Plattenkritik

Capital - Givers Takers

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Info

Release Date: 12.02.2010
Datum Review: 12.02.2011

Capital - Givers Takers

 

 

Melodischer Hardcore und was das Leben daraus macht: CAPITAL waren jetzt nie die Band, mit der man vor seinen Freunden angeben konnte. Dafür bleiben sie eine der wuchtigsten, warmherzigsten, rauflustigsten, zurückgenommen hymnischsten melodischen Hardcorebands unserer Tage. Zwischen DAG NASTY, AVAIL, alter DC-Schule und (natürlich) SILENT MAJORITY ist immer noch ein Plätzchen frei. CAPITAL füllen es mit Verve. Ab und zu grölen sie gemeinsam.

Understatement ist ja häufig auch einfach nur ein Kunstgriff, um Aufmerksamkeit zu generieren. Problematisch wird es allerdings, wenn Lebensretterbands wie CAPITAL Alben veröffentlichen und es niemand mitbekommt. Wer denkt, dass das Kumpelding, das rumpelnde Schlagzeug, die Gitarren, die gegen das Leben ansingen und der gemäßigte Whiskeybarriton im melodischen Hardcore durch sind, der hat "Givers Takers" noch nicht gehört. Und wo bitte sind da jetzt die Neuerungen, fragt der aufgebrachte Leser, der sich eben noch die neue ARCHITECTS bei Mediafire gesaugt hat? Nun, CAPITAL (aus Long Island!!!) klingen wuchtiger, dichter und (Verzeihung) tiefgründiger denn je. Das, lieber Leser, sollte jawohl durchaus reichen.

Eines fällt zunächst auf: CAPITAL zeigen im Jahre 2011 wesentlich mehr Präsenz. Das, woran die letzten, ebenfalls großartigen Alben der Band krankten – die Aufnahmequalität nämlich – wurde (Chris Hannah von PROPAGANDHI sei dank) aufgemotzt. Natürlich sollten Platten wie diese nicht zu perfekt klingen. Wenn jedoch 'Green (With Envy)' in seiner Mischung aus plättendem Stop-And-Go, unbändiger Energie und Tommy Corrigans immer irgendwie aufgebracht-hymnischem Organ durch die Boxen bollert, wird klar: genauso dicht und trotzdem transparent muss diese Band klingen. Dann machen CAPITAL ein Fass auf. Sämtliche als melodisch apostrophierte Subgenres und Schaffensphasen dieses ominösen Hardcore-Dings werden ausgeleuchtet, zitiert, ins eigene Bandkorsett gezwängt, ohne irgendwie disparat und also langweilig zu klingen. Punk, (Post-)Hardcore und EMBRACE-Melodieseligkeit. Da ist zum Beispiel das widerspenstig-melodische 'Kennel', das natürlich auch nur ein etwas druckvoller gespielter doppelbödiger Rocksong ist, der auf kurzer Distanz Abgründe umkreist, für die andere Bands mindestens die doppelte Distanz benötigten. Könnte mit Leichtigkeit einer der Songs des Jahres werden. Und zwar völlig unangestrengt.

Das war ja schon immer das Gute an CAPITAL: kein Gramm zu viel, kein falsches Pathos, das geprügelte Kind dennoch beim Namen nennen. Quietschende Lamentonummern wie 'I Am Anonymous', die davon zeugen, dass CAPITAL auch einige Semester auf den Straßen Washington DCs studiert haben, stehen neben schnellen Klopfern wie 'Youth Culture', die das kultivieren, was melodischer Hardcore aus Thrash-Metal Gitarren destillieren kann. Hört sich krude an? Funktioniert prächtig. Oder halt 'Little Pill'. Man möchte sich diesen Song mit seinem süchtig machenden Basslauf auf alle Ewigkeit neben die DESCENDENTS und AVAIL zu Zeiten der "4 AM Friday" an die Wand nageln.

CAPITAL haben dieses Album für kurze Zeit zum freien Download angeboten. Etwas später durfte jeder zahlen, was er wollte. Die Wichtigkeit dieser sich ziemlich rar machenden Band für den melodischen down-to-earth-Hardcore lässt sich natürlich nicht an Dollar-Beträgen messen. Ist man zum Ende mit 'Bog Road' durch, wird klar: CAPITAL besetzen ihre Nische völlig unangefochten. Aufgekratztheit, Leidenschaft, Energie und das Wissen um die Vorgänger werden in diesem Genre selten so scheinbar lässig vertont. Sie geben, wir nehmen. Und wie gerne wir nehmen. 8,5

Tracklist:

01: Green (With Envy)
02: Road Rash
03: I Am Anonymous
04: Youth Culture
05: Southern Air
06: Kennel
07: Three Weeks In
08: Conspiracy Theories
09: Little Pill
10: Cold And Gray
11: Grifters
12: Bog Road

Autor

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René

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