschlafen, werden es wohl für immer tun, nur nicht in diesem Auto. Es wird ruhig, alles kommt zum Stehen. Vom Geisterfahrer ist nichts übrig geblieben. Verwüstung, wo man hinschaut, in weiter Ferne die Blaulichter. Die Musik verstummt nicht.

Die heil gebliebene Anzeige zeigt für den Außenstehenden Track drei an, „Stockholm Bloodbath“ , es kehrt zeitweise Ruhe ein, bevor die Musik wieder ihren misanthropen und nihilistischen Ausbruch erfährt. Schreie des einzigen Überlebenden, des Fahrers, vereinen sich mit denen der Band. So wie man auf der Platte die Wut hinaus schreit, so werden die Schmerzen ebenfalls zum Ausdruck gebracht.

Zeitsprung:

Um den Unfallort ist mittlerweile alles abgesperrt. Krankenwagen, Polizei, Feuerwehr. Alle sind sie dabei. Aus dem Auto schallt es „Forget The Forgotten“. So ist das. Tote werden schnell vergessen, manche zu schnell. Das preisen THE PSYKE PROJECT wunderbar mit ihrem aggressiven Sound an. Es passt zur Szenerie. Alles ist in Aufruhr. Menschen wirbeln umher. Sanitäter geben ihr Bestes. Reanimation. Vergeblich. „Forget The Forgotten“.... Liebend gerne würde man die Musik ausschalten, man kommt nicht dran, alles ist verbeult und zerquetscht. Der Mann mit der Säge noch nicht vor Ort. Beruhigende Wort zum Fahrer, er ist immer noch eingequetscht. Erträgt die Musik nicht, kann sich aber nicht bewegen. Er droht zu kollabieren, der Versuch sich nach vorne zu richten scheitert, ohne auch nur einen Hauch von Erfolg. Das andere Auto hat vor geraumer Zeit Feuer gefangen, ist mittlerweile gänzlich ausgebrannt.

Die helfenden Kräfte versuchen sich zu konzentrieren. „Winter“ gibt ihnen mit seinem ruhigen Einstieg die Zeit dazu, klare Gedanken zu fassen. „Hier liegt noch einer! Verdammt, wie viele waren denn in dem Auto!“ Sanitäter kommen angerannt. Aus den Boxen zelebrieren THE PSYKE PROJECT weiterhin ihren Abriss. Der ruhige Einstieg entwickelt sich zu einem weiteren Zeitlupen-Sludge-Gewitter, dem immer wieder hoffnungsvolle Melodien, Licht in der Dunkelheit verabreicht werden. Das Gewitter gewinnt. Für die Ärzte ist der Job beendet, sie konnten nichts mehr tun. Das Opfer ist ihnen entglitten. Der Schmerz konnte nur für die letzten Lebenssekunden gelindert werden. Es regnet immer noch, jetzt stärker. Das erschwert die Arbeit. Mittlerweile ist die Presse vor Ort. Hilfskräfte halten die gierigen Fotografen zurück, bevor sie auch nur einen Schnappschuss der Leichen oder der Autos machen können, nicht ganz ohne laute Worte beider Seiten. Aus dem Auto bolzt die Band immer noch alles nieder.

Der Mann mit der Säge ist eingetroffen. Er macht sich am Auto zu schaffen. Das Geräusch der Säge, die das Metall durchtrennt, eine Öffnung schafft, verbindet sich mit „Utopia Is Not An Option“. Kreischende Geräusche, die Nerven und Ohren zerfetzend, ergänzen die Musik um ein nicht unbedingt fehlendes, aber in der Vorstellung mehr als passendes Stück. Es wird ruhiger, nur noch Drums und im Hintergrund leicht verzerrte Gitarren. Der Fahrer ist bewusstlos, das Auto jedoch offen. Hände greifen nach ihm, versuchen ihn raus zu zerren. Er wacht auf, sammelt seine letzten Kräfte, schreit vor Schmerz und schlägt auf das Radio ein. Stille. Nichts ist zu hören. Das Blaulicht blinkt auf und ab. Die Situation wirkt wie eingefroren. Der Fahrer schließt seine Augen. Ein weißes Licht blendet ihn. Dann ist alles schwarz. Der Fahrer schließt seine Augen und macht sie nie wieder auf.

Der Abtransport verläuft ruhig, bedrückte Stimmung macht sich breit. Die Hilfskräfte kamen zu spät. Eine Tragödie, die ihresgleichen sucht. Nur noch die Reinigungskäfte und Spurensicherung machen sich am Unfallort zu schaffen. Jetzt müssen Telefonate geführt werden, unangenehme Telefonate mit schlechten Nachrichten. „Forget The Forgotten“, in diesem Falle bitte nicht!


Post Scriptum: „Dead Storm“ klingt genau, wie diese kleine Geschichte. Absolut hoffnungslos und menschenverachtend. Hier wird über eine knappe Stunde hinweg der absolute Angriff auf Gehörgänge und Gehirn ausgeübt. Teilweise ist die Aggressivität fast nicht zu ertragen. Es gibt kaum Momente, die Ruhe versprühen. Diese, wenn sie denn auftauchen, nimmt man dafür umso dankbarer an, denn sonst könnte man die rohe Gewalt und Wut, die dieses Album versprüht schwer an einem Stück aushalten. Dennoch: THE PSYKE PROJECT machen auf „Dead Storm“ keinen einzigen Fehler und wissen, wie man den Hörer durch technische Finessen bei der Stange hält. Keine einfache Kost, dafür aber umso besser, wenn man sich erst einmal rein gefunden hat. In Verbindung mit dem genialen Coverartwork liegt hier also eine absolute Kaufempfehlung vor!


Tracklist:

01. Fire Blizzards
02. Dead People Never Lie
03. Stockholm Bloodbath
04. Mile High Pillars
05. Polaris
06. Forget The Forgotten
07. Winter
08. Storms Of The North
09. Cursed With Care
10. Utopia Is Not An Option

Autor

Bild Autor

Alex G.

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