Plattenkritik

Ayreon - The Theory Of Everything

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Release Date: 26.10.2013
Datum Review: 29.10.2013

Ayreon - The Theory Of Everything

 

 

Mit „Timeline“ endete das erste Kapitel des Projekts AYREON, nach sieben Studioalben, vor fünf Jahren. Arjen Lucassen hatte seine allumfassende Sci-Fi-Saga mit „01011001“ abgeschlossen und wollte sich erst einmal Zeit für andere Projekte nehmen. Ergebnis davon waren zum einen das zweite STAR-ONE-Album „Victims Of The Modern Age“ und Lucassens zweites Solo-Album „Lost In The Real World“.
Nun hat der Niederländer AYREON wieder zum Leben erweckt. Zwar erzählt Arjen Lucassen mit „The Theory Of Everything“ ein Handlung fernab von Science Fiction, dem Grundstrukturen seines Projekts bleibt er jedoch treu. Wie immer besteht der Kern aus Lucassen selbst und Schlagzeuger Ed Warby (HAIL OF BULLETS), darum versammeln sich unzählige Gastmusiker. Waren es auf „01011001“ noch 17 Sänger, sind es nun nur noch 7. Die Bekanntesten sind mit Sicherheit John Wetton (KING CRIMSON), Marko Hietala (NIGHTWISH), Tommy Karvevik (KAMELOT) und Christina Scabbia (LACUNA COIL). Daneben hat sich Lucassen, der wie immer auch als Sänger in Erscheinung tritt, mit JB (GRAND MAGUS) einen Musiker an Bord geholt, den man nicht auf einem Progressive-Metal-Release erwarten würde. Außerdem gibt es mit Michael Mills (TOEHIDDER) und Sara Squadrani (ANCIENT BARDS) zwei Vokalisten eine Chance, die noch recht unbekannt sind. Um die Liste der Star zu erweitern, sind noch Namen wie Rick Wakeman (YES), Jordan Rudess (DREAM THEATER), Keith Emerson (Emerson, Lake & Palmer) und Steve Hackett (GENESIS) zu nennen - Jeder Prog-Rock-Fan sollte bei dieser Zusammenstellung mit den Ohren schlackern.

Aber genug der Einführung, denn die Gästeliste kann noch so gut aussehen, am Ende zählt die Musik. Diese umfasst auf „The Theory Of Everything“ anderthalb Stunden, aufgeteilt in vier Songs und zwei CDs. Um das Hörerlebnis einfacher zu machen, hat Lucassen diese Mammutwerke in kleine Unterkapitel zerschnitten. Diese Aufteilung hätte man sich jedoch sparen können, denn die wahre Größe dieses Albums offenbart sich sowieso nicht, wenn man nur einzelne Sektionen anspielt. Der Hörer wird hier dazu aufgefordert sich hinzusetzen und in Ruhe mit dem Werk auseinandersetzen, bestmöglich noch die Texte mitzulesen. Selbst wenn man diese jedoch nicht mitliest, wird einem immer noch genug geboten. Durch die Reduktion auf nur sieben Sänger tritt die instrumentelle Seite von „The Theory Of Everything“ viel stärker zu Tage als dies noch auf dem direkten Vorgänger der Fall war. Die vielen verschiedenen Elemente werden dadurch noch besser herausgestellt, wie zum Beispiel die prägnante Orgel oder Troy Donockleys (NIGHTWISH) Flöten und Pfeifen. Auch scheint es so, als wäre AYREONs achtes Studioalbum wesentlich „ruhiger“ ausgefallen (was insgesamt womöglich sogar stimmen mag). Dennoch ist es so, dass durch die Konzentration auf die Instrumental-Teile, der Kontrast zwischen „harten“ Metal-Elementen und „ruhigen“ sphärischen Prog-Elementen wesentlich größer erscheint. „The Theory Of Everything“ fühlt sich dadurch eindeutig „klassisch“ an, obwohl es durch seine lupenreine, warme Produktion eindeutig als modernes Album zu identifizieren ist.
Auf einzelne Tracks einzugehen würde diesem Album nicht gerecht werden. Wie oben bereits erwähnt, erfordert dieser Monolith einen aufmerksamen Zuhörer, der wirklich gewillt ist, sich mit für anderthalb Stunden nur mit diesem Werk zu beschäftigen (in der heutigen Shuffle-Gesellschaft vielleicht ein bisschen viel verlangt, aber anders ist „The Theory Of Everything“ auch nach mehreren Durchläufen nicht beizukommen). Erst dann lassen sich die, teilweise wiederkehrenden, Strukturen erfassen, erst dann hat man mit dem Album seinen Spaß. Denn diesen kann man, nach reichlicher Beschäftigung, auch wieder AYREONs neustem Streich haben. Mit jedem Durchlauf wächst „The Theory Of Everything“, mit jedem Durchlauf erkennt man auch mehr Parallelen zwischen der musikalischen und lyrischen Ebene. Diese ist zwar nicht so komplex wie die dargebotene Musik, besitzt jedoch wesentlich mehr Tiefe als die üblichen, auf Konzeptalben abgehandelten Geschichten. Eine nähere Erläuterung der Handlung würde diesen, ohnehin schon überreizten, Rahmen nun aber gänzlich sprengen. Wer sich diesem Album stellen möchte, wird früher oder später aber nicht darum kommen, sich mit den Texten zu befassen.

Selbst ohne Science-Fiction-Setting im Hintergrund gelingt Arjen Lucassen zum wiederholten Male ein vielschichtiges Progressive-Rock-Album. „The Theory Of Everything“ fordert dabei eine gewisse Einarbeitungszeit, dann weiß es jedoch genauso zu glänzen wie „The Universal Migrator“ oder „The Human Equation“. Die Wartezeit auf ein neues AYREON-Album hat sich auf jeden Fall gelohnt.

Tracklist:

CD 1
Phase 1: Singularity
01. Prologue: The Blackboard
02. The Theory Of Everything Part 1
03. Patterns
04. The Prodigy's World
05. The Teacher's Discovery
06. Love And Envy
07. Progressive Waves
08. The Gift
09. The Eleventh Dimension
10. Inertia
11. The Theory Of Everything Part 2
Phase 2: Symmetry
12. The Consultation
13. Diagnosis
14. The Argument 1
15. The Rival's Dilemma
16. Surface Tension
17. A Reason To Live
18. Potential
19. Quantum Chaos
20. Dark Medicine
21. Alive!
22. The Prediction

CD 2
Phase 3: Entanglement
01. Fluctuations
02. Transformation
03. Collision
04. Side Effects
05. Frequency Modulation
06. Magnetism
07. Quid Pro Quo
08. String Theory
09. Fortune?
Phase 4: Unification
10. Mirror Of Dreams
11. The Lighthouse
12. The Argument 2
13. The Parting
14. The Visitation
15. The Breakthrough
16. The Note
17. The Uncertainty Principle
18. Dark Energy
19. The Theory Of Everything Part 3
20. The Blackboard (Reprise)

Autor

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Manuel

Autoren Bio

Ich schreibe Artikel. Manchmal schlecht, manchmal gut, immer über seltsame Musik.